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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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so möchten die Antworten wahrscheinlich einsilbig genug ausfallen. Dazu
kommt, daß die jetzt blühende Künstlergenerntion in einem ganz lockern
Zusammenhange zu den Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern eines
Carstens steht, sowol in der Phantasierichtung wie in der technischen Auf¬
fassung andere Bahnen einschlagt, daß ihr also das Interesse, sich mit den
Werken dieser Männer in eingehender Weise zu beschäftigen, mangelt. Die
ältere deutsche Kunst aus den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts muß
für uns gradezu neu entdeckt werden. Wir kennen sie nicht etwa blos
schlecht, sondern, einige wenige Werke, die sich in öffentliche Sammlungen
(Stuttgart, Leipzig) verloren haben, ausgenommen, so gut wie gar nicht.
Voraussichtlich werden die ihrer Vertretung gewidmeten Räume in München
eine große Anziehungskraft üben. Keine andere Abtheilung verlangt aber
auch eine reifere Ueberlegung bei der Auswahl, bei keiner erscheint es noth¬
wendiger, daß der Anordner einen umfassenden wissenschaftlichen Ueberblick
über den ganzen betreffenden Zeitraum sich erworben habe. Auch in dem
Falle, daß im Schoße der einzelnen Localcomit6s derselbe angetroffen würde,
macht doch schon der Umstand, daß dieselben nicht nach einem einheitlichen
Plane vorgehen, sondern was sich zufällig in ihrer Nähe vorfindet und wo¬
von sie in diesem Augenblicke grade Kunde erhalten, zusammenraffen müs¬
sen, für die richtige, nämlich für die'charakteristische und vollständige Aus¬
wahl besorgt.

Wir haben unsere Bedenken nur im Interesse der guten Sache vorge¬
bracht und werden jede Berichtigung von sachkundiger Seite willkommen hei¬
ßen. Der Plan einer allgemeinen deutschen Ausstellung erfreut sich der Zu-,
flimmung und regen Theilnahme aller Gebildeten; auch darüber kann kein
Zweifel herrschen, daß dieselbe, nach richtigen Grundsätzen durchgeführt, ein
großartiges Schauspiel gewähren und uns mit Stolz über den Reichthum
und die Tüchtigkeit deutscher Kunst erfüllen wird. Wir fürchten nur. daß in
den vorbereitenden Maßregeln mancherlei Mißgriffe eingeschlossen sind. Es
fehlt, um es mit einem Worte herauszusagen, eine centralisirte, einheitliche
Leitung. Das Münchner GeschäftsconM verläßt sich auf die Thätigkeit der
LocalcomitW, diese wieder sind auf den guten Willen der einzelnen Künstler
angewiesen, die meinem wesentlichen Falle nicht das Interesse, in einem
andern nicht die Kraft haben, zu helfen. Die Verantwortlichkeit, auf so
viele Schultern vertheilt, wird freilich verringert, aber mit ihr auch die Chancen
des glänzenden Erfolges. Wir beklagen ferner, daß die Bilderbesitzer nicht
in unmittelbarer und energischer Weise zur Theilnahme aufgerufen sind, wir
vermissen die rechte Sorgfalt hinsichtlich der Vertretung der todten Meister
und bedauern, daß über das Versicherungswesen im Programm keine deut¬
liche Auskunft gegeben ist.


so möchten die Antworten wahrscheinlich einsilbig genug ausfallen. Dazu
kommt, daß die jetzt blühende Künstlergenerntion in einem ganz lockern
Zusammenhange zu den Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern eines
Carstens steht, sowol in der Phantasierichtung wie in der technischen Auf¬
fassung andere Bahnen einschlagt, daß ihr also das Interesse, sich mit den
Werken dieser Männer in eingehender Weise zu beschäftigen, mangelt. Die
ältere deutsche Kunst aus den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts muß
für uns gradezu neu entdeckt werden. Wir kennen sie nicht etwa blos
schlecht, sondern, einige wenige Werke, die sich in öffentliche Sammlungen
(Stuttgart, Leipzig) verloren haben, ausgenommen, so gut wie gar nicht.
Voraussichtlich werden die ihrer Vertretung gewidmeten Räume in München
eine große Anziehungskraft üben. Keine andere Abtheilung verlangt aber
auch eine reifere Ueberlegung bei der Auswahl, bei keiner erscheint es noth¬
wendiger, daß der Anordner einen umfassenden wissenschaftlichen Ueberblick
über den ganzen betreffenden Zeitraum sich erworben habe. Auch in dem
Falle, daß im Schoße der einzelnen Localcomit6s derselbe angetroffen würde,
macht doch schon der Umstand, daß dieselben nicht nach einem einheitlichen
Plane vorgehen, sondern was sich zufällig in ihrer Nähe vorfindet und wo¬
von sie in diesem Augenblicke grade Kunde erhalten, zusammenraffen müs¬
sen, für die richtige, nämlich für die'charakteristische und vollständige Aus¬
wahl besorgt.

Wir haben unsere Bedenken nur im Interesse der guten Sache vorge¬
bracht und werden jede Berichtigung von sachkundiger Seite willkommen hei¬
ßen. Der Plan einer allgemeinen deutschen Ausstellung erfreut sich der Zu-,
flimmung und regen Theilnahme aller Gebildeten; auch darüber kann kein
Zweifel herrschen, daß dieselbe, nach richtigen Grundsätzen durchgeführt, ein
großartiges Schauspiel gewähren und uns mit Stolz über den Reichthum
und die Tüchtigkeit deutscher Kunst erfüllen wird. Wir fürchten nur. daß in
den vorbereitenden Maßregeln mancherlei Mißgriffe eingeschlossen sind. Es
fehlt, um es mit einem Worte herauszusagen, eine centralisirte, einheitliche
Leitung. Das Münchner GeschäftsconM verläßt sich auf die Thätigkeit der
LocalcomitW, diese wieder sind auf den guten Willen der einzelnen Künstler
angewiesen, die meinem wesentlichen Falle nicht das Interesse, in einem
andern nicht die Kraft haben, zu helfen. Die Verantwortlichkeit, auf so
viele Schultern vertheilt, wird freilich verringert, aber mit ihr auch die Chancen
des glänzenden Erfolges. Wir beklagen ferner, daß die Bilderbesitzer nicht
in unmittelbarer und energischer Weise zur Theilnahme aufgerufen sind, wir
vermissen die rechte Sorgfalt hinsichtlich der Vertretung der todten Meister
und bedauern, daß über das Versicherungswesen im Programm keine deut¬
liche Auskunft gegeben ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/511>, abgerufen am 11.06.2024.