Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die hervorragende Stelle, welche Frankreich dabei gespielt, die überlegenen
Streitkräfte, welche es nach der Krim gesandt, der traurige Zustand der engli¬
schen Armee im Anfang 1855 werden natürlich sehr betont. Es sind nun
diese Thatsachen zwar richtig, obwol man bei dem Zustand der Presse in den
beiden Ländern die englischen Mißgriffe sehr übertrieben und die französischen
verborgen hat, aber man würde sehr irren, wenn man in diesen größern
Leistungen Frankreichs Acte der Großmuth sehen wollte; je mehr es England
überbot, desto mehr trat die "apoleonische Politik in den Vordergrund und der
Kaiser erschien als der alleinige Schiedsrichter der europäischen Politik, und
darauf allein, nicht auf die Opfer, welche dies dem Lande auferlegte, kam es
ihm an. Merkwürdigerweise geht die Schrift ganz über den Frieden selbst
hinweg, hierbei erschien der Kaiser vor allem als der, welcher das Zünglein
der Wage hielt, der Friede ward England aufgedrungen, weil Napoleon sicher
wußte, daß Rußland erschöpft sei, daß Frankreich des Krieges mindestens
überdrüssig war und daß England beim Fortgange desselben alle seine ge¬
waltigen Hilfsmittel entwickeln und Frankreich in Schatten stellen würde.
Dieser Frieden, dem Großbritannien sich fügte, ist daher klüglich nicht mit
nnter den Wohlthaten seines AUiirtcn aufgezählt. Es war zu erwarten, daß
der Verfasser sich über Englands Meinungswechsel in der Frage der Fürsten-
thümer beklage, aber es ist falsch, wenn er sagt: "in diesem Augenblicke
brach der indische Aufstand aus", denn der Umsprung der englischen Politik
in der rumänischen Frage war ein Jahr vorher durch Lord Stratford zu
Wege gebracht. Daß es nun sehr richtig war, die Verlegenheit der Engländer
nicht zu sehr auszubeuten, bestreiten wir nicht, uur möge man dies nicht
wieder ans Rechnung reinen Edelmuthes der französischen Politik schreiben,
es war ein Nechencz'empel; wollte man die Allianz aufrecht halten, wie es für
Napoleon nothwendig ist, so durfte man Englands Verlegenheit nicht vermeh¬
ren, übrigens vergißt der Verfasser, daß ihr zufolge Frankreich in Osborne
wesentlich seinen Willen durchsetzte. Die Schrift kommt dann zu dem Haupt¬
gegenstand, dein Attentat vom 14. Januar, das übrigens, wie sie versichert,
in Frankreich weit mehr Unwillen als Unruhe hervorgerufen, sie zählt die
frühern Attentate anf. die von England aus angestiftet seien, schildert die mord-
süchtigen Absichten der Flüchtlinge und gibt einen Abriß des Processes gegen
Jean Peltier wegen Beleidigung des ersten Evnsuls, als Fingerzeig wie das
englische Volt sich zu benehmen habe.

Wir glauben dieser neueste offiziöse (5rguß wird der napoleonischen Poli¬
tik nichts nützen, sondern schaden, die englischen Blätter nehmen ihn schon
scharf mit. Mit der Wendung, welche die Dinge in England genommen,
können wir aber nur zufrieden sein. Durch die Kundgebungen des tiefen Un¬
willens, der sich in dem Votum vom 19. Febr. und der Bewegung im bri-


