Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

halten, hieß offenbar die militärische Kraft der Engländer schwächen, wie sich
das bei dem durch General Windham erlittenen Unfall bereits gezeigt hat.

Auch das haben wir gleich damals ausgesprochen, daß die englische
Regierung im Drange der Noth selbst sich schwerlich zu durchgreifenden Ver¬
änderungen in der Verwaltung Ostindiens entschließen würde, weil das nur
neue Desorganisationen zu den aus allen Fugen weichenden Zuständen hinzu¬
fügen heißen müßte. Das Ende der jetzigen ostindischen Verwaltung sei viel¬
mehr mit dem des Aufstandes gegeben. Es ist bekannt, daß der ostindischen
Compagnie der in nächster Parlamentssitzung bereits bevorstehende Antrag der
Regierung auf deren Beseitigung mitgetheilt worden ist, und zwar hat die
englische Presse sich ziemlich einstimmig für die gleichfalls von uns früher
schon bezeichneten Ursachen der jetzigen Mißregierung (miizrulö, wie die Eng¬
länder diesen Zustand sehr scharf benennen) ausgesprochen. Nicht die ost¬
indische Compagnie ist es, welche die Schuld der Vergangenheit trügt, aber
auch nicht die Verwaltungsbehörde der Negierung; es ist vielmehr jener Zu¬
stand einer vielfältigen Verwaltung mit nebeneinander bestehenden-Voll¬
machten, die auf das Ganze lähmend einwirkte und schließlich so viel Unheil
herbeigeführt hat. Daß Regierung und Parlament von der öffentlichen
Meinung gestützt, die alten Behörden beseitigen und dafür eine neue direct
unter der Krone stehende Verwaltung einzuführen im Stande sein werden,
kann, wie wir zeigen werden, vorläufig keinem Zweifel unterworfen sein.

Nur von zwei Seiten ist bisher ein Widerstand gegen die bevorstehenden
Reorganisationen kund gegeben worden. Einmal inmitten des Directorialhofs;
natürlich, denn wer laßt sich gern begraben? Ein Director Namens Jones
hat bei der Ankündigung der bevorstehenden Aufhebung der ostindischen Gesell¬
schaft Einspruch gegen die Maßregel gethan; sei Regierung und Parlament
doch nicht einmal im Stande gewesen, die alte Gemeindeverfassung der Lon¬
doner umzustoßen, wie viel weniger werde sie gegenüber der mächtigen osi-
indischen Gesellschaft vermögen! Aussprüche dieser Art beweisen aber nur,
wie leicht sich die Hoffnung durch angebliche Analogien täuschen läßt. Die
londoner City hat ihren alten Unrath behalten, einmal weil sich daran sehr
greifbare und allezeit gegenwärtige Interessen knüpften; sodann aber vor¬
nehmlich, weil ihr Bestehen oder ihr Aufhören noch niemals den Rang einer
nationalen Frage eingenommen hat. Wenn die alte londoner City Wider¬
stand leisten konnte, die alten Korngesetze aber trotz des Widerstands der
Aristokratie aufgehoben wurden,-liegt das vielleicht daran, weil der Lord Mayor
von London mächtiger ist als das britische Oberhaus und die vielen damit
verknüpften Interessen? Der Trostgrund des Herrn Jones wird also bei der
ungeheuren Wucht der indischen Ereignisse nicht ausreichen, es müßte denn
nachgewiesen werden, daß das jetzige indische Vcrwaltungssystem für die Ver-'


halten, hieß offenbar die militärische Kraft der Engländer schwächen, wie sich
das bei dem durch General Windham erlittenen Unfall bereits gezeigt hat.

Auch das haben wir gleich damals ausgesprochen, daß die englische
Regierung im Drange der Noth selbst sich schwerlich zu durchgreifenden Ver¬
änderungen in der Verwaltung Ostindiens entschließen würde, weil das nur
neue Desorganisationen zu den aus allen Fugen weichenden Zuständen hinzu¬
fügen heißen müßte. Das Ende der jetzigen ostindischen Verwaltung sei viel¬
mehr mit dem des Aufstandes gegeben. Es ist bekannt, daß der ostindischen
Compagnie der in nächster Parlamentssitzung bereits bevorstehende Antrag der
Regierung auf deren Beseitigung mitgetheilt worden ist, und zwar hat die
englische Presse sich ziemlich einstimmig für die gleichfalls von uns früher
schon bezeichneten Ursachen der jetzigen Mißregierung (miizrulö, wie die Eng¬
länder diesen Zustand sehr scharf benennen) ausgesprochen. Nicht die ost¬
indische Compagnie ist es, welche die Schuld der Vergangenheit trügt, aber
auch nicht die Verwaltungsbehörde der Negierung; es ist vielmehr jener Zu¬
stand einer vielfältigen Verwaltung mit nebeneinander bestehenden-Voll¬
machten, die auf das Ganze lähmend einwirkte und schließlich so viel Unheil
herbeigeführt hat. Daß Regierung und Parlament von der öffentlichen
Meinung gestützt, die alten Behörden beseitigen und dafür eine neue direct
unter der Krone stehende Verwaltung einzuführen im Stande sein werden,
kann, wie wir zeigen werden, vorläufig keinem Zweifel unterworfen sein.

