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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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mit welcher der Verfasser die tüchtige Art der dortigen Deutschen und die viel¬
fachen Vorzüge derselben vor den Uankees hervorhebt. Ein so warmes Lob
unsrer Stammgenossen ist in amerikanischem Munde selten. Hier aber erhebt
es sich an einigen Stellen fast zur Poesie und wird in dieser liebenswürdigen
Form doppelt wohlthuend. Der Reisende hat mit richtigem Gefühl die
schönen Eigenschaften unsrer Natur herausgefunden und läßt sie in anmuthigster
Weise vor uns hintreten. Die Fülle des deutschen Gemüths, sein saubres,
lebensfrohes Wesen, seine gediegne Weise zu arbeiten, sein Gefallen am
Schonen und Behaglichen sind mit einem Wohlwollen und einer Liebe ge¬
schildert, welche uns stolz machen kann. Folgen wir ihm bei seinen Be¬
obachtungen. Wir können erquickende Bilder dieser Art brauchen.

Der Versasser kommt aus dem Wege von Seguin nach San Antonio in
eine Hütte, wo er gastfreundliche Aufnahme findet: "Wir fanden einen Mann
mit Frau und Sohn, und noch einen einzelnen Mann; sie alle waren vor
vier Jahren aus Deutschland gekommen, in Lavacca gelandet und gleich ins
Innere nach Neubraunseis gegangen. Der Junggesell hatte im ersten Jahre
bei einem Farmer gearbeitet, der andere in einer Spezereihandlung zu San
Antonio Unterkommen gefunden. Jetzt arbeitete jener, ein Schuhmacher, in
seinem Handwerk. Beide hatten das während jener zwei Jahre Erübrigte zu¬
sammengeschossen und vor einem Jahre die Hütte, hundert Acker Land und
ein paar Stück Vieh einem Amerikaner abgekauft. Der Acker war etwa zwei
Dollars werth, das Vieh konnte aber weiden wo es wollte; die Weide ist
sehr nahrhaft, der Boden sehr gut zum Feldbau. Im vorigen Sommer hatten
sie vollauf Mais für sich und ihr Vieh geerntet und allerlei Gemüse obendrein.
Jetzt besaßen sie zwanzig Stück Rindvieh; aus dem Erlös von Butter, Eiern,
Schuhen und Strümpfen hatten sie zwei jetzt eben trächtige Mutterpferde ge¬
kauft. Als sie einzogen, rissen sie den verfaulten Breterfußboden des Ameri¬
kaners aus und stampften ihn hart, besserten dann das Dach aus, bewarfen
die Wände und nun war das Haus wetterdicht; es erhielt Fensterscheiben
und neue Thüren mit hölzernen Klinker. Es ließ sich schön darin wohnen,
aber sie wollten sich im nächsten Jahr doch eine neue hübsche Wohnung
neben hübschen Bäumen bauen. Sie würden das alles mit eigenen Händen
thun, vorher aber erst all ihr Land recht hübsch einzäunen und möglichst viel
davon urbar machen.

Diese Leute lebten recht einsam und abgeschieden; das nächste Dorf lag
acht Wegstunden entfernt; im Umkreis von anderthalb Stunden wohnten zwei
andere deutsche Ansiedler und ein Amerikaner. Aber es gefiel den Leuten. Ich
fragte den jungen Mann, ob er Deutschland gern verlassen habe? Er meinte, es
sei hier tausendmal besser, obschon weniger behaglich. "Es ist hart für einen
jungen Mann, wenn er so wenig Vergnügungen und Zerstreuungen hat wie


mit welcher der Verfasser die tüchtige Art der dortigen Deutschen und die viel¬
fachen Vorzüge derselben vor den Uankees hervorhebt. Ein so warmes Lob
unsrer Stammgenossen ist in amerikanischem Munde selten. Hier aber erhebt
es sich an einigen Stellen fast zur Poesie und wird in dieser liebenswürdigen
Form doppelt wohlthuend. Der Reisende hat mit richtigem Gefühl die
schönen Eigenschaften unsrer Natur herausgefunden und läßt sie in anmuthigster
Weise vor uns hintreten. Die Fülle des deutschen Gemüths, sein saubres,
lebensfrohes Wesen, seine gediegne Weise zu arbeiten, sein Gefallen am
Schonen und Behaglichen sind mit einem Wohlwollen und einer Liebe ge¬
schildert, welche uns stolz machen kann. Folgen wir ihm bei seinen Be¬
obachtungen. Wir können erquickende Bilder dieser Art brauchen.

