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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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plomatischen Geschäften zusammenhänge, er berührt allerdings die spanischen
Heirathen, die wichtigste Frage, in der er persönlich thätig war, nur obenhin,
und übergeht alles, was nach seiner Ansicht irgend Einfluß auf das jetzt
bestehende Verhältniß Englands und Frankreichs haben könnte; -- aber er
hat durch seine Darstellung doch nur bewiesen, daß es unmöglich ist, officielle
Kenntnißnahme und Privatanschauungen zu trennen; sagt er doch selbst in der
Einleitung, daß seine Stellung es ihm natürlich sehr erleichtert habe, zuverlässige
Materialien zu sammeln, und daß, wenn fortwährende Berichterstattung neben
einem fast täglich geführten Privatjournal hergeht, es nur natürlich ist, daß
dieselben Ereignisse oft in denselben Ausdrücken in beiden aufgezeichnet werden.
Indeß hierüber mag Sr. Herrlichkeit sich mit seiner Regierung abfinden', das
Amtsgeheimniß ist in England bekanntlich nicht übermäßig streng. Schärfer
kann es auf seinen Privatcharakter zurückfallen, wenn er Personen, von denen
er mit Auszeichnung und Zuvorkommenheit behandelt wurde, trotz seiner Ver¬
sicherung, das Persönliche vermeiden zu wollen, bitter l'ritifirt. Er sagt selbst
S. 183 in einer Note, daß Louis Philipp ihn stets mit vieler Güte empfan¬
gen und ihm gleich bei seiner Ankunft gesagt, er solle sich als Familien¬
botschafter betrachten, -- und im Text derselben Seite spricht er auf das härteste
vom König. Gewiß der freundliche Empfang verpflichtete ihn nicht, die Hand-
lungen Louis Philipps zu, billigen, aber was nöthigte ihn, seine Ansichten
über denselben drucken zu lassen? --

Indessen die Person des Marquis soll uns nicht weiter kümmern, wir
nehmen das Buch als.die Erinnerungen eines Mannes, der durch seine hohe
Stellung in der Lage war, zuverlässige Beobachtungen anzustellen, und als
solches ist es ein werthvoller Beitrag zur Zeitgeschichte und verdient nähere
Besprechung.

Das Werk beginnt mit der Februarrevolution und schließt mit der Erwäh¬
lung Louis Napoleons zum Präsidenten, voran aber gehen einige Bemerkungen
und ein Journal über die Ursachen des Falls der Julimonarchie, die von
vielem Interesse sind und den Verfasser, wenn nicht grade als tiefen, doch als
einen richtig sehenden Beobachter zeigen. Indem wir ihm folgen, wollen wir
versuchen, ihn zu ergänzen und die Hauptsachen hervorheben, welche das
Königthum 1848 stürzten.

Das Journal des Debats, dessen frühere Protectoren allerdings bei Lord
Normanby in keinem günstigen Lichte erscheinen, wirft ihm vor, er habe hier¬
über wenig Neues gebracht, wir haben Manches gesunden, was uns neu er¬
schien, vor allem Aber mit Interesse gesehen, daß der englische Gesandte die
Lage der Dinge schon im Juli 1847 klar erkannte. Während gewisse andere
Diplomaten noch im Anfang Februar 1848 die Nachricht mit nach Hause
brachten, L. Philipps Thron sei auf einen Diamantfelsen gegründet., schreibt


plomatischen Geschäften zusammenhänge, er berührt allerdings die spanischen
Heirathen, die wichtigste Frage, in der er persönlich thätig war, nur obenhin,
und übergeht alles, was nach seiner Ansicht irgend Einfluß auf das jetzt
bestehende Verhältniß Englands und Frankreichs haben könnte; -- aber er
hat durch seine Darstellung doch nur bewiesen, daß es unmöglich ist, officielle
Kenntnißnahme und Privatanschauungen zu trennen; sagt er doch selbst in der
Einleitung, daß seine Stellung es ihm natürlich sehr erleichtert habe, zuverlässige
Materialien zu sammeln, und daß, wenn fortwährende Berichterstattung neben
einem fast täglich geführten Privatjournal hergeht, es nur natürlich ist, daß
dieselben Ereignisse oft in denselben Ausdrücken in beiden aufgezeichnet werden.
Indeß hierüber mag Sr. Herrlichkeit sich mit seiner Regierung abfinden', das
Amtsgeheimniß ist in England bekanntlich nicht übermäßig streng. Schärfer
kann es auf seinen Privatcharakter zurückfallen, wenn er Personen, von denen
er mit Auszeichnung und Zuvorkommenheit behandelt wurde, trotz seiner Ver¬
sicherung, das Persönliche vermeiden zu wollen, bitter l'ritifirt. Er sagt selbst
S. 183 in einer Note, daß Louis Philipp ihn stets mit vieler Güte empfan¬
gen und ihm gleich bei seiner Ankunft gesagt, er solle sich als Familien¬
botschafter betrachten, — und im Text derselben Seite spricht er auf das härteste
vom König. Gewiß der freundliche Empfang verpflichtete ihn nicht, die Hand-
lungen Louis Philipps zu, billigen, aber was nöthigte ihn, seine Ansichten
über denselben drucken zu lassen? —

Indessen die Person des Marquis soll uns nicht weiter kümmern, wir
nehmen das Buch als.die Erinnerungen eines Mannes, der durch seine hohe
Stellung in der Lage war, zuverlässige Beobachtungen anzustellen, und als
solches ist es ein werthvoller Beitrag zur Zeitgeschichte und verdient nähere
Besprechung.

Das Werk beginnt mit der Februarrevolution und schließt mit der Erwäh¬
lung Louis Napoleons zum Präsidenten, voran aber gehen einige Bemerkungen
und ein Journal über die Ursachen des Falls der Julimonarchie, die von
vielem Interesse sind und den Verfasser, wenn nicht grade als tiefen, doch als
einen richtig sehenden Beobachter zeigen. Indem wir ihm folgen, wollen wir
versuchen, ihn zu ergänzen und die Hauptsachen hervorheben, welche das
Königthum 1848 stürzten.

Das Journal des Debats, dessen frühere Protectoren allerdings bei Lord
Normanby in keinem günstigen Lichte erscheinen, wirft ihm vor, er habe hier¬
über wenig Neues gebracht, wir haben Manches gesunden, was uns neu er¬
schien, vor allem Aber mit Interesse gesehen, daß der englische Gesandte die
Lage der Dinge schon im Juli 1847 klar erkannte. Während gewisse andere
Diplomaten noch im Anfang Februar 1848 die Nachricht mit nach Hause
brachten, L. Philipps Thron sei auf einen Diamantfelsen gegründet., schreibt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/181>, abgerufen am 15.05.2024.