Grenzbvte" I. 1358. 58

die hervorragende Stelle, welche Frankreich dabei gespielt, die überlegenen
Streitkräfte, welche es nach der Krim gesandt, der traurige Zustand der engli¬
schen Armee im Anfang 1855 werden natürlich sehr betont. Es sind nun
diese Thatsachen zwar richtig, obwol man bei dem Zustand der Presse in den
beiden Ländern die englischen Mißgriffe sehr übertrieben und die französischen
verborgen hat, aber man würde sehr irren, wenn man in diesen größern
Leistungen Frankreichs Acte der Großmuth sehen wollte; je mehr es England
überbot, desto mehr trat die »apoleonische Politik in den Vordergrund und der
Kaiser erschien als der alleinige Schiedsrichter der europäischen Politik, und
darauf allein, nicht auf die Opfer, welche dies dem Lande auferlegte, kam es
ihm an. Merkwürdigerweise geht die Schrift ganz über den Frieden selbst
hinweg, hierbei erschien der Kaiser vor allem als der, welcher das Zünglein
der Wage hielt, der Friede ward England aufgedrungen, weil Napoleon sicher
wußte, daß Rußland erschöpft sei, daß Frankreich des Krieges mindestens
überdrüssig war und daß England beim Fortgange desselben alle seine ge¬
waltigen Hilfsmittel entwickeln und Frankreich in Schatten stellen würde.
Dieser Frieden, dem Großbritannien sich fügte, ist daher klüglich nicht mit
nnter den Wohlthaten seines AUiirtcn aufgezählt. Es war zu erwarten, daß
der Verfasser sich über Englands Meinungswechsel in der Frage der Fürsten-
thümer beklage, aber es ist falsch, wenn er sagt: „in diesem Augenblicke
brach der indische Aufstand aus", denn der Umsprung der englischen Politik
in der rumänischen Frage war ein Jahr vorher durch Lord Stratford zu
Wege gebracht. Daß es nun sehr richtig war, die Verlegenheit der Engländer
nicht zu sehr auszubeuten, bestreiten wir nicht, uur möge man dies nicht
wieder ans Rechnung reinen Edelmuthes der französischen Politik schreiben,
es war ein Nechencz'empel; wollte man die Allianz aufrecht halten, wie es für
Napoleon nothwendig ist, so durfte man Englands Verlegenheit nicht vermeh¬
ren, übrigens vergißt der Verfasser, daß ihr zufolge Frankreich in Osborne
wesentlich seinen Willen durchsetzte. Die Schrift kommt dann zu dem Haupt¬
gegenstand, dein Attentat vom 14. Januar, das übrigens, wie sie versichert,
in Frankreich weit mehr Unwillen als Unruhe hervorgerufen, sie zählt die
frühern Attentate anf. die von England aus angestiftet seien, schildert die mord-
süchtigen Absichten der Flüchtlinge und gibt einen Abriß des Processes gegen
Jean Peltier wegen Beleidigung des ersten Evnsuls, als Fingerzeig wie das
englische Volt sich zu benehmen habe.

Wir glauben dieser neueste offiziöse (5rguß wird der napoleonischen Poli¬
tik nichts nützen, sondern schaden, die englischen Blätter nehmen ihn schon
scharf mit. Mit der Wendung, welche die Dinge in England genommen,
können wir aber nur zufrieden sein. Durch die Kundgebungen des tiefen Un¬
willens, der sich in dem Votum vom 19. Febr. und der Bewegung im bri-


