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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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gebracht, welche denn an Enthusiasmus für Napoleon IV. nichts zu wünschen
läßt. Bisher hielt man es mit der Disciplin für einigermaßen unvereinbar, daß
die Armee der Dynastie ein Vertrauensvotum gebe, jetzt erklärt der General Gras
Elerambault, "die Armee sei fortan berufen, eine politische Rolle in Zeiten der
Krisis zu spielen," ein General überbietet den andern in Schwüren der Er¬
gebenheit, jede Truppenart hat neue Kraftausdrücke, ihre Treue bis in den
Tod und darüber hinaus, zu betheuern. Und der Moniteur schiebt die Adressen
der bürgerlichen Corporationen für mehre Tage bei Seite und macht daraus
aufmerksam, es sei wichtiger, den Geist kennen zu lernen, der die Armee erfülle
-- vidv Tacitus Annalen und Historien. -- Der Kaiser hatte in der Thron¬
rede das Heer als seine Stütze genannt, die Rede ist überhaupt persönlicher als wol
irgend eine, welche kürzlich bei ähnlicher Gelegenheit gehalten wurde, wir wollen
leinen ausführlichen Eommentar dazu schreiben, er könnte Bände füllen, wir
übergehen Se. Helenamedaille, die Herzogtümer, die Besprechung der kaiser¬
lichen Grundsätze, um nur eines hervorzuheben. Napoleon selbst, wie H. Billaült
und mehre Adressen haben eine Parallele zwischen England und Frankreich
gezogen und die jetzige Zeit in letzterem Lande mit der Negierung Wilhelms III.
verglichen. Dieser Vergleich ist nicht stichhaltig; wol waren beide Regierungen,
wie der Minister sagt, in einem Zustand der Vertheidigung, aber die Frage
ist hier, wie, mit welchen Mitteln haben sie sich vertheidigt. Nicht nur unter
Wilhelm, sondern sogar unter den beiden ersten Georgs erhob sich die jako-
bitische Partei im offnen Aufstand, ward deshalb die parlamentarische Regie¬
rung einen Augenblick in Frage gestellt? Wilhelm- ward von der Presse auf
das heftigste angegriffen und doch fiel mit seiner Ankunft die Censur, um nicht
wieder hergestellt zu werden. Unter Napoleon III. war kein Zeichen eines
Aufstandes, und doch erklärt seine Negierung die Wahl einiger unliebsamen
Leute für einen Act der Feindschaft, die französische Presse greift ihn nicht an
und sie wird dafür bestraft, dass sie ihn nicht allgemein feiert. In England
konnte sich trift der Institutionen die ursprünglich dynastische Opposition in
eine politische verwandeln, die Iakobiten wurden Tones, in Frankreich ist das
nicht möglich. Die Bestandtheile seines Staatswesens fallen auseinander und
werden nur durch ein mechanisches Band zusammengehalten, seine Verwaltung
ist eine kunstreiche Maschine, kein Organismus. Man theilt Frankreich in
Militärcommandos, wovon jedes einem bewährten General untergeben sein
söll, aber der Spruch behält doch seine Wahrheit, daß man sich wol auf
Bajonette lehnen, doch nicht setzen könne.

Blicken wir von diesen traurigen Zuständen über den Kanal, so finden
wir ein heiteres, herzerfreuendcs Gegenbild. Eine Königin, geliebt und ver¬
ehrt von ihren freien und treuen Unterthanen, vermählt unter dem Zujauchzen


gebracht, welche denn an Enthusiasmus für Napoleon IV. nichts zu wünschen
läßt. Bisher hielt man es mit der Disciplin für einigermaßen unvereinbar, daß
die Armee der Dynastie ein Vertrauensvotum gebe, jetzt erklärt der General Gras
Elerambault, „die Armee sei fortan berufen, eine politische Rolle in Zeiten der
Krisis zu spielen," ein General überbietet den andern in Schwüren der Er¬
gebenheit, jede Truppenart hat neue Kraftausdrücke, ihre Treue bis in den
Tod und darüber hinaus, zu betheuern. Und der Moniteur schiebt die Adressen
der bürgerlichen Corporationen für mehre Tage bei Seite und macht daraus
aufmerksam, es sei wichtiger, den Geist kennen zu lernen, der die Armee erfülle
— vidv Tacitus Annalen und Historien. — Der Kaiser hatte in der Thron¬
rede das Heer als seine Stütze genannt, die Rede ist überhaupt persönlicher als wol
irgend eine, welche kürzlich bei ähnlicher Gelegenheit gehalten wurde, wir wollen
leinen ausführlichen Eommentar dazu schreiben, er könnte Bände füllen, wir
übergehen Se. Helenamedaille, die Herzogtümer, die Besprechung der kaiser¬
lichen Grundsätze, um nur eines hervorzuheben. Napoleon selbst, wie H. Billaült
und mehre Adressen haben eine Parallele zwischen England und Frankreich
gezogen und die jetzige Zeit in letzterem Lande mit der Negierung Wilhelms III.
verglichen. Dieser Vergleich ist nicht stichhaltig; wol waren beide Regierungen,
wie der Minister sagt, in einem Zustand der Vertheidigung, aber die Frage
ist hier, wie, mit welchen Mitteln haben sie sich vertheidigt. Nicht nur unter
Wilhelm, sondern sogar unter den beiden ersten Georgs erhob sich die jako-
bitische Partei im offnen Aufstand, ward deshalb die parlamentarische Regie¬
rung einen Augenblick in Frage gestellt? Wilhelm- ward von der Presse auf
das heftigste angegriffen und doch fiel mit seiner Ankunft die Censur, um nicht
wieder hergestellt zu werden. Unter Napoleon III. war kein Zeichen eines
Aufstandes, und doch erklärt seine Negierung die Wahl einiger unliebsamen
Leute für einen Act der Feindschaft, die französische Presse greift ihn nicht an
und sie wird dafür bestraft, dass sie ihn nicht allgemein feiert. In England
konnte sich trift der Institutionen die ursprünglich dynastische Opposition in
eine politische verwandeln, die Iakobiten wurden Tones, in Frankreich ist das
nicht möglich. Die Bestandtheile seines Staatswesens fallen auseinander und
werden nur durch ein mechanisches Band zusammengehalten, seine Verwaltung
ist eine kunstreiche Maschine, kein Organismus. Man theilt Frankreich in
Militärcommandos, wovon jedes einem bewährten General untergeben sein
söll, aber der Spruch behält doch seine Wahrheit, daß man sich wol auf
Bajonette lehnen, doch nicht setzen könne.

Blicken wir von diesen traurigen Zuständen über den Kanal, so finden
wir ein heiteres, herzerfreuendcs Gegenbild. Eine Königin, geliebt und ver¬
ehrt von ihren freien und treuen Unterthanen, vermählt unter dem Zujauchzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/246>, abgerufen am 14.05.2024.