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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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sollten gleich ein Mittagsbrod haben. Sie nimmt ein Tischtuch und breitet
es an einem Ende der Tafel aus, und als wir eben die Oberröcke abgelegt
und uns die Hände am Ofen ein wenig gewärmt haben, ist die Frau schon
wieder da und ersucht uns Platz zu nehmen. Sie setzt uns eine ganz vor¬
treffliche Suppe vor, dann folgen zweierlei Gerichte Fleisch -- ke in gebratenes
Salzfleisch vom Schwein! -- zwei Schüsseln Gemüse, Salat, eingemachte
Früchte, Weizenbrod, Kaffee mit Milch, und dazu prächtige ungesalzene Butter, ,
Butter, wie ich sie niemals im Süden des Potomac gesunden habe, wo mir
die Leute immer sagten, es sei nicht möglich, in einem südlichen Klima gute
Butter zu bereiten. Aber worin liegt das Geheimniß? Im Fleiß, in der
Achtsamkeit und Sauberkeit.

Nach Tisch unterhielten wir uns ein Stündchen mit den Herren im Gast¬
hofe; alle waren unterrichtete, gebildete, wohlerzogene Männer, freundlich,
achtbar, gesprächig; sämmtlich in Deutschland geboren. Sie lebten erst seit
ein paar Jahren in Texas; einige waren auf der Reise und in andern deut¬
schen Niederlassungen ansässig, andere wohnten schon seit längerer Zeit in
Braunfels. Es war uns so äußerst angenehm mit solchen Leuten zusammen¬
zutreffen, und sie gaben uns so interessante und zufriedenstellende Nachrichen
über die Deutschen in Texas, daß wir hier zu bleiben beschlossen. Wir gingen
hinaus, um nach unsern Pferden zu sehen. Ein Mann in Kappe und runder
Jacke rieb sie ab. Es war das erste Mal, daß ihnen dergleichen ohne Wei¬
teres geschah; sonst hatten wir es selbst thun oder einen Neger theuer dasür
bezahlen müssen. In der Krippe lag das beste Mesquiteheu, -- das erste,
welches sie in Texas zu'fressen bekamen, und es gefiel den Thieren so, daß
sie uns mit den Augen gleichsam zu bitten schienen, wir möchten sie über
Nacht da lassen. Aber war in dem kleinen Gasthofe^auch ein Schlafzimmer
für uns? Gäste waren schon da; indessen konnten wir nöthigenfalls auf der
platten Erde schlafen und waren dann immer noch besser daran, als seither.
Wir fragten, ob wir Nachtherberge haben könnten? -- Ja wol, recht gern.
Ob wir nicht das Zimmer uns einmal ansehen wollten? -- Wir dachten es
sei wol im Hahnenbalken, aber das war ein Irrthum. Im Hofe stand ein
Nebengebäude; darin war ein kleines Zimmer mit blaubemalten Wänden und
Möbeln von Eichenholz; wir fanden zwei Betten; jeder sollte ein eignes Bett
haben, also sich des Luxus erfreuen, allein zu schlafen! Das war uns in
Texas noch nicht vorgekommen. Die beiden Fenster hatten Vorhänge und
waren draußen mit einem immergrünen Rosenstrauch überzogen; keine Fenster¬
scheibe fehlte; -- zum ersten Mal, seit wir uns in Texas befanden! Auch stand
ein Sopha da, ferner ein Seeretair und auf demselben ein vollständiges Con-
versationslexikon neben Kendalls Santa-F6-Expedition. eine Statuette von
Porzellan, Blumen in Töpfen, eine messingene Studirlampe; ein wohleinge-


sollten gleich ein Mittagsbrod haben. Sie nimmt ein Tischtuch und breitet
es an einem Ende der Tafel aus, und als wir eben die Oberröcke abgelegt
und uns die Hände am Ofen ein wenig gewärmt haben, ist die Frau schon
wieder da und ersucht uns Platz zu nehmen. Sie setzt uns eine ganz vor¬
treffliche Suppe vor, dann folgen zweierlei Gerichte Fleisch — ke in gebratenes
Salzfleisch vom Schwein! — zwei Schüsseln Gemüse, Salat, eingemachte
Früchte, Weizenbrod, Kaffee mit Milch, und dazu prächtige ungesalzene Butter, ,
Butter, wie ich sie niemals im Süden des Potomac gesunden habe, wo mir
die Leute immer sagten, es sei nicht möglich, in einem südlichen Klima gute
Butter zu bereiten. Aber worin liegt das Geheimniß? Im Fleiß, in der
Achtsamkeit und Sauberkeit.

Nach Tisch unterhielten wir uns ein Stündchen mit den Herren im Gast¬
hofe; alle waren unterrichtete, gebildete, wohlerzogene Männer, freundlich,
achtbar, gesprächig; sämmtlich in Deutschland geboren. Sie lebten erst seit
ein paar Jahren in Texas; einige waren auf der Reise und in andern deut¬
schen Niederlassungen ansässig, andere wohnten schon seit längerer Zeit in
Braunfels. Es war uns so äußerst angenehm mit solchen Leuten zusammen¬
zutreffen, und sie gaben uns so interessante und zufriedenstellende Nachrichen
über die Deutschen in Texas, daß wir hier zu bleiben beschlossen. Wir gingen
hinaus, um nach unsern Pferden zu sehen. Ein Mann in Kappe und runder
Jacke rieb sie ab. Es war das erste Mal, daß ihnen dergleichen ohne Wei¬
teres geschah; sonst hatten wir es selbst thun oder einen Neger theuer dasür
bezahlen müssen. In der Krippe lag das beste Mesquiteheu, — das erste,
welches sie in Texas zu'fressen bekamen, und es gefiel den Thieren so, daß
sie uns mit den Augen gleichsam zu bitten schienen, wir möchten sie über
Nacht da lassen. Aber war in dem kleinen Gasthofe^auch ein Schlafzimmer
für uns? Gäste waren schon da; indessen konnten wir nöthigenfalls auf der
platten Erde schlafen und waren dann immer noch besser daran, als seither.
Wir fragten, ob wir Nachtherberge haben könnten? — Ja wol, recht gern.
Ob wir nicht das Zimmer uns einmal ansehen wollten? — Wir dachten es
sei wol im Hahnenbalken, aber das war ein Irrthum. Im Hofe stand ein
Nebengebäude; darin war ein kleines Zimmer mit blaubemalten Wänden und
Möbeln von Eichenholz; wir fanden zwei Betten; jeder sollte ein eignes Bett
haben, also sich des Luxus erfreuen, allein zu schlafen! Das war uns in
Texas noch nicht vorgekommen. Die beiden Fenster hatten Vorhänge und
waren draußen mit einem immergrünen Rosenstrauch überzogen; keine Fenster¬
scheibe fehlte; — zum ersten Mal, seit wir uns in Texas befanden! Auch stand
ein Sopha da, ferner ein Seeretair und auf demselben ein vollständiges Con-
versationslexikon neben Kendalls Santa-F6-Expedition. eine Statuette von
Porzellan, Blumen in Töpfen, eine messingene Studirlampe; ein wohleinge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/156>, abgerufen am 15.05.2024.