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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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einer Despotie nur materiellen Genuß gibt, so denkt man auch nur an ma¬
terielle Sicherheit d. h. man sucht so schnell und so viel als möglich zu
stehlen. Am nächsten liegt die Staatskasse, aber hier hat die Plünderung
eine Grenze und die augenblicklichen Günstlinge des Hoff wenden sich daher sehr
bald an das einträglichere Geschäft, durch Drohungen oder Versprechungen von
den Schwächern, die ihrer Willkühr ausgesetzt sind, Geld zu erpressen. So
drängt sich der Despotismus mit seinen Folgen auch in den Kreis des Pri¬
vatlebens. Am Hof der großen Katharina wurde damals das Erprefsungs-
system mit einer seltenen Virtuosität ausgeübt. Bekanntlich gingen die regie¬
renden Minister dieser Frau, die damals doch schon ziemlich bei Jahren war,
aus dem Kreise ihrer Liebhaber hervor. Der allmächtige Liebhaber jener
Periode war Graf Suboff. der nicht allein für sich unermeßliche Summen
erpreßte, sondern auch seinen zahlreichen Günstlingen verstattete, ungescheut
in die Taschen der andern zu'greisen. Eins der bequemsten Opfer ihrer Hab¬
sucht war der Herzog von Kurland, den man nur fortregieren ließ, um durch
ihn das Land bis zum letzten Blutstropfen auszusaugen. Die Thatsachen,
die ans diesen Ackerstücken hervorgehn, klingen wie ein Märchen. Als Sie¬
pers nach Warschau geschickt wurde, hatte er nebenbei den Auftrag, gegen
den Herzog von Kurland ein neues Erpressungssystem in Anwendung zu
bringen, den er auch ausführte. Es ist schon vorher bemerkt, daß Siepers
kein Fabricius war; gegen die Erpressungen an sich hatte er nichts einzuwen¬
den, nur hielt er es als tüchtiger Beamter für nöthig, auch darin eine ge¬
wisse Regel und Ordnung eintreten zu lassen. Er hatte mit dem Herzog von
Kurland, dem er natürlich ebenso wie dein König von Polen die zärtlichen
Briefe seiner Töchter vorlas, den Tribut, den er zu zahlen hatte, geschäftlich
regulirt und es verletzte seinen Ordnungssinn, als gleich darauf die Günstlinge
des Grafen von Suboff sich von Neuem meldeten und neue unerhörte Con-
tributionen verlangten, die in jener Regulirung nicht einbegriffen waren. In
seinem Verdruß schrieb er seinem Schützling, er solle nichts zahlen, er über¬
nahm dafür die Verantwortung und beklagte sich bei der Kaiserin. Aber
so hatte es diese nicht verstanden. Wozu war der Herzog von Kurland in
der Welt, wenn sich ihre Günstlinge an ihm nicht bereichern sollten! Leider
fehlt ihre Antwort in diesen Papieren, über den Inhalt derselben ist aber
kein Zweifel. Natürlich kostete es dem treuen Diener keine Aufopferung, den
Herzog von Kurland anders zu berichten und ihm zu erklären, er müsse dock
zahlen; aber jenes Attentat wurde ihm nicht vergessen und die Anweisung,
seinem Nachfolger Rechnung abzulegen, war die Strafe dafür.

Wir behalten uns vor, nach Vollendung des Buchs noch einmal darauf
zurückzukommen. Im nächsten Heft werden wir aus den Denkwürdigkeiten des Her¬
zogs von Ragusa das Bild eines andern Despotismus entwerfen, der in


einer Despotie nur materiellen Genuß gibt, so denkt man auch nur an ma¬
terielle Sicherheit d. h. man sucht so schnell und so viel als möglich zu
stehlen. Am nächsten liegt die Staatskasse, aber hier hat die Plünderung
eine Grenze und die augenblicklichen Günstlinge des Hoff wenden sich daher sehr
bald an das einträglichere Geschäft, durch Drohungen oder Versprechungen von
den Schwächern, die ihrer Willkühr ausgesetzt sind, Geld zu erpressen. So
drängt sich der Despotismus mit seinen Folgen auch in den Kreis des Pri¬
vatlebens. Am Hof der großen Katharina wurde damals das Erprefsungs-
system mit einer seltenen Virtuosität ausgeübt. Bekanntlich gingen die regie¬
renden Minister dieser Frau, die damals doch schon ziemlich bei Jahren war,
aus dem Kreise ihrer Liebhaber hervor. Der allmächtige Liebhaber jener
Periode war Graf Suboff. der nicht allein für sich unermeßliche Summen
erpreßte, sondern auch seinen zahlreichen Günstlingen verstattete, ungescheut
in die Taschen der andern zu'greisen. Eins der bequemsten Opfer ihrer Hab¬
sucht war der Herzog von Kurland, den man nur fortregieren ließ, um durch
ihn das Land bis zum letzten Blutstropfen auszusaugen. Die Thatsachen,
die ans diesen Ackerstücken hervorgehn, klingen wie ein Märchen. Als Sie¬
pers nach Warschau geschickt wurde, hatte er nebenbei den Auftrag, gegen
den Herzog von Kurland ein neues Erpressungssystem in Anwendung zu
bringen, den er auch ausführte. Es ist schon vorher bemerkt, daß Siepers
kein Fabricius war; gegen die Erpressungen an sich hatte er nichts einzuwen¬
den, nur hielt er es als tüchtiger Beamter für nöthig, auch darin eine ge¬
wisse Regel und Ordnung eintreten zu lassen. Er hatte mit dem Herzog von
Kurland, dem er natürlich ebenso wie dein König von Polen die zärtlichen
Briefe seiner Töchter vorlas, den Tribut, den er zu zahlen hatte, geschäftlich
regulirt und es verletzte seinen Ordnungssinn, als gleich darauf die Günstlinge
des Grafen von Suboff sich von Neuem meldeten und neue unerhörte Con-
tributionen verlangten, die in jener Regulirung nicht einbegriffen waren. In
seinem Verdruß schrieb er seinem Schützling, er solle nichts zahlen, er über¬
nahm dafür die Verantwortung und beklagte sich bei der Kaiserin. Aber
so hatte es diese nicht verstanden. Wozu war der Herzog von Kurland in
der Welt, wenn sich ihre Günstlinge an ihm nicht bereichern sollten! Leider
fehlt ihre Antwort in diesen Papieren, über den Inhalt derselben ist aber
kein Zweifel. Natürlich kostete es dem treuen Diener keine Aufopferung, den
Herzog von Kurland anders zu berichten und ihm zu erklären, er müsse dock
zahlen; aber jenes Attentat wurde ihm nicht vergessen und die Anweisung,
seinem Nachfolger Rechnung abzulegen, war die Strafe dafür.

