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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Luthers Ablaßstreit den wesentlichen Inhalt seiner Thesen und Streitschriften
ausgesprochen," freilich auch nicht zuerst. Ser. legt nun ein ziemlich detaillier¬
tes System des Inhalts jener Briefe vor. um dann die Frage nach deren
Autorschaft zu erörtern. Ausgehend von Huttens eignen und anderer Aeuße¬
rungen, welche diesen als Verfaßer erscheinen laßen, erwägt er dann das
merkwürdige Schreiben gegen die Apologie des Crotus von 1532, auf welches
wir unten zurückkommen mühen, und weiches den ganzen Crotus von dessen
Erfurter Zeit an so abschildert, daß man ihm die Versaßerschaft der UM.
v. ansieht, die er ihm zudem ausdrücklich zuspricht. Dieses bezieht auch
Ser. nur auf den ersten Theil der Briefe und sucht daraus, daß Hütten seit
der Ermordung seines Vetters durch diese Familienangelegenheit zu sehr in
Anspruch genommen und seit dem Herbste 15 in Italien gewesen sei, zu er¬
klären, daß derselbe von Anfang an vielleicht keinen Antheil an jenen Briefen
gehabt habe, und dessen Theilnahme vorzugsweise auf den 2. Theil zu bezie¬
hen sei; der erste Theil bestehe ursprünglich nur aus Briefen, die aus Deutsch¬
land und den Niederlanden datiert seien; der zweite habe viele aus Rom da¬
tierte Briefe und allerhand römische Anschauungen, und in ihm würden "unter
der Form des Berichts von gehaltenen Gesprächen häufiger sehr ernste Erör¬
terungen eingeflochten", auch werde hier Hütten von den Briefstellern mehrmals
genannt und "schlecht gemacht". Ser. entscheidet (S. 270). "nach äußeren
Zeugnissen wie nach inneren Gründen haben wir in den Lxp. o. v. ein
Pickenick vor uns, dessen erste und hauptsächlichste Schüßeln von Crotus. die
übrigen, mit jenen an Reichthum und Wohlgeschmack wetteifernd, von einer
Anzahl der besten Köpfe unter den Humanisten der Zeit, insbesondere auch
von Ulrich v. Hütten geliefert waren." Dieses Vild genügt mir nicht; ich
darf aber hier meine Ansicht von der Autorschaft der Lxx. 0. V. nicht zu be¬
gründen versuchen; sie ist, ganz nicht neu. diese: Hauptmitarbeiter an beiden
Theilen sind Crotus, Hütten, Busch; Redacteur und Haupturheber des ersten
ist Crotus, des zweiten ist Hütten; wie viel oder wenig einzelne Einfälle
anderer und welcher anderen eingearbeitet worden seien, ist genau nicht zu
bestimmen, wol aber laßen sich vollständiger als Ser. wagen mochte, einzelne
Briefe dem Crotus oder Hütten und Büschen zuerkennen. (Vgl. auch die zum
Theil sehr schwache "Charakteristik... der Lx)>. v. v. aus dem Lclwd. R"z-
vien in Vogler u. Bothe. Altes u. Neues f. Gesch. u. Diesel. Potsd. 1832.
^. S. 231 ff.) Mit dem Bericht über die Aufnahme, welche die Lpx. o. v.
Namentlich bei Erasmus fanden, wie die vernichteten Dunkelmänner eine Ver-
'Uchtungsbulle gegen die Briefe erwirkten und sich dann durch ihre eigenen (des
Ortwin Gratius) I^mvrrtMone" o. v. völlig ruinierten, schließt das anmuthige
achte Kapitel.

Auf seiner Heimreise aus Italien weilte Hütten im Juli 151? im Hause


Luthers Ablaßstreit den wesentlichen Inhalt seiner Thesen und Streitschriften
ausgesprochen," freilich auch nicht zuerst. Ser. legt nun ein ziemlich detaillier¬
tes System des Inhalts jener Briefe vor. um dann die Frage nach deren
Autorschaft zu erörtern. Ausgehend von Huttens eignen und anderer Aeuße¬
rungen, welche diesen als Verfaßer erscheinen laßen, erwägt er dann das
merkwürdige Schreiben gegen die Apologie des Crotus von 1532, auf welches
wir unten zurückkommen mühen, und weiches den ganzen Crotus von dessen
Erfurter Zeit an so abschildert, daß man ihm die Versaßerschaft der UM.
v. ansieht, die er ihm zudem ausdrücklich zuspricht. Dieses bezieht auch
Ser. nur auf den ersten Theil der Briefe und sucht daraus, daß Hütten seit
der Ermordung seines Vetters durch diese Familienangelegenheit zu sehr in
Anspruch genommen und seit dem Herbste 15 in Italien gewesen sei, zu er¬
klären, daß derselbe von Anfang an vielleicht keinen Antheil an jenen Briefen
gehabt habe, und dessen Theilnahme vorzugsweise auf den 2. Theil zu bezie¬
hen sei; der erste Theil bestehe ursprünglich nur aus Briefen, die aus Deutsch¬
land und den Niederlanden datiert seien; der zweite habe viele aus Rom da¬
tierte Briefe und allerhand römische Anschauungen, und in ihm würden „unter
der Form des Berichts von gehaltenen Gesprächen häufiger sehr ernste Erör¬
terungen eingeflochten", auch werde hier Hütten von den Briefstellern mehrmals
genannt und „schlecht gemacht". Ser. entscheidet (S. 270). „nach äußeren
Zeugnissen wie nach inneren Gründen haben wir in den Lxp. o. v. ein
Pickenick vor uns, dessen erste und hauptsächlichste Schüßeln von Crotus. die
übrigen, mit jenen an Reichthum und Wohlgeschmack wetteifernd, von einer
Anzahl der besten Köpfe unter den Humanisten der Zeit, insbesondere auch
von Ulrich v. Hütten geliefert waren." Dieses Vild genügt mir nicht; ich
darf aber hier meine Ansicht von der Autorschaft der Lxx. 0. V. nicht zu be¬
gründen versuchen; sie ist, ganz nicht neu. diese: Hauptmitarbeiter an beiden
Theilen sind Crotus, Hütten, Busch; Redacteur und Haupturheber des ersten
ist Crotus, des zweiten ist Hütten; wie viel oder wenig einzelne Einfälle
anderer und welcher anderen eingearbeitet worden seien, ist genau nicht zu
bestimmen, wol aber laßen sich vollständiger als Ser. wagen mochte, einzelne
Briefe dem Crotus oder Hütten und Büschen zuerkennen. (Vgl. auch die zum
Theil sehr schwache „Charakteristik... der Lx)>. v. v. aus dem Lclwd. R«z-
vien in Vogler u. Bothe. Altes u. Neues f. Gesch. u. Diesel. Potsd. 1832.
^. S. 231 ff.) Mit dem Bericht über die Aufnahme, welche die Lpx. o. v.
Namentlich bei Erasmus fanden, wie die vernichteten Dunkelmänner eine Ver-
'Uchtungsbulle gegen die Briefe erwirkten und sich dann durch ihre eigenen (des
Ortwin Gratius) I^mvrrtMone« o. v. völlig ruinierten, schließt das anmuthige
achte Kapitel.