Grenzbvte» I. 1358. 58
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105742"/>
          <p xml:id="ID_1211" prev="#ID_1210"> die hervorragende Stelle, welche Frankreich dabei gespielt, die überlegenen<lb/>
Streitkräfte, welche es nach der Krim gesandt, der traurige Zustand der engli¬<lb/>
schen Armee im Anfang 1855 werden natürlich sehr betont.  Es sind nun<lb/>
diese Thatsachen zwar richtig, obwol man bei dem Zustand der Presse in den<lb/>
beiden Ländern die englischen Mißgriffe sehr übertrieben und die französischen<lb/>
verborgen hat, aber man würde sehr irren, wenn man in diesen größern<lb/>
Leistungen Frankreichs Acte der Großmuth sehen wollte; je mehr es England<lb/>
überbot, desto mehr trat die »apoleonische Politik in den Vordergrund und der<lb/>
Kaiser erschien als der alleinige Schiedsrichter der europäischen Politik, und<lb/>
darauf allein, nicht auf die Opfer, welche dies dem Lande auferlegte, kam es<lb/>
ihm an.  Merkwürdigerweise geht die Schrift ganz über den Frieden selbst<lb/>
hinweg, hierbei erschien der Kaiser vor allem als der, welcher das Zünglein<lb/>
der Wage hielt, der Friede ward England aufgedrungen, weil Napoleon sicher<lb/>
wußte, daß Rußland erschöpft sei, daß Frankreich des Krieges mindestens<lb/>
überdrüssig war und daß England beim Fortgange desselben alle seine ge¬<lb/>
waltigen Hilfsmittel entwickeln und Frankreich in Schatten stellen würde.<lb/>
Dieser Frieden, dem Großbritannien sich fügte, ist daher klüglich nicht mit<lb/>
nnter den Wohlthaten seines AUiirtcn aufgezählt.  Es war zu erwarten, daß<lb/>
der Verfasser sich über Englands Meinungswechsel in der Frage der Fürsten-<lb/>
thümer beklage, aber es ist falsch, wenn er sagt: &#x201E;in diesem Augenblicke<lb/>
brach der indische Aufstand aus", denn der Umsprung der englischen Politik<lb/>
in der rumänischen Frage war ein Jahr vorher durch Lord Stratford zu<lb/>
Wege gebracht. Daß es nun sehr richtig war, die Verlegenheit der Engländer<lb/>
nicht zu sehr auszubeuten, bestreiten wir nicht, uur möge man dies nicht<lb/>
wieder ans Rechnung reinen Edelmuthes der französischen Politik schreiben,<lb/>
es war ein Nechencz'empel; wollte man die Allianz aufrecht halten, wie es für<lb/>
Napoleon nothwendig ist, so durfte man Englands Verlegenheit nicht vermeh¬<lb/>
ren, übrigens vergißt der Verfasser, daß ihr zufolge Frankreich in Osborne<lb/>
wesentlich seinen Willen durchsetzte. Die Schrift kommt dann zu dem Haupt¬<lb/>
gegenstand, dein Attentat vom 14. Januar, das übrigens, wie sie versichert,<lb/>
in Frankreich weit mehr Unwillen als Unruhe hervorgerufen, sie zählt die<lb/>
frühern Attentate anf. die von England aus angestiftet seien, schildert die mord-<lb/>
süchtigen Absichten der Flüchtlinge und gibt einen Abriß des Processes gegen<lb/>
Jean Peltier wegen Beleidigung des ersten Evnsuls, als Fingerzeig wie das<lb/>
englische Volt sich zu benehmen habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1212" next="#ID_1213"> Wir glauben dieser neueste offiziöse (5rguß wird der napoleonischen Poli¬<lb/>
tik nichts nützen, sondern schaden, die englischen Blätter nehmen ihn schon<lb/>
scharf mit. Mit der Wendung, welche die Dinge in England genommen,<lb/>
können wir aber nur zufrieden sein. Durch die Kundgebungen des tiefen Un¬<lb/>
willens, der sich in dem Votum vom 19. Febr. und der Bewegung im bri-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbvte» I. 1358. 58</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0465] die hervorragende Stelle, welche Frankreich dabei gespielt, die überlegenen Streitkräfte, welche es nach der Krim gesandt, der traurige Zustand der engli¬ schen Armee im Anfang 1855 werden natürlich sehr betont. Es sind nun diese Thatsachen zwar richtig, obwol man bei dem Zustand der Presse in den beiden Ländern die englischen Mißgriffe sehr übertrieben und die französischen verborgen hat, aber man würde sehr irren, wenn man in diesen größern Leistungen Frankreichs Acte der Großmuth sehen wollte; je mehr es England überbot, desto mehr trat die »apoleonische Politik in den Vordergrund und der Kaiser erschien als der alleinige Schiedsrichter der europäischen Politik, und darauf allein, nicht auf die Opfer, welche dies dem Lande auferlegte, kam es ihm an. Merkwürdigerweise geht die Schrift ganz über den Frieden selbst hinweg, hierbei erschien der Kaiser vor allem als der, welcher das Zünglein der Wage hielt, der Friede ward England aufgedrungen, weil Napoleon sicher wußte, daß Rußland erschöpft sei, daß Frankreich des Krieges mindestens überdrüssig war und daß England beim Fortgange desselben alle seine ge¬ waltigen Hilfsmittel entwickeln und Frankreich in Schatten stellen würde. Dieser Frieden, dem Großbritannien sich fügte, ist daher klüglich nicht mit nnter den Wohlthaten seines AUiirtcn aufgezählt. Es war zu erwarten, daß der Verfasser sich über Englands Meinungswechsel in der Frage der Fürsten- thümer beklage, aber es ist falsch, wenn er sagt: „in diesem Augenblicke brach der indische Aufstand aus", denn der Umsprung der englischen Politik in der rumänischen Frage war ein Jahr vorher durch Lord Stratford zu Wege gebracht. Daß es nun sehr richtig war, die Verlegenheit der Engländer nicht zu sehr auszubeuten, bestreiten wir nicht, uur möge man dies nicht wieder ans Rechnung reinen Edelmuthes der französischen Politik schreiben, es war ein Nechencz'empel; wollte man die Allianz aufrecht halten, wie es für Napoleon nothwendig ist, so durfte man Englands Verlegenheit nicht vermeh¬ ren, übrigens vergißt der Verfasser, daß ihr zufolge Frankreich in Osborne wesentlich seinen Willen durchsetzte. Die Schrift kommt dann zu dem Haupt¬ gegenstand, dein Attentat vom 14. Januar, das übrigens, wie sie versichert, in Frankreich weit mehr Unwillen als Unruhe hervorgerufen, sie zählt die frühern Attentate anf. die von England aus angestiftet seien, schildert die mord- süchtigen Absichten der Flüchtlinge und gibt einen Abriß des Processes gegen Jean Peltier wegen Beleidigung des ersten Evnsuls, als Fingerzeig wie das englische Volt sich zu benehmen habe. Wir glauben dieser neueste offiziöse (5rguß wird der napoleonischen Poli¬ tik nichts nützen, sondern schaden, die englischen Blätter nehmen ihn schon scharf mit. Mit der Wendung, welche die Dinge in England genommen, können wir aber nur zufrieden sein. Durch die Kundgebungen des tiefen Un¬ willens, der sich in dem Votum vom 19. Febr. und der Bewegung im bri- Grenzbvte» I. 1358. 58

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/465
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/465>, abgerufen am 14.05.2024.