Der Versasser kommt aus dem Wege von Seguin nach San Antonio in
eine Hütte, wo er gastfreundliche Aufnahme findet: „Wir fanden einen Mann
mit Frau und Sohn, und noch einen einzelnen Mann; sie alle waren vor
vier Jahren aus Deutschland gekommen, in Lavacca gelandet und gleich ins
Innere nach Neubraunseis gegangen. Der Junggesell hatte im ersten Jahre
bei einem Farmer gearbeitet, der andere in einer Spezereihandlung zu San
Antonio Unterkommen gefunden. Jetzt arbeitete jener, ein Schuhmacher, in
seinem Handwerk. Beide hatten das während jener zwei Jahre Erübrigte zu¬
sammengeschossen und vor einem Jahre die Hütte, hundert Acker Land und
ein paar Stück Vieh einem Amerikaner abgekauft. Der Acker war etwa zwei
Dollars werth, das Vieh konnte aber weiden wo es wollte; die Weide ist
sehr nahrhaft, der Boden sehr gut zum Feldbau. Im vorigen Sommer hatten
sie vollauf Mais für sich und ihr Vieh geerntet und allerlei Gemüse obendrein.
Jetzt besaßen sie zwanzig Stück Rindvieh; aus dem Erlös von Butter, Eiern,
Schuhen und Strümpfen hatten sie zwei jetzt eben trächtige Mutterpferde ge¬
kauft. Als sie einzogen, rissen sie den verfaulten Breterfußboden des Ameri¬
kaners aus und stampften ihn hart, besserten dann das Dach aus, bewarfen
die Wände und nun war das Haus wetterdicht; es erhielt Fensterscheiben
und neue Thüren mit hölzernen Klinker. Es ließ sich schön darin wohnen,
aber sie wollten sich im nächsten Jahr doch eine neue hübsche Wohnung
neben hübschen Bäumen bauen. Sie würden das alles mit eigenen Händen
thun, vorher aber erst all ihr Land recht hübsch einzäunen und möglichst viel
davon urbar machen.

Diese Leute lebten recht einsam und abgeschieden; das nächste Dorf lag
acht Wegstunden entfernt; im Umkreis von anderthalb Stunden wohnten zwei
andere deutsche Ansiedler und ein Amerikaner. Aber es gefiel den Leuten. Ich
fragte den jungen Mann, ob er Deutschland gern verlassen habe? Er meinte, es
sei hier tausendmal besser, obschon weniger behaglich. „Es ist hart für einen
jungen Mann, wenn er so wenig Vergnügungen und Zerstreuungen hat wie


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[0152] mit welcher der Verfasser die tüchtige Art der dortigen Deutschen und die viel¬ fachen Vorzüge derselben vor den Uankees hervorhebt. Ein so warmes Lob unsrer Stammgenossen ist in amerikanischem Munde selten. Hier aber erhebt es sich an einigen Stellen fast zur Poesie und wird in dieser liebenswürdigen Form doppelt wohlthuend. Der Reisende hat mit richtigem Gefühl die schönen Eigenschaften unsrer Natur herausgefunden und läßt sie in anmuthigster Weise vor uns hintreten. Die Fülle des deutschen Gemüths, sein saubres, lebensfrohes Wesen, seine gediegne Weise zu arbeiten, sein Gefallen am Schonen und Behaglichen sind mit einem Wohlwollen und einer Liebe ge¬ schildert, welche uns stolz machen kann. Folgen wir ihm bei seinen Be¬ obachtungen. Wir können erquickende Bilder dieser Art brauchen. Der Versasser kommt aus dem Wege von Seguin nach San Antonio in eine Hütte, wo er gastfreundliche Aufnahme findet: „Wir fanden einen Mann mit Frau und Sohn, und noch einen einzelnen Mann; sie alle waren vor vier Jahren aus Deutschland gekommen, in Lavacca gelandet und gleich ins Innere nach Neubraunseis gegangen. Der Junggesell hatte im ersten Jahre bei einem Farmer gearbeitet, der andere in einer Spezereihandlung zu San Antonio Unterkommen gefunden. Jetzt arbeitete jener, ein Schuhmacher, in seinem Handwerk. Beide hatten das während jener zwei Jahre Erübrigte zu¬ sammengeschossen und vor einem Jahre die Hütte, hundert Acker Land und ein paar Stück Vieh einem Amerikaner abgekauft. Der Acker war etwa zwei Dollars werth, das Vieh konnte aber weiden wo es wollte; die Weide ist sehr nahrhaft, der Boden sehr gut zum Feldbau. Im vorigen Sommer hatten sie vollauf Mais für sich und ihr Vieh geerntet und allerlei Gemüse obendrein. Jetzt besaßen sie zwanzig Stück Rindvieh; aus dem Erlös von Butter, Eiern, Schuhen und Strümpfen hatten sie zwei jetzt eben trächtige Mutterpferde ge¬ kauft. Als sie einzogen, rissen sie den verfaulten Breterfußboden des Ameri¬ kaners aus und stampften ihn hart, besserten dann das Dach aus, bewarfen die Wände und nun war das Haus wetterdicht; es erhielt Fensterscheiben und neue Thüren mit hölzernen Klinker. Es ließ sich schön darin wohnen, aber sie wollten sich im nächsten Jahr doch eine neue hübsche Wohnung neben hübschen Bäumen bauen. Sie würden das alles mit eigenen Händen thun, vorher aber erst all ihr Land recht hübsch einzäunen und möglichst viel davon urbar machen. Diese Leute lebten recht einsam und abgeschieden; das nächste Dorf lag acht Wegstunden entfernt; im Umkreis von anderthalb Stunden wohnten zwei andere deutsche Ansiedler und ein Amerikaner. Aber es gefiel den Leuten. Ich fragte den jungen Mann, ob er Deutschland gern verlassen habe? Er meinte, es sei hier tausendmal besser, obschon weniger behaglich. „Es ist hart für einen jungen Mann, wenn er so wenig Vergnügungen und Zerstreuungen hat wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/152>, abgerufen am 15.05.2024.