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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Monogramm Hieronymus Hopfevs, I- II- bezeichneten gleichzeitigen Kupferstich,
der, wenn auch schlecht, doch ähnlich in Weislingers Huttenus delarvatus wie¬
derholt ist, und zur Veranschaulichung oder Ergänzung der erotischen Beschrei¬
bung, S. 105 Not. 1, dienen kann, wie wir denn, um es in dieser Paren¬
these zu sagen, die Anführung der zugänglicheren und irgend zuverlässigen
Porträts in biographischen Darstellungen ganz geeignet erachten). Das Verbren¬
nen der hebräischen Bücher, welchem Reuchlin. auch zu amtlicher Mitwirkung
berufen, nur mit sehr verständigen Unterscheidungen, da sich die Maßregel nach
Lage der Sachen nicht mehr ganz vermeiden ließ, das Wort redete, war die
Stelle, an welcher das Geschwür der schon in die zweite Gährung weit vor¬
angeschrittenen Scholastik der Käsemönche zum Ausbruch kam. Von Anschul¬
digungen in Druckschriften kam es, nach unnützen und mehr Friedfertigkeit als
Muth bekundenden Versuchen Reuchlins sich Ruhe zu verschaffen, zu Processen
vor der geistlichen Gewalt, in denen zwar die kölnische Partei den Vortheil
der bequemeren Moral für sich hatte, Reuchlin aber für seine Sache die Zu¬
stimmung der älteren Männer von Bildung, mochten sie auch' zum Theil die
Form der reuchlinischen Gegenschriften mit Recht missbilligen, und die auflo¬
dernde Verehrung und den neckischen Muth der in der humanistischen Richtung
auflebenden Jugend. Das Verfahren des Ketzermeisters Hochstraten im Oct-
1513, die komische Scene der dadurch, daß der Erzbischof die von Reuchlin
an den Papst eingelegte Appellation zuließ, gehinderten Verbrennungsmono¬
manie des Dominicaners, die dennoch (10. Febr. 1514) erfolgte Verbrennung
des Augenspiegels zu Köln, die Absolution Reuchlins vor dem commissarischen
Gerichte zu Speier und Verfällung der verketzernden Partei in in Goldgulden
Kostenersatz (24, Apr. 1514), Hochstratens Berufung an den Papst und Reuch¬
lins Adhäsion gaben dem Streit ein immer weiter um sich greifendes Inter¬
esse; die Kölner zogen in das ihrige die theologischen Facultüten, die sich
fortan glücklich recrutierenden Reuchlinisten in das ihrige weltliche und geist¬
liche Potentaten und Städte, den Kaiser selbst. Leo X. und die von ihm er¬
nannte Commission waren der Sache des in Person und zum Spicken gespick¬
ter Hochstraten wenig geneigt; die Partei des letztern drohte mit Berufung an
ein Concilium, ja selbst mit Abfall vom Papste; die Partei Reuchlins verstärkt
sich durch das^ humanistische Mittel der Herausgabe einer Sammlung von
Briefen elarorum viroium ack Joa. lieuellin (zuerst Tübing. März 1514). Am
2. Juli 151K erging d'le Sentenz zu Gunsten Reuchlins, aber alsbald auch
ein die Sache niederschlagendes Decret des Papstes, MMÄaturn cke suxor-
^eleuato; Hochstraten zog leichter als er gekommen war an Geld, aber voller
an Gehäßigkeit und Gehaßtheit wieder heim; jedoch auch die Rührigkeit der
Reuchlinisten hatte das eigentliche Ziel nicht erreicht; das gegen die Theolo¬
gaster gezogene Schwert kam noch nicht wieder in die Schei-de. Schon im Som-


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Monogramm Hieronymus Hopfevs, I- II- bezeichneten gleichzeitigen Kupferstich,
der, wenn auch schlecht, doch ähnlich in Weislingers Huttenus delarvatus wie¬
derholt ist, und zur Veranschaulichung oder Ergänzung der erotischen Beschrei¬
bung, S. 105 Not. 1, dienen kann, wie wir denn, um es in dieser Paren¬
these zu sagen, die Anführung der zugänglicheren und irgend zuverlässigen
Porträts in biographischen Darstellungen ganz geeignet erachten). Das Verbren¬
nen der hebräischen Bücher, welchem Reuchlin. auch zu amtlicher Mitwirkung
berufen, nur mit sehr verständigen Unterscheidungen, da sich die Maßregel nach
Lage der Sachen nicht mehr ganz vermeiden ließ, das Wort redete, war die
Stelle, an welcher das Geschwür der schon in die zweite Gährung weit vor¬
angeschrittenen Scholastik der Käsemönche zum Ausbruch kam. Von Anschul¬
digungen in Druckschriften kam es, nach unnützen und mehr Friedfertigkeit als
Muth bekundenden Versuchen Reuchlins sich Ruhe zu verschaffen, zu Processen
vor der geistlichen Gewalt, in denen zwar die kölnische Partei den Vortheil
der bequemeren Moral für sich hatte, Reuchlin aber für seine Sache die Zu¬
stimmung der älteren Männer von Bildung, mochten sie auch' zum Theil die
Form der reuchlinischen Gegenschriften mit Recht missbilligen, und die auflo¬
dernde Verehrung und den neckischen Muth der in der humanistischen Richtung
auflebenden Jugend. Das Verfahren des Ketzermeisters Hochstraten im Oct-
1513, die komische Scene der dadurch, daß der Erzbischof die von Reuchlin
an den Papst eingelegte Appellation zuließ, gehinderten Verbrennungsmono¬
manie des Dominicaners, die dennoch (10. Febr. 1514) erfolgte Verbrennung
des Augenspiegels zu Köln, die Absolution Reuchlins vor dem commissarischen
Gerichte zu Speier und Verfällung der verketzernden Partei in in Goldgulden
Kostenersatz (24, Apr. 1514), Hochstratens Berufung an den Papst und Reuch¬
lins Adhäsion gaben dem Streit ein immer weiter um sich greifendes Inter¬
esse; die Kölner zogen in das ihrige die theologischen Facultüten, die sich
fortan glücklich recrutierenden Reuchlinisten in das ihrige weltliche und geist¬
liche Potentaten und Städte, den Kaiser selbst. Leo X. und die von ihm er¬
nannte Commission waren der Sache des in Person und zum Spicken gespick¬
ter Hochstraten wenig geneigt; die Partei des letztern drohte mit Berufung an
ein Concilium, ja selbst mit Abfall vom Papste; die Partei Reuchlins verstärkt
sich durch das^ humanistische Mittel der Herausgabe einer Sammlung von
Briefen elarorum viroium ack Joa. lieuellin (zuerst Tübing. März 1514). Am
2. Juli 151K erging d'le Sentenz zu Gunsten Reuchlins, aber alsbald auch
ein die Sache niederschlagendes Decret des Papstes, MMÄaturn cke suxor-
^eleuato; Hochstraten zog leichter als er gekommen war an Geld, aber voller
an Gehäßigkeit und Gehaßtheit wieder heim; jedoch auch die Rührigkeit der
Reuchlinisten hatte das eigentliche Ziel nicht erreicht; das gegen die Theolo¬
gaster gezogene Schwert kam noch nicht wieder in die Schei-de. Schon im Som-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/99>, abgerufen am 29.05.2024.