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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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In dem Briefe -- wie ihn Löser mittheilt -- heißt es nämlich: "Ich
erhielt zu Rom bei meiner Zurückkunst von Neapel Ihren Brief vom 27. Dec.
letzten Jahres. Ich ersah daraus mit unaussprechlichem Vergnügen, welchen
Muth meine Truppen bei Trcnton entfalteten, und Sie können Sich meine
Freude denken als ich las, daß von 1950 Hessen, welche in dem Gefechte
waren, nur 300 entflohen. Da wären denn grade 1650 erschlagen, und
ich kann nicht genug Ihrer Klugheit anempfehlen, eine genaue Liste an meine
Bevollmächtigten in London zu'senden. Diese Vorsicht würde um so mehr
nöthig sein, als die dem englischen Minister zugesandte Liste aufweist, daß
nur 1450 gefallen seien. Aus diesem Wege sollte ich 160.050 Gulden ver¬
lieren. Nach der Rechnung des Lords von der Schatzkammer würde ich blos
483,450 Gulden bekommen statt 643,500 Gulden. Sie sehen wohl ein, daß
ich in meiner Forderung durch einen Rechnungsfehler gekränkt werden soll,
und Sie werden daher sich die äußerste Mühe geben zu beweisen, daß Ihre
Liste genau ist und seine unrichtig. Der britische Hof wendet ein, daß da
100 verwundet seien, für welche sie nicht den Preis von todten Leuten zu
bezahlen brauchten......Erinnern Sie ihn daran, daß von den 300
Lacedämoniern, welche den Paß von Thermopylä vertheidigten, nicht einer
zurückkam. Ich wäre glücklich, 'wenn ich dasselbe von meinen braven Hessen
sagen könnte. Sagen Sie Major Mindors, daß ich außerordentlich unzufrie¬
den hin mit seinem Benehmen, weil er die 300 Mann gerettet habe, welche
von Trenton entflohen. Während des ganzen Feldzugs sind nicht zehn von
seinen Leuten gefallen."

So wenig Neigung ich empfinde, mich zum Vertheidiger jener Suvsidien-
verträge auszuwerfen, glaube ich doch, daß es einmal Zeit ist, gegen den
Spuk aufzutreten, welcher mit diesem angeblichen Briefe bereits getrieben
worden ist, und demselben womöglich für immer ein Ende zu machen.

Wie dieser Humbug so lange Glauben finden konnte, ist in der That
kaum begreiflich; man hat ihn sogar in deutschen Ständekammern citirt.
Mochte nicht jeder zu einer Prüfung der darin vorkommenden Specialitäten
geneigt und befähigt sein, so scheint mir diese auch gar nicht erforderlich zu sein;
nur ein flüchtiger Blick aus seinen Inhalt und die Art und Weise seiner Ab¬
fassung, meine ich. müßte schon genügen, um sofort Zweifel an seiner Wahr¬
heit rege zu machen.

Wie könnte es, wird man zunächst fragen dürfen, irgend einem Fürsten
beifallen, in solcher Weise gegen einen seiner Offiziere sich auszusprechen? Wie
könnte er sich, die Möglichkeit solcher Gedanken und Wünsche bereitwillig zu¬
gegeben, schriftlich so bloßstellen?

Würde schon aus diesen Gründen der Historiker Anstand nehmen müssen,
dem Briefe Glauben beizulegen, so ergeben sich bei einer genauern Betrach-


In dem Briefe — wie ihn Löser mittheilt — heißt es nämlich: „Ich
erhielt zu Rom bei meiner Zurückkunst von Neapel Ihren Brief vom 27. Dec.
letzten Jahres. Ich ersah daraus mit unaussprechlichem Vergnügen, welchen
Muth meine Truppen bei Trcnton entfalteten, und Sie können Sich meine
Freude denken als ich las, daß von 1950 Hessen, welche in dem Gefechte
waren, nur 300 entflohen. Da wären denn grade 1650 erschlagen, und
ich kann nicht genug Ihrer Klugheit anempfehlen, eine genaue Liste an meine
Bevollmächtigten in London zu'senden. Diese Vorsicht würde um so mehr
nöthig sein, als die dem englischen Minister zugesandte Liste aufweist, daß
nur 1450 gefallen seien. Aus diesem Wege sollte ich 160.050 Gulden ver¬
lieren. Nach der Rechnung des Lords von der Schatzkammer würde ich blos
483,450 Gulden bekommen statt 643,500 Gulden. Sie sehen wohl ein, daß
ich in meiner Forderung durch einen Rechnungsfehler gekränkt werden soll,
und Sie werden daher sich die äußerste Mühe geben zu beweisen, daß Ihre
Liste genau ist und seine unrichtig. Der britische Hof wendet ein, daß da
100 verwundet seien, für welche sie nicht den Preis von todten Leuten zu
bezahlen brauchten......Erinnern Sie ihn daran, daß von den 300
Lacedämoniern, welche den Paß von Thermopylä vertheidigten, nicht einer
zurückkam. Ich wäre glücklich, 'wenn ich dasselbe von meinen braven Hessen
sagen könnte. Sagen Sie Major Mindors, daß ich außerordentlich unzufrie¬
den hin mit seinem Benehmen, weil er die 300 Mann gerettet habe, welche
von Trenton entflohen. Während des ganzen Feldzugs sind nicht zehn von
seinen Leuten gefallen."