Nur von zwei Seiten ist bisher ein Widerstand gegen die bevorstehenden
Reorganisationen kund gegeben worden. Einmal inmitten des Directorialhofs;
natürlich, denn wer laßt sich gern begraben? Ein Director Namens Jones
hat bei der Ankündigung der bevorstehenden Aufhebung der ostindischen Gesell¬
schaft Einspruch gegen die Maßregel gethan; sei Regierung und Parlament
doch nicht einmal im Stande gewesen, die alte Gemeindeverfassung der Lon¬
doner umzustoßen, wie viel weniger werde sie gegenüber der mächtigen osi-
indischen Gesellschaft vermögen! Aussprüche dieser Art beweisen aber nur,
wie leicht sich die Hoffnung durch angebliche Analogien täuschen läßt. Die
londoner City hat ihren alten Unrath behalten, einmal weil sich daran sehr
greifbare und allezeit gegenwärtige Interessen knüpften; sodann aber vor¬
nehmlich, weil ihr Bestehen oder ihr Aufhören noch niemals den Rang einer
nationalen Frage eingenommen hat. Wenn die alte londoner City Wider¬
stand leisten konnte, die alten Korngesetze aber trotz des Widerstands der
Aristokratie aufgehoben wurden,-liegt das vielleicht daran, weil der Lord Mayor
von London mächtiger ist als das britische Oberhaus und die vielen damit
verknüpften Interessen? Der Trostgrund des Herrn Jones wird also bei der
ungeheuren Wucht der indischen Ereignisse nicht ausreichen, es müßte denn
nachgewiesen werden, daß das jetzige indische Vcrwaltungssystem für die Ver-'


