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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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die Theorien der Legitinütätspolititer sind, es doch ein unschätzbarer Segen
für ein Volk ist, wenn es mit seinem Fürstenhause so eng verwachsen ist. daß
an den Ursprung der Verbindung nie mehr gedacht wird, sondern jeder nur
der Gewißheit lebt, so müsse es sein. Der große Einfluß, den Familien¬
verbindungen auf die Geschicke der Dynastien und somit mittelbar auf die der
Völker haben, wird deshalb um so mehr in Preußen empfunden, und diesmal
begrüßte das Land in' der Prinzessin von Großbritannien und Irland nicht
nur eine glückliche persönliche Wahl des dereinstigen Erben der Krone, son¬
dern erblickte darin mit Hoffnung und Befriedigung die Wiederanknüpfung einer
Verbindung, die mehr als alle andere Preußens Größe befördert, ja einen
Grundstein zu ihr gelegt hatte. Jede Allianz mit England hat das Land
einen Schritt weiter aus seiner Bahn geführt, jeder Zwist mit England hat
es mehr als einen Schritt zurückgeworfen. Der große Kurfürst von Branden¬
burg war der Vertraute Königs Wilhelm III., des Wiedcrherstellers der
politischen und religiösen Freiheit Englands, unter ihm stritten ein branden-
burgischcr Marschall und brandenburgische Truppen. Die Stammmutter des
neuen englischen Königshauses, die Herzogin Sophie, war auch die Mutter
der ersten Königin von Preußen, der Gemahlin Friedrich I.. der Freundin
Leibnitzens, Sophie Charlottens. Ihr Sohn,- der die Elemente des neuen
Staates consolidirte und die Werkzeuge für des großen Friedrich Erfolge schuf,
die Armee und die Finanzen, hatte die Tochter Georg I. Sophie Dorothea
heimgeführt; sie wünschte, wie man weiß, eine Doppelheirath ihres ältesten
Sohnes und ihrer ältesten Tochter mit den Kindern ihres Bruders; die Ränke
der kaiserlichen Partei und ihrer treulosen Helfershelfer Grumbkow und Evers-
mann vereitelten diese hoffnungsvolle Verbindung. Aber Friedrich, den keine
dynastischen Bande mit Großbritannien vereinigen sollten, schloß einen
festen politischen Bund mit dem großen Staatsmann, dessen scharfer Blick sah,
daß Amerika in Deutschland erobert werden müsse, England und Preußen standen
damals allein gegen eine Welt in Waffen. Der Verrath Lord Butes war
es, der Friedrich zu dem ersten verhängnißvollen russischen Bündniß nöthigte.
Die französische Revolution trennte beide Länder, der Annahme des Danaer¬
geschenkes, Hannover, folgte Jena, aber vereint sahen die Befreiungskriege
beide Völker in Waffen und gemeinsam war der Sieg von Waterloo. Die
traurige Politik der heiligem Allianz, mit Englands Gesetzen unverträglich, trieb
Preußen wieder in russische Netze, in denen es nur Demüthigungen und Ver¬
luste gefunden, welche vorläufig mit dem londoner Protokoll endigen. Ist
es da nicht natürlich, daß man mit Jubel die Wiederanknüpfung der alten
Familienverbindung mit dem protestantischen Königshause eines freien Volkes
begrüßt? Solche Gedanken mußten wol an einem tiefer blickenden Beobachter
vorübergehen, der die alterthümliche Prachtkarosse mit den beiden Königs-


die Theorien der Legitinütätspolititer sind, es doch ein unschätzbarer Segen
für ein Volk ist, wenn es mit seinem Fürstenhause so eng verwachsen ist. daß
an den Ursprung der Verbindung nie mehr gedacht wird, sondern jeder nur
der Gewißheit lebt, so müsse es sein. Der große Einfluß, den Familien¬
verbindungen auf die Geschicke der Dynastien und somit mittelbar auf die der
Völker haben, wird deshalb um so mehr in Preußen empfunden, und diesmal
begrüßte das Land in' der Prinzessin von Großbritannien und Irland nicht
nur eine glückliche persönliche Wahl des dereinstigen Erben der Krone, son¬
dern erblickte darin mit Hoffnung und Befriedigung die Wiederanknüpfung einer
Verbindung, die mehr als alle andere Preußens Größe befördert, ja einen
Grundstein zu ihr gelegt hatte. Jede Allianz mit England hat das Land
einen Schritt weiter aus seiner Bahn geführt, jeder Zwist mit England hat
es mehr als einen Schritt zurückgeworfen. Der große Kurfürst von Branden¬
burg war der Vertraute Königs Wilhelm III., des Wiedcrherstellers der
politischen und religiösen Freiheit Englands, unter ihm stritten ein branden-
burgischcr Marschall und brandenburgische Truppen. Die Stammmutter des
neuen englischen Königshauses, die Herzogin Sophie, war auch die Mutter
der ersten Königin von Preußen, der Gemahlin Friedrich I.. der Freundin
Leibnitzens, Sophie Charlottens. Ihr Sohn,- der die Elemente des neuen
Staates consolidirte und die Werkzeuge für des großen Friedrich Erfolge schuf,
die Armee und die Finanzen, hatte die Tochter Georg I. Sophie Dorothea
heimgeführt; sie wünschte, wie man weiß, eine Doppelheirath ihres ältesten
Sohnes und ihrer ältesten Tochter mit den Kindern ihres Bruders; die Ränke
der kaiserlichen Partei und ihrer treulosen Helfershelfer Grumbkow und Evers-
mann vereitelten diese hoffnungsvolle Verbindung. Aber Friedrich, den keine
dynastischen Bande mit Großbritannien vereinigen sollten, schloß einen
festen politischen Bund mit dem großen Staatsmann, dessen scharfer Blick sah,
daß Amerika in Deutschland erobert werden müsse, England und Preußen standen
damals allein gegen eine Welt in Waffen. Der Verrath Lord Butes war
es, der Friedrich zu dem ersten verhängnißvollen russischen Bündniß nöthigte.
Die französische Revolution trennte beide Länder, der Annahme des Danaer¬
geschenkes, Hannover, folgte Jena, aber vereint sahen die Befreiungskriege
beide Völker in Waffen und gemeinsam war der Sieg von Waterloo. Die
traurige Politik der heiligem Allianz, mit Englands Gesetzen unverträglich, trieb
Preußen wieder in russische Netze, in denen es nur Demüthigungen und Ver¬
luste gefunden, welche vorläufig mit dem londoner Protokoll endigen. Ist
es da nicht natürlich, daß man mit Jubel die Wiederanknüpfung der alten
Familienverbindung mit dem protestantischen Königshause eines freien Volkes
begrüßt? Solche Gedanken mußten wol an einem tiefer blickenden Beobachter
vorübergehen, der die alterthümliche Prachtkarosse mit den beiden Königs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/322>, abgerufen am 15.05.2024.