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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Alexander Severus schloß Frauen von Übeln Ruf von dem Empfang seiner
Frau und Mutter aus.

Wie der Kaiser hielten auch die Großen Roms ihren täglichen Morgen-
empfang, dessen Einrichtung genau dieselbe war wie am Hofe. In jeder
Frühe strömte ihren Palästen eine bunte Menge zu: arme Clienten des Hau¬
ses mit schmuziger Toga und geflickten Schuhen drängten sich schon in der
Dämmerung auf den Vorplatz, zuweilen in solcher Masse, daß sie die
Gasse stopften und den Durchzug der Vorübergehenden hemmten. Sänften¬
träger in rothen Livreen brachten einen reichen MaM im Trabe getragen, der
hinter den zugezogenen Vorhängen seinen Morgenschlnmmer fortsetzte, und von
einem Gefolge eigner Clienten umgeben war. Victoren machten rin ihren
Ruthenbündeln einem Consul oder Prätor in purpnrverbrnmter Toga Platz.
Die Masse der Morgenbesucher füllte das Atrium, einen hohen, geräumigen, säu-
lengetragencn Prachtsaal, mit einer Lichtöffnung in der Decke; die vertrautesten
Freunde des Herrn wurden einzeln ins Schlafgemach des Hausherrn vorge¬
lassen, die weniger vertrauten mehre aus einmal. Der Menge zeigte sich dieser,
wenn er dies überhaupt für gut fand, nur, um ihre ehrfurchtsvollen Begrüßungen
in vorher von seinen Dienern bestimmter Reihenfolge entgegenzunehmen.

, Die große Mehrzahl der täglichen Morgenbesucher waren die Clienten. Von
dem Verhältniß der Clientel, wie es in der Republik war, hatte sich in der
Kcnscrzeit nur eine Caricatur erhalten, es war aus einem Pietäts- ein Mieths-
verhältniß geworden. Eine ganze Classe von dürftigen Menschen machte es
zu ihrem Erwerb, gegen eine festgesetzte Entschädigung in das Gefolge
und den Hofstaat der Reichen und Vornehmen einzutreten. Selbst sehr mittel¬
mäßig begüterte Geschäftsmänner mußten um ihres Credits willen wenigstens
einige Clienten halten. Da nun ein volles Atrium zu den unumgänglichen
Erfordernissen eines großen Hauses gehörte, mußten dessen sämmtliche Clienten
sich an jedem Morgen zum Empfange einstellen, falls sie nicht ihren Tagelohn
verlieren wollten, und zwar nie anders als in der Toga, dem Staatskleide,
die für sie allmülig eine Art auszeichnender Uniform wurde, da sie übrigens
in Rom mehr und mehr außer Gebrauch kam. Auch Männer von Talent und
literarischem Ruf, wie Salejus Bassus und Martial, sahen sich durch Armuth
gezwungen, Clientcndienste zu thun. Glücklich, wenn sie wie der letztere einen
Patron fanden, der seine Umgebung aus gebildeten Leuten wählte und sie
anständig behandelte, welches beides zu den allerseltensten Ausnahmen gehörte.
Martial hat die Leiden der "nächtlichen Wanderungen", die er aus eigner langer
Erfahrung kannte, besonders beweglich geschildert: er verlange ja nicht viel, sagt
er, nichts als ausschlafen zu können; die Unmöglichkeit diesen bescheidenen Wunsch
zu befriedigen, vertrieb ihn endlich aus Rom. "Wenn der Schein der Gestirne
zweifelhaft zu werden anfängt, oder sich noch die kalten Wagen des trägen


Alexander Severus schloß Frauen von Übeln Ruf von dem Empfang seiner
Frau und Mutter aus.

Wie der Kaiser hielten auch die Großen Roms ihren täglichen Morgen-
empfang, dessen Einrichtung genau dieselbe war wie am Hofe. In jeder
Frühe strömte ihren Palästen eine bunte Menge zu: arme Clienten des Hau¬
ses mit schmuziger Toga und geflickten Schuhen drängten sich schon in der
Dämmerung auf den Vorplatz, zuweilen in solcher Masse, daß sie die
Gasse stopften und den Durchzug der Vorübergehenden hemmten. Sänften¬
träger in rothen Livreen brachten einen reichen MaM im Trabe getragen, der
hinter den zugezogenen Vorhängen seinen Morgenschlnmmer fortsetzte, und von
einem Gefolge eigner Clienten umgeben war. Victoren machten rin ihren
Ruthenbündeln einem Consul oder Prätor in purpnrverbrnmter Toga Platz.
Die Masse der Morgenbesucher füllte das Atrium, einen hohen, geräumigen, säu-
lengetragencn Prachtsaal, mit einer Lichtöffnung in der Decke; die vertrautesten
Freunde des Herrn wurden einzeln ins Schlafgemach des Hausherrn vorge¬
lassen, die weniger vertrauten mehre aus einmal. Der Menge zeigte sich dieser,
wenn er dies überhaupt für gut fand, nur, um ihre ehrfurchtsvollen Begrüßungen
in vorher von seinen Dienern bestimmter Reihenfolge entgegenzunehmen.