Auf seiner Heimreise aus Italien weilte Hütten im Juli 151? im Hause


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[0101] Luthers Ablaßstreit den wesentlichen Inhalt seiner Thesen und Streitschriften ausgesprochen," freilich auch nicht zuerst. Ser. legt nun ein ziemlich detaillier¬ tes System des Inhalts jener Briefe vor. um dann die Frage nach deren Autorschaft zu erörtern. Ausgehend von Huttens eignen und anderer Aeuße¬ rungen, welche diesen als Verfaßer erscheinen laßen, erwägt er dann das merkwürdige Schreiben gegen die Apologie des Crotus von 1532, auf welches wir unten zurückkommen mühen, und weiches den ganzen Crotus von dessen Erfurter Zeit an so abschildert, daß man ihm die Versaßerschaft der UM. v. ansieht, die er ihm zudem ausdrücklich zuspricht. Dieses bezieht auch Ser. nur auf den ersten Theil der Briefe und sucht daraus, daß Hütten seit der Ermordung seines Vetters durch diese Familienangelegenheit zu sehr in Anspruch genommen und seit dem Herbste 15 in Italien gewesen sei, zu er¬ klären, daß derselbe von Anfang an vielleicht keinen Antheil an jenen Briefen gehabt habe, und dessen Theilnahme vorzugsweise auf den 2. Theil zu bezie¬ hen sei; der erste Theil bestehe ursprünglich nur aus Briefen, die aus Deutsch¬ land und den Niederlanden datiert seien; der zweite habe viele aus Rom da¬ tierte Briefe und allerhand römische Anschauungen, und in ihm würden „unter der Form des Berichts von gehaltenen Gesprächen häufiger sehr ernste Erör¬ terungen eingeflochten", auch werde hier Hütten von den Briefstellern mehrmals genannt und „schlecht gemacht". Ser. entscheidet (S. 270). „nach äußeren Zeugnissen wie nach inneren Gründen haben wir in den Lxp. o. v. ein Pickenick vor uns, dessen erste und hauptsächlichste Schüßeln von Crotus. die übrigen, mit jenen an Reichthum und Wohlgeschmack wetteifernd, von einer Anzahl der besten Köpfe unter den Humanisten der Zeit, insbesondere auch von Ulrich v. Hütten geliefert waren." Dieses Vild genügt mir nicht; ich darf aber hier meine Ansicht von der Autorschaft der Lxx. 0. V. nicht zu be¬ gründen versuchen; sie ist, ganz nicht neu. diese: Hauptmitarbeiter an beiden Theilen sind Crotus, Hütten, Busch; Redacteur und Haupturheber des ersten ist Crotus, des zweiten ist Hütten; wie viel oder wenig einzelne Einfälle anderer und welcher anderen eingearbeitet worden seien, ist genau nicht zu bestimmen, wol aber laßen sich vollständiger als Ser. wagen mochte, einzelne Briefe dem Crotus oder Hütten und Büschen zuerkennen. (Vgl. auch die zum Theil sehr schwache „Charakteristik... der Lx)>. v. v. aus dem Lclwd. R«z- vien in Vogler u. Bothe. Altes u. Neues f. Gesch. u. Diesel. Potsd. 1832. ^. S. 231 ff.) Mit dem Bericht über die Aufnahme, welche die Lpx. o. v. Namentlich bei Erasmus fanden, wie die vernichteten Dunkelmänner eine Ver- 'Uchtungsbulle gegen die Briefe erwirkten und sich dann durch ihre eigenen (des Ortwin Gratius) I^mvrrtMone« o. v. völlig ruinierten, schließt das anmuthige achte Kapitel. Auf seiner Heimreise aus Italien weilte Hütten im Juli 151? im Hause

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/101>, abgerufen am 31.05.2024.