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105467"/>
          <p xml:id="ID_436" prev="#ID_435"> halten, hieß offenbar die militärische Kraft der Engländer schwächen, wie sich<lb/>
das bei dem durch General Windham erlittenen Unfall bereits gezeigt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_437"> Auch das haben wir gleich damals ausgesprochen, daß die englische<lb/>
Regierung im Drange der Noth selbst sich schwerlich zu durchgreifenden Ver¬<lb/>
änderungen in der Verwaltung Ostindiens entschließen würde, weil das nur<lb/>
neue Desorganisationen zu den aus allen Fugen weichenden Zuständen hinzu¬<lb/>
fügen heißen müßte. Das Ende der jetzigen ostindischen Verwaltung sei viel¬<lb/>
mehr mit dem des Aufstandes gegeben. Es ist bekannt, daß der ostindischen<lb/>
Compagnie der in nächster Parlamentssitzung bereits bevorstehende Antrag der<lb/>
Regierung auf deren Beseitigung mitgetheilt worden ist, und zwar hat die<lb/>
englische Presse sich ziemlich einstimmig für die gleichfalls von uns früher<lb/>
schon bezeichneten Ursachen der jetzigen Mißregierung (miizrulö, wie die Eng¬<lb/>
länder diesen Zustand sehr scharf benennen) ausgesprochen. Nicht die ost¬<lb/>
indische Compagnie ist es, welche die Schuld der Vergangenheit trügt, aber<lb/>
auch nicht die Verwaltungsbehörde der Negierung; es ist vielmehr jener Zu¬<lb/>
stand einer vielfältigen Verwaltung mit nebeneinander bestehenden-Voll¬<lb/>
machten, die auf das Ganze lähmend einwirkte und schließlich so viel Unheil<lb/>
herbeigeführt hat. Daß Regierung und Parlament von der öffentlichen<lb/>
Meinung gestützt, die alten Behörden beseitigen und dafür eine neue direct<lb/>
unter der Krone stehende Verwaltung einzuführen im Stande sein werden,<lb/>
kann, wie wir zeigen werden, vorläufig keinem Zweifel unterworfen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_438" next="#ID_439"> Nur von zwei Seiten ist bisher ein Widerstand gegen die bevorstehenden<lb/>
Reorganisationen kund gegeben worden. Einmal inmitten des Directorialhofs;<lb/>
natürlich, denn wer laßt sich gern begraben? Ein Director Namens Jones<lb/>
hat bei der Ankündigung der bevorstehenden Aufhebung der ostindischen Gesell¬<lb/>
schaft Einspruch gegen die Maßregel gethan; sei Regierung und Parlament<lb/>
doch nicht einmal im Stande gewesen, die alte Gemeindeverfassung der Lon¬<lb/>
doner umzustoßen, wie viel weniger werde sie gegenüber der mächtigen osi-<lb/>
indischen Gesellschaft vermögen! Aussprüche dieser Art beweisen aber nur,<lb/>
wie leicht sich die Hoffnung durch angebliche Analogien täuschen läßt. Die<lb/>
londoner City hat ihren alten Unrath behalten, einmal weil sich daran sehr<lb/>
greifbare und allezeit gegenwärtige Interessen knüpften; sodann aber vor¬<lb/>
nehmlich, weil ihr Bestehen oder ihr Aufhören noch niemals den Rang einer<lb/>
nationalen Frage eingenommen hat. Wenn die alte londoner City Wider¬<lb/>
stand leisten konnte, die alten Korngesetze aber trotz des Widerstands der<lb/>
Aristokratie aufgehoben wurden,-liegt das vielleicht daran, weil der Lord Mayor<lb/>
von London mächtiger ist als das britische Oberhaus und die vielen damit<lb/>
verknüpften Interessen? Der Trostgrund des Herrn Jones wird also bei der<lb/>
ungeheuren Wucht der indischen Ereignisse nicht ausreichen, es müßte denn<lb/>
nachgewiesen werden, daß das jetzige indische Vcrwaltungssystem für die Ver-'</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0190] halten, hieß offenbar die militärische Kraft der Engländer schwächen, wie sich das bei dem durch General Windham erlittenen Unfall bereits gezeigt hat. Auch das haben wir gleich damals ausgesprochen, daß die englische Regierung im Drange der Noth selbst sich schwerlich zu durchgreifenden Ver¬ änderungen in der Verwaltung Ostindiens entschließen würde, weil das nur neue Desorganisationen zu den aus allen Fugen weichenden Zuständen hinzu¬ fügen heißen müßte. Das Ende der jetzigen ostindischen Verwaltung sei viel¬ mehr mit dem des Aufstandes gegeben. Es ist bekannt, daß der ostindischen Compagnie der in nächster Parlamentssitzung bereits bevorstehende Antrag der Regierung auf deren Beseitigung mitgetheilt worden ist, und zwar hat die englische Presse sich ziemlich einstimmig für die gleichfalls von uns früher schon bezeichneten Ursachen der jetzigen Mißregierung (miizrulö, wie die Eng¬ länder diesen Zustand sehr scharf benennen) ausgesprochen. Nicht die ost¬ indische Compagnie ist es, welche die Schuld der Vergangenheit trügt, aber auch nicht die Verwaltungsbehörde der Negierung; es ist vielmehr jener Zu¬ stand einer vielfältigen Verwaltung mit nebeneinander bestehenden-Voll¬ machten, die auf das Ganze lähmend einwirkte und schließlich so viel Unheil herbeigeführt hat. Daß Regierung und Parlament von der öffentlichen Meinung gestützt, die alten Behörden beseitigen und dafür eine neue direct unter der Krone stehende Verwaltung einzuführen im Stande sein werden, kann, wie wir zeigen werden, vorläufig keinem Zweifel unterworfen sein. Nur von zwei Seiten ist bisher ein Widerstand gegen die bevorstehenden Reorganisationen kund gegeben worden. Einmal inmitten des Directorialhofs; natürlich, denn wer laßt sich gern begraben? Ein Director Namens Jones hat bei der Ankündigung der bevorstehenden Aufhebung der ostindischen Gesell¬ schaft Einspruch gegen die Maßregel gethan; sei Regierung und Parlament doch nicht einmal im Stande gewesen, die alte Gemeindeverfassung der Lon¬ doner umzustoßen, wie viel weniger werde sie gegenüber der mächtigen osi- indischen Gesellschaft vermögen! Aussprüche dieser Art beweisen aber nur, wie leicht sich die Hoffnung durch angebliche Analogien täuschen läßt. Die londoner City hat ihren alten Unrath behalten, einmal weil sich daran sehr greifbare und allezeit gegenwärtige Interessen knüpften; sodann aber vor¬ nehmlich, weil ihr Bestehen oder ihr Aufhören noch niemals den Rang einer nationalen Frage eingenommen hat. Wenn die alte londoner City Wider¬ stand leisten konnte, die alten Korngesetze aber trotz des Widerstands der Aristokratie aufgehoben wurden,-liegt das vielleicht daran, weil der Lord Mayor von London mächtiger ist als das britische Oberhaus und die vielen damit verknüpften Interessen? Der Trostgrund des Herrn Jones wird also bei der ungeheuren Wucht der indischen Ereignisse nicht ausreichen, es müßte denn nachgewiesen werden, daß das jetzige indische Vcrwaltungssystem für die Ver-'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/190
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/190>, abgerufen am 31.05.2024.