, Die große Mehrzahl der täglichen Morgenbesucher waren die Clienten. Von
dem Verhältniß der Clientel, wie es in der Republik war, hatte sich in der
Kcnscrzeit nur eine Caricatur erhalten, es war aus einem Pietäts- ein Mieths-
verhältniß geworden. Eine ganze Classe von dürftigen Menschen machte es
zu ihrem Erwerb, gegen eine festgesetzte Entschädigung in das Gefolge
und den Hofstaat der Reichen und Vornehmen einzutreten. Selbst sehr mittel¬
mäßig begüterte Geschäftsmänner mußten um ihres Credits willen wenigstens
einige Clienten halten. Da nun ein volles Atrium zu den unumgänglichen
Erfordernissen eines großen Hauses gehörte, mußten dessen sämmtliche Clienten
sich an jedem Morgen zum Empfange einstellen, falls sie nicht ihren Tagelohn
verlieren wollten, und zwar nie anders als in der Toga, dem Staatskleide,
die für sie allmülig eine Art auszeichnender Uniform wurde, da sie übrigens
in Rom mehr und mehr außer Gebrauch kam. Auch Männer von Talent und
literarischem Ruf, wie Salejus Bassus und Martial, sahen sich durch Armuth
gezwungen, Clientcndienste zu thun. Glücklich, wenn sie wie der letztere einen
Patron fanden, der seine Umgebung aus gebildeten Leuten wählte und sie
anständig behandelte, welches beides zu den allerseltensten Ausnahmen gehörte.
Martial hat die Leiden der „nächtlichen Wanderungen", die er aus eigner langer
Erfahrung kannte, besonders beweglich geschildert: er verlange ja nicht viel, sagt
er, nichts als ausschlafen zu können; die Unmöglichkeit diesen bescheidenen Wunsch
zu befriedigen, vertrieb ihn endlich aus Rom. „Wenn der Schein der Gestirne
zweifelhaft zu werden anfängt, oder sich noch die kalten Wagen des trägen


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[0056] Alexander Severus schloß Frauen von Übeln Ruf von dem Empfang seiner Frau und Mutter aus. Wie der Kaiser hielten auch die Großen Roms ihren täglichen Morgen- empfang, dessen Einrichtung genau dieselbe war wie am Hofe. In jeder Frühe strömte ihren Palästen eine bunte Menge zu: arme Clienten des Hau¬ ses mit schmuziger Toga und geflickten Schuhen drängten sich schon in der Dämmerung auf den Vorplatz, zuweilen in solcher Masse, daß sie die Gasse stopften und den Durchzug der Vorübergehenden hemmten. Sänften¬ träger in rothen Livreen brachten einen reichen MaM im Trabe getragen, der hinter den zugezogenen Vorhängen seinen Morgenschlnmmer fortsetzte, und von einem Gefolge eigner Clienten umgeben war. Victoren machten rin ihren Ruthenbündeln einem Consul oder Prätor in purpnrverbrnmter Toga Platz. Die Masse der Morgenbesucher füllte das Atrium, einen hohen, geräumigen, säu- lengetragencn Prachtsaal, mit einer Lichtöffnung in der Decke; die vertrautesten Freunde des Herrn wurden einzeln ins Schlafgemach des Hausherrn vorge¬ lassen, die weniger vertrauten mehre aus einmal. Der Menge zeigte sich dieser, wenn er dies überhaupt für gut fand, nur, um ihre ehrfurchtsvollen Begrüßungen in vorher von seinen Dienern bestimmter Reihenfolge entgegenzunehmen. , Die große Mehrzahl der täglichen Morgenbesucher waren die Clienten. Von dem Verhältniß der Clientel, wie es in der Republik war, hatte sich in der Kcnscrzeit nur eine Caricatur erhalten, es war aus einem Pietäts- ein Mieths- verhältniß geworden. Eine ganze Classe von dürftigen Menschen machte es zu ihrem Erwerb, gegen eine festgesetzte Entschädigung in das Gefolge und den Hofstaat der Reichen und Vornehmen einzutreten. Selbst sehr mittel¬ mäßig begüterte Geschäftsmänner mußten um ihres Credits willen wenigstens einige Clienten halten. Da nun ein volles Atrium zu den unumgänglichen Erfordernissen eines großen Hauses gehörte, mußten dessen sämmtliche Clienten sich an jedem Morgen zum Empfange einstellen, falls sie nicht ihren Tagelohn verlieren wollten, und zwar nie anders als in der Toga, dem Staatskleide, die für sie allmülig eine Art auszeichnender Uniform wurde, da sie übrigens in Rom mehr und mehr außer Gebrauch kam. Auch Männer von Talent und literarischem Ruf, wie Salejus Bassus und Martial, sahen sich durch Armuth gezwungen, Clientcndienste zu thun. Glücklich, wenn sie wie der letztere einen Patron fanden, der seine Umgebung aus gebildeten Leuten wählte und sie anständig behandelte, welches beides zu den allerseltensten Ausnahmen gehörte. Martial hat die Leiden der „nächtlichen Wanderungen", die er aus eigner langer Erfahrung kannte, besonders beweglich geschildert: er verlange ja nicht viel, sagt er, nichts als ausschlafen zu können; die Unmöglichkeit diesen bescheidenen Wunsch zu befriedigen, vertrieb ihn endlich aus Rom. „Wenn der Schein der Gestirne zweifelhaft zu werden anfängt, oder sich noch die kalten Wagen des trägen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/56>, abgerufen am 29.05.2024.