Wir behalten uns vor, nach Vollendung des Buchs noch einmal darauf
zurückzukommen. Im nächsten Heft werden wir aus den Denkwürdigkeiten des Her¬
zogs von Ragusa das Bild eines andern Despotismus entwerfen, der in


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[0314] einer Despotie nur materiellen Genuß gibt, so denkt man auch nur an ma¬ terielle Sicherheit d. h. man sucht so schnell und so viel als möglich zu stehlen. Am nächsten liegt die Staatskasse, aber hier hat die Plünderung eine Grenze und die augenblicklichen Günstlinge des Hoff wenden sich daher sehr bald an das einträglichere Geschäft, durch Drohungen oder Versprechungen von den Schwächern, die ihrer Willkühr ausgesetzt sind, Geld zu erpressen. So drängt sich der Despotismus mit seinen Folgen auch in den Kreis des Pri¬ vatlebens. Am Hof der großen Katharina wurde damals das Erprefsungs- system mit einer seltenen Virtuosität ausgeübt. Bekanntlich gingen die regie¬ renden Minister dieser Frau, die damals doch schon ziemlich bei Jahren war, aus dem Kreise ihrer Liebhaber hervor. Der allmächtige Liebhaber jener Periode war Graf Suboff. der nicht allein für sich unermeßliche Summen erpreßte, sondern auch seinen zahlreichen Günstlingen verstattete, ungescheut in die Taschen der andern zu'greisen. Eins der bequemsten Opfer ihrer Hab¬ sucht war der Herzog von Kurland, den man nur fortregieren ließ, um durch ihn das Land bis zum letzten Blutstropfen auszusaugen. Die Thatsachen, die ans diesen Ackerstücken hervorgehn, klingen wie ein Märchen. Als Sie¬ pers nach Warschau geschickt wurde, hatte er nebenbei den Auftrag, gegen den Herzog von Kurland ein neues Erpressungssystem in Anwendung zu bringen, den er auch ausführte. Es ist schon vorher bemerkt, daß Siepers kein Fabricius war; gegen die Erpressungen an sich hatte er nichts einzuwen¬ den, nur hielt er es als tüchtiger Beamter für nöthig, auch darin eine ge¬ wisse Regel und Ordnung eintreten zu lassen. Er hatte mit dem Herzog von Kurland, dem er natürlich ebenso wie dein König von Polen die zärtlichen Briefe seiner Töchter vorlas, den Tribut, den er zu zahlen hatte, geschäftlich regulirt und es verletzte seinen Ordnungssinn, als gleich darauf die Günstlinge des Grafen von Suboff sich von Neuem meldeten und neue unerhörte Con- tributionen verlangten, die in jener Regulirung nicht einbegriffen waren. In seinem Verdruß schrieb er seinem Schützling, er solle nichts zahlen, er über¬ nahm dafür die Verantwortung und beklagte sich bei der Kaiserin. Aber so hatte es diese nicht verstanden. Wozu war der Herzog von Kurland in der Welt, wenn sich ihre Günstlinge an ihm nicht bereichern sollten! Leider fehlt ihre Antwort in diesen Papieren, über den Inhalt derselben ist aber kein Zweifel. Natürlich kostete es dem treuen Diener keine Aufopferung, den Herzog von Kurland anders zu berichten und ihm zu erklären, er müsse dock zahlen; aber jenes Attentat wurde ihm nicht vergessen und die Anweisung, seinem Nachfolger Rechnung abzulegen, war die Strafe dafür. Wir behalten uns vor, nach Vollendung des Buchs noch einmal darauf zurückzukommen. Im nächsten Heft werden wir aus den Denkwürdigkeiten des Her¬ zogs von Ragusa das Bild eines andern Despotismus entwerfen, der in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/314>, abgerufen am 15.05.2024.