So wenig Neigung ich empfinde, mich zum Vertheidiger jener Suvsidien-
verträge auszuwerfen, glaube ich doch, daß es einmal Zeit ist, gegen den
Spuk aufzutreten, welcher mit diesem angeblichen Briefe bereits getrieben
worden ist, und demselben womöglich für immer ein Ende zu machen.

Wie dieser Humbug so lange Glauben finden konnte, ist in der That
kaum begreiflich; man hat ihn sogar in deutschen Ständekammern citirt.
Mochte nicht jeder zu einer Prüfung der darin vorkommenden Specialitäten
geneigt und befähigt sein, so scheint mir diese auch gar nicht erforderlich zu sein;
nur ein flüchtiger Blick aus seinen Inhalt und die Art und Weise seiner Ab¬
fassung, meine ich. müßte schon genügen, um sofort Zweifel an seiner Wahr¬
heit rege zu machen.

Wie könnte es, wird man zunächst fragen dürfen, irgend einem Fürsten
beifallen, in solcher Weise gegen einen seiner Offiziere sich auszusprechen? Wie
könnte er sich, die Möglichkeit solcher Gedanken und Wünsche bereitwillig zu¬
gegeben, schriftlich so bloßstellen?

Würde schon aus diesen Gründen der Historiker Anstand nehmen müssen,
dem Briefe Glauben beizulegen, so ergeben sich bei einer genauern Betrach-


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[0101] In dem Briefe — wie ihn Löser mittheilt — heißt es nämlich: „Ich erhielt zu Rom bei meiner Zurückkunst von Neapel Ihren Brief vom 27. Dec. letzten Jahres. Ich ersah daraus mit unaussprechlichem Vergnügen, welchen Muth meine Truppen bei Trcnton entfalteten, und Sie können Sich meine Freude denken als ich las, daß von 1950 Hessen, welche in dem Gefechte waren, nur 300 entflohen. Da wären denn grade 1650 erschlagen, und ich kann nicht genug Ihrer Klugheit anempfehlen, eine genaue Liste an meine Bevollmächtigten in London zu'senden. Diese Vorsicht würde um so mehr nöthig sein, als die dem englischen Minister zugesandte Liste aufweist, daß nur 1450 gefallen seien. Aus diesem Wege sollte ich 160.050 Gulden ver¬ lieren. Nach der Rechnung des Lords von der Schatzkammer würde ich blos 483,450 Gulden bekommen statt 643,500 Gulden. Sie sehen wohl ein, daß ich in meiner Forderung durch einen Rechnungsfehler gekränkt werden soll, und Sie werden daher sich die äußerste Mühe geben zu beweisen, daß Ihre Liste genau ist und seine unrichtig. Der britische Hof wendet ein, daß da 100 verwundet seien, für welche sie nicht den Preis von todten Leuten zu bezahlen brauchten......Erinnern Sie ihn daran, daß von den 300 Lacedämoniern, welche den Paß von Thermopylä vertheidigten, nicht einer zurückkam. Ich wäre glücklich, 'wenn ich dasselbe von meinen braven Hessen sagen könnte. Sagen Sie Major Mindors, daß ich außerordentlich unzufrie¬ den hin mit seinem Benehmen, weil er die 300 Mann gerettet habe, welche von Trenton entflohen. Während des ganzen Feldzugs sind nicht zehn von seinen Leuten gefallen." So wenig Neigung ich empfinde, mich zum Vertheidiger jener Suvsidien- verträge auszuwerfen, glaube ich doch, daß es einmal Zeit ist, gegen den Spuk aufzutreten, welcher mit diesem angeblichen Briefe bereits getrieben worden ist, und demselben womöglich für immer ein Ende zu machen. Wie dieser Humbug so lange Glauben finden konnte, ist in der That kaum begreiflich; man hat ihn sogar in deutschen Ständekammern citirt. Mochte nicht jeder zu einer Prüfung der darin vorkommenden Specialitäten geneigt und befähigt sein, so scheint mir diese auch gar nicht erforderlich zu sein; nur ein flüchtiger Blick aus seinen Inhalt und die Art und Weise seiner Ab¬ fassung, meine ich. müßte schon genügen, um sofort Zweifel an seiner Wahr¬ heit rege zu machen. Wie könnte es, wird man zunächst fragen dürfen, irgend einem Fürsten beifallen, in solcher Weise gegen einen seiner Offiziere sich auszusprechen? Wie könnte er sich, die Möglichkeit solcher Gedanken und Wünsche bereitwillig zu¬ gegeben, schriftlich so bloßstellen? Würde schon aus diesen Gründen der Historiker Anstand nehmen müssen, dem Briefe Glauben beizulegen, so ergeben sich bei einer genauern Betrach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/101>, abgerufen am 18.05.2024.