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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Die Siege Eugens gegen die Türken und Franzosen, die Thaten Laudons
und andrer östreichischer Feldherrn im siebenjährigen Kriege reichen zwar nicht
an die Wundervaren Erfolge Friedrichs, aber sie werden in den Jahrbüchern
der Geschichte mit Ruhm genannt werden. Woher kam es denn, daß sie das
Bewußtsein der Nation nicht erfüllten, wie die Siege bei Roßbach, bei Zorn¬
dorf, ja der Sieg bei Leuthen?

Weil Friedrich so glücklich war, in der Belebung des deutschen Geistes
den entscheidenden elektrischen Funken zu treffen. Joseph II. war gewiß kein
gewöhnlicher Mensch; was er für seinen Staat erstrebte, war verständig'
zusammenhängend, den Bedürfnissen der allgemeinen europäischen Bildung
entsprechend; er wollte wie Richelieu, wie Ludwig XIV., wie Friedrich II..
den Staat zu einer absoluten Macht erheben, alle brauchbaren Kräfte des
Volks in seinen Dienst ziehen, den übrigen, die ihn nicht störten, freien
Spielraum gewähren. Dasselbe wollte Friedrich, aber während ihm der Jubel
und die Begeisterung seines gesammten Bolkes, der Beifall Deutschlands und
Europas entgegenkam, begegnete Joseph nur Kälte, Abneigung, heftigem
Widerstand, endlich allgemeinem Haß. Es reicht nicht aus, einen großen
Willen zu haben, um einen neuen Staat zu schaffen, ein neues Princip in
die Geschichte einzuführen. Auch daß Friedrich persönlich bedeutender war,
als sein Nebenbuhler, entscheidet die Sache noch nicht, der Hauptpunkt ist,
in Friedrich verkörperte sich der preußische Geist zu seiner genialsten Erschei¬
nung. Joseph hatte nichts vom östreichischen Geist. Der östreichische Geist
fand seinen Ausdruck in Metternich. Metternich hat sein Princip übertrieben
und deshalb in mancher Beziehung schädlich gewirkt, aber auch er war kein
kleiner Mensch, und er verstand die Natur seines Staats besser, als die Män¬
ner von 1848.

Einen Wechsel in der Politik findet man bei beiden Staaten, auch in
Oestreich zeigen sich fortwährend liberale, reformatorische Velleitäten, aber
sobald sich das Gleichmaß herstellt, tritt in beiden der ursprüngliche charak-
teuflische Geist hervor. Preußen, das Kind der Reformation, des Staats¬
absolutismus, der Ausklärung, reformirt. sobald es zur Besinnung kommt,
während Oestreich, an den Katholicismus geheftet und aus einer Conglo-
meration der verschiedenartigsten einander widerstrebenden Elemente hervor¬
gegangen, in dem gleichen Fall die conservative Fahne aufsteckt. Oestreich
ist in diesem Augenblick in der glänzendsten Phase des Reformirens, und doch
schließt es das Concordat und doch beschränkt es die Presse, jetzt, wo alle
Schrecken der Revolution längst überwunden sind. Die Geschichte ist doch
eine stärkere Macht, als man glaubt. Friedrich hat seinen Staat geschaffen,
aber nicht aus dem Nichts, und seine Schöpfung ist nicht in Nichts zerflogen.
In den Zeiten der höchsten Noth hat man nicht blos die bürgerliche Frei-


Die Siege Eugens gegen die Türken und Franzosen, die Thaten Laudons
und andrer östreichischer Feldherrn im siebenjährigen Kriege reichen zwar nicht
an die Wundervaren Erfolge Friedrichs, aber sie werden in den Jahrbüchern
der Geschichte mit Ruhm genannt werden. Woher kam es denn, daß sie das
Bewußtsein der Nation nicht erfüllten, wie die Siege bei Roßbach, bei Zorn¬
dorf, ja der Sieg bei Leuthen?

Weil Friedrich so glücklich war, in der Belebung des deutschen Geistes
den entscheidenden elektrischen Funken zu treffen. Joseph II. war gewiß kein
gewöhnlicher Mensch; was er für seinen Staat erstrebte, war verständig'
zusammenhängend, den Bedürfnissen der allgemeinen europäischen Bildung
entsprechend; er wollte wie Richelieu, wie Ludwig XIV., wie Friedrich II..
den Staat zu einer absoluten Macht erheben, alle brauchbaren Kräfte des
Volks in seinen Dienst ziehen, den übrigen, die ihn nicht störten, freien
Spielraum gewähren. Dasselbe wollte Friedrich, aber während ihm der Jubel
und die Begeisterung seines gesammten Bolkes, der Beifall Deutschlands und
Europas entgegenkam, begegnete Joseph nur Kälte, Abneigung, heftigem
Widerstand, endlich allgemeinem Haß. Es reicht nicht aus, einen großen
Willen zu haben, um einen neuen Staat zu schaffen, ein neues Princip in
die Geschichte einzuführen. Auch daß Friedrich persönlich bedeutender war,
als sein Nebenbuhler, entscheidet die Sache noch nicht, der Hauptpunkt ist,
in Friedrich verkörperte sich der preußische Geist zu seiner genialsten Erschei¬
nung. Joseph hatte nichts vom östreichischen Geist. Der östreichische Geist
fand seinen Ausdruck in Metternich. Metternich hat sein Princip übertrieben
und deshalb in mancher Beziehung schädlich gewirkt, aber auch er war kein
kleiner Mensch, und er verstand die Natur seines Staats besser, als die Män¬
ner von 1848.

