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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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auch auf dem Meere mächtigen geben würden. Wenn es sich den Depeschen
Preußens anschloß, so geschah dies einestheils, um dieses nicht vor der öffent¬
lichen Meinung als alleinigen Hüter der deutschen Rechte im Norden erscheinen
zu lassen, anderntheils, um von vornherein hemmend wirken zu können, viel¬
leicht auch, weil der Streit indirect gegen ein russisches Interesse gerichtet war,
oder weil ihm die constitutionellen Einrichtungen Dänemarks zuwider sind --
sicherlich nicht, um den Gesammtstaat zu erschüttern, der sein Abbild und die
bequemste Handhabe ist, Preußen Unbequemlichkeiten zu verursachen. Es hat
Oestreich in der Bundesversammlung zugestimmt, als der Antrag gestellt wurde,
in Holstein und Lauenburg gegen die dänische Willkür zu protestiren. Wir
dürfen aber überzeugt sein, daß es die Stimme und der Einfluß Oestreichs
war, woran der Antrag Hannovers auf ein Jnhibitorium scheiterte, daß jede
energische Maßregel in der Angelegenheit denselben Widerspruch erfahren, jede
Erwähnung Schleswigs durch den Bundestag von derselben Seite her gehindert
werden wird.

Unter diesen Umständen bleibt den Bundcsgliedern, welchen es aufrichtig
um die Wahrung der Rechte Deutschlands in Holstein und Lauenburg zu thun
ist. nur eine beschränkte Wirkungssphäre. Die Forderungen, welche von Frank¬
furt an Dänemark gestellt werden, gehen nicht über die Eider hinaus und
können nur eine Modifikation des Gesammtstaats, nicht die Gefährdung des¬
selben zur Folge haben. Man beanstandete den ohne vorherige Vernehmung
der Stände Holsteins und Lcmenburgs erfolgten Erlaß des Verfassungs-
gesctzes für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der dänischen Monar¬
chie als Verletzung von Artikel 56 der wiener Schlußacte, so wie als
Nichterfüllung der im Jahre 1852 übernommenen Verpflichtungen. Man
erstreckte diese Beanstandung auf die besondere Verfassung Holsteins,
indem man verlangte, daß die Ktz. 3 und 4 derselben, welche die Gegenstände
bestimmen, die als allgemeine Angelegenheiten der Monarchie und die als
besondere holsteinische betrachtet werden sollen, den Provinzialstnnden, deren
Berathung sie bisher entzogen gewesen, zur Begutachtung vorgelegt würden.
Man behauptete, die Gesammtverfassung verstoße auch in materieller Hinsicht
und vorzüglich in Betreff der Domänen gegen die gegebenen Zusagen, indem
die Domänen früher Sache der einzelnen Landestheile gewesen, durch das
Patent vom 23. Juli 1856 aber den gemeinschaftlichen Angelegenheiten der
Monarchie zugezählt worden seien. Man beklagte sich serner, daß die Zu-
sicherung, in dem Gesammtstaat solle kein Theil dem andern untergeordnet wer¬
den, nicht erfüllt worden, indem in der Repräsentation dieses Gesammtstaats
die Vertreter des Königreichs Dänemark sich im Uebergewicht befänden und
die Competenz dieser, Versammlung (des Neichsraths) in die speciellen Rechte
und Interessen Holsteins und Lcmenburgs schädlich eingreift. Man heanstan-


auch auf dem Meere mächtigen geben würden. Wenn es sich den Depeschen
Preußens anschloß, so geschah dies einestheils, um dieses nicht vor der öffent¬
lichen Meinung als alleinigen Hüter der deutschen Rechte im Norden erscheinen
zu lassen, anderntheils, um von vornherein hemmend wirken zu können, viel¬
leicht auch, weil der Streit indirect gegen ein russisches Interesse gerichtet war,
oder weil ihm die constitutionellen Einrichtungen Dänemarks zuwider sind —
sicherlich nicht, um den Gesammtstaat zu erschüttern, der sein Abbild und die
bequemste Handhabe ist, Preußen Unbequemlichkeiten zu verursachen. Es hat
Oestreich in der Bundesversammlung zugestimmt, als der Antrag gestellt wurde,
in Holstein und Lauenburg gegen die dänische Willkür zu protestiren. Wir
dürfen aber überzeugt sein, daß es die Stimme und der Einfluß Oestreichs
war, woran der Antrag Hannovers auf ein Jnhibitorium scheiterte, daß jede
energische Maßregel in der Angelegenheit denselben Widerspruch erfahren, jede
Erwähnung Schleswigs durch den Bundestag von derselben Seite her gehindert
werden wird.

Unter diesen Umständen bleibt den Bundcsgliedern, welchen es aufrichtig
um die Wahrung der Rechte Deutschlands in Holstein und Lauenburg zu thun
ist. nur eine beschränkte Wirkungssphäre. Die Forderungen, welche von Frank¬
furt an Dänemark gestellt werden, gehen nicht über die Eider hinaus und
können nur eine Modifikation des Gesammtstaats, nicht die Gefährdung des¬
selben zur Folge haben. Man beanstandete den ohne vorherige Vernehmung
der Stände Holsteins und Lcmenburgs erfolgten Erlaß des Verfassungs-
gesctzes für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der dänischen Monar¬
chie als Verletzung von Artikel 56 der wiener Schlußacte, so wie als
Nichterfüllung der im Jahre 1852 übernommenen Verpflichtungen. Man
erstreckte diese Beanstandung auf die besondere Verfassung Holsteins,
indem man verlangte, daß die Ktz. 3 und 4 derselben, welche die Gegenstände
bestimmen, die als allgemeine Angelegenheiten der Monarchie und die als
besondere holsteinische betrachtet werden sollen, den Provinzialstnnden, deren
Berathung sie bisher entzogen gewesen, zur Begutachtung vorgelegt würden.
Man behauptete, die Gesammtverfassung verstoße auch in materieller Hinsicht
und vorzüglich in Betreff der Domänen gegen die gegebenen Zusagen, indem
die Domänen früher Sache der einzelnen Landestheile gewesen, durch das
Patent vom 23. Juli 1856 aber den gemeinschaftlichen Angelegenheiten der
Monarchie zugezählt worden seien. Man beklagte sich serner, daß die Zu-
sicherung, in dem Gesammtstaat solle kein Theil dem andern untergeordnet wer¬
den, nicht erfüllt worden, indem in der Repräsentation dieses Gesammtstaats
die Vertreter des Königreichs Dänemark sich im Uebergewicht befänden und
die Competenz dieser, Versammlung (des Neichsraths) in die speciellen Rechte
und Interessen Holsteins und Lcmenburgs schädlich eingreift. Man heanstan-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/502>, abgerufen am 05.06.2024.