Einen Wechsel in der Politik findet man bei beiden Staaten, auch in
Oestreich zeigen sich fortwährend liberale, reformatorische Velleitäten, aber
sobald sich das Gleichmaß herstellt, tritt in beiden der ursprüngliche charak-
teuflische Geist hervor. Preußen, das Kind der Reformation, des Staats¬
absolutismus, der Ausklärung, reformirt. sobald es zur Besinnung kommt,
während Oestreich, an den Katholicismus geheftet und aus einer Conglo-
meration der verschiedenartigsten einander widerstrebenden Elemente hervor¬
gegangen, in dem gleichen Fall die conservative Fahne aufsteckt. Oestreich
ist in diesem Augenblick in der glänzendsten Phase des Reformirens, und doch
schließt es das Concordat und doch beschränkt es die Presse, jetzt, wo alle
Schrecken der Revolution längst überwunden sind. Die Geschichte ist doch
eine stärkere Macht, als man glaubt. Friedrich hat seinen Staat geschaffen,
aber nicht aus dem Nichts, und seine Schöpfung ist nicht in Nichts zerflogen.
In den Zeiten der höchsten Noth hat man nicht blos die bürgerliche Frei-


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[0082] Die Siege Eugens gegen die Türken und Franzosen, die Thaten Laudons und andrer östreichischer Feldherrn im siebenjährigen Kriege reichen zwar nicht an die Wundervaren Erfolge Friedrichs, aber sie werden in den Jahrbüchern der Geschichte mit Ruhm genannt werden. Woher kam es denn, daß sie das Bewußtsein der Nation nicht erfüllten, wie die Siege bei Roßbach, bei Zorn¬ dorf, ja der Sieg bei Leuthen? Weil Friedrich so glücklich war, in der Belebung des deutschen Geistes den entscheidenden elektrischen Funken zu treffen. Joseph II. war gewiß kein gewöhnlicher Mensch; was er für seinen Staat erstrebte, war verständig' zusammenhängend, den Bedürfnissen der allgemeinen europäischen Bildung entsprechend; er wollte wie Richelieu, wie Ludwig XIV., wie Friedrich II.. den Staat zu einer absoluten Macht erheben, alle brauchbaren Kräfte des Volks in seinen Dienst ziehen, den übrigen, die ihn nicht störten, freien Spielraum gewähren. Dasselbe wollte Friedrich, aber während ihm der Jubel und die Begeisterung seines gesammten Bolkes, der Beifall Deutschlands und Europas entgegenkam, begegnete Joseph nur Kälte, Abneigung, heftigem Widerstand, endlich allgemeinem Haß. Es reicht nicht aus, einen großen Willen zu haben, um einen neuen Staat zu schaffen, ein neues Princip in die Geschichte einzuführen. Auch daß Friedrich persönlich bedeutender war, als sein Nebenbuhler, entscheidet die Sache noch nicht, der Hauptpunkt ist, in Friedrich verkörperte sich der preußische Geist zu seiner genialsten Erschei¬ nung. Joseph hatte nichts vom östreichischen Geist. Der östreichische Geist fand seinen Ausdruck in Metternich. Metternich hat sein Princip übertrieben und deshalb in mancher Beziehung schädlich gewirkt, aber auch er war kein kleiner Mensch, und er verstand die Natur seines Staats besser, als die Män¬ ner von 1848. Einen Wechsel in der Politik findet man bei beiden Staaten, auch in Oestreich zeigen sich fortwährend liberale, reformatorische Velleitäten, aber sobald sich das Gleichmaß herstellt, tritt in beiden der ursprüngliche charak- teuflische Geist hervor. Preußen, das Kind der Reformation, des Staats¬ absolutismus, der Ausklärung, reformirt. sobald es zur Besinnung kommt, während Oestreich, an den Katholicismus geheftet und aus einer Conglo- meration der verschiedenartigsten einander widerstrebenden Elemente hervor¬ gegangen, in dem gleichen Fall die conservative Fahne aufsteckt. Oestreich ist in diesem Augenblick in der glänzendsten Phase des Reformirens, und doch schließt es das Concordat und doch beschränkt es die Presse, jetzt, wo alle Schrecken der Revolution längst überwunden sind. Die Geschichte ist doch eine stärkere Macht, als man glaubt. Friedrich hat seinen Staat geschaffen, aber nicht aus dem Nichts, und seine Schöpfung ist nicht in Nichts zerflogen. In den Zeiten der höchsten Noth hat man nicht blos die bürgerliche Frei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/82>, abgerufen am 16.05.2024.