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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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zügelt wider Sardinien bekundeten. Ich will hier keineswegs die Behauptung auf¬
stellen , daß man aus der Militärliteratur eines Volkes im Allgemeinen auf die
Tüchtigkeit seines Heeres schließen dürfe. Der Soldat und seine niederen Führer
können derselben in jeder Hinsicht entbehren, und werden durch sie nichts an Brauch¬
barkeit gewinnen. Aber für die höheren Führer ist sie nicht gleichgültig, und sicher
kann man sich keinen guten General ohne ein System von taktischen und strategi¬
schen Grundsätzen denken, die heute praktisch zu erwerben die wenigsten Gelegenheit
hatten, ruit sür welche auch der letzte Krimkrieg eine nur sehr unzureichende und
vielleicht selbst schlecht zu nennende Schule war. Mit einigem Gewicht darf ich
daher hier Berufung aus einen Vergleich der heutigen französischen und deutschen
Militärlitcratur einlegen. Aus demselben wird Eins, dessen bin ich gewiß, sich als
unabweisbar herauszustellen, daß die Ueberlegenheit in der Theorie auf unserer
Seite ist. Es bedarf aber nicht erst des Hinweises aus die erwähnten östreichischen
neuesten Campagnen in Italien, um zu beweisen, daß dies unter Umständen so
viel heißt, wie die Ueberlegenheit der obersten Führung an sich. Denn in der höhe¬
ren Sphäre der Kriegskunst sind Theorie und Praxis nicht scharf geschieden, sondern
stießen ineinander über. Die einzige Bedenklichkeit, die auf unserer Seite und zwar
vorwiegend auf der Preußens obzuwalten scheint ist die, daß es an ausreichender
Gelegenheit für die Kapacitäten fehlte, sich als solche herauszuhcbc.n. Deßungeachtet
haben die letztverflossenen zehn Jahre uns in dieser Hinsicht nicht ganz ohne Merk¬
zeichen gelassen. Ueber den Führer der preußischen Armee kann heute kaum noch
ein Zweifel bestehen. Wenn der gegenwärtige Prinzregcnt nicht selber eintretenden
Falles das oberste Kommando in die Hand nimmt, und es ist das allerdings am
wahrscheinlichsten und würde außerdem vieles für sich haben, so wird dasselbe wol
kaum einem anderen anvertraut werden, als dem verdienten und mit glcichgewoge-
nen Eigenschaften des Geistes wie des Charakters ausgestatteten General von Bonin.
der, wie es scheint ausdrücklich neuerdings zu dem wichtigen Posten eines connnan-
direndcn Generals des 7. Armeecorps befördert wurde, um ihn schnell in die erste,
Linie zu bringen.

Es würde hier nicht wol am Orte sein, auf einen näheren Vergleich des deut¬
schen und französischen Wehrwcsens einzugehen. Vor allem würde dazu ein größerer
Raum beansprucht werden müssen, als er uns in diesen Blättern verstattet ist.
Meiner Ueberzeugung wird kaum ein preußischer oder östreichischer Militär wider¬
sprechen wollen, daß wir einen solchen Vergleich durchaus nicht zu scheuen haben.
Beide deutsche Hauptmächte haben ihre Armeen auf einen seltenen Höhenpunkt der
Kriegstüchtigkeit erhoben; und erwägen wir schließlich, daß beide vereinigt der fran¬
zösischen um mehr als die Hälfte numerisch überlegen sind, so dürfen wir schließlich
mit guter Zuversicht den kommenden Dingen entgegensehen, was aber der vorher
ausgesprochenen Behauptung keinen Eintrag thut, daß ein Krieg unter allen Um¬
ständen ein unberechenbares Uebel sein würde.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

zügelt wider Sardinien bekundeten. Ich will hier keineswegs die Behauptung auf¬
stellen , daß man aus der Militärliteratur eines Volkes im Allgemeinen auf die
Tüchtigkeit seines Heeres schließen dürfe. Der Soldat und seine niederen Führer
können derselben in jeder Hinsicht entbehren, und werden durch sie nichts an Brauch¬
barkeit gewinnen. Aber für die höheren Führer ist sie nicht gleichgültig, und sicher
kann man sich keinen guten General ohne ein System von taktischen und strategi¬
schen Grundsätzen denken, die heute praktisch zu erwerben die wenigsten Gelegenheit
hatten, ruit sür welche auch der letzte Krimkrieg eine nur sehr unzureichende und
vielleicht selbst schlecht zu nennende Schule war. Mit einigem Gewicht darf ich
daher hier Berufung aus einen Vergleich der heutigen französischen und deutschen
Militärlitcratur einlegen. Aus demselben wird Eins, dessen bin ich gewiß, sich als
unabweisbar herauszustellen, daß die Ueberlegenheit in der Theorie auf unserer
Seite ist. Es bedarf aber nicht erst des Hinweises aus die erwähnten östreichischen
neuesten Campagnen in Italien, um zu beweisen, daß dies unter Umständen so
viel heißt, wie die Ueberlegenheit der obersten Führung an sich. Denn in der höhe¬
ren Sphäre der Kriegskunst sind Theorie und Praxis nicht scharf geschieden, sondern
stießen ineinander über. Die einzige Bedenklichkeit, die auf unserer Seite und zwar
vorwiegend auf der Preußens obzuwalten scheint ist die, daß es an ausreichender
Gelegenheit für die Kapacitäten fehlte, sich als solche herauszuhcbc.n. Deßungeachtet
haben die letztverflossenen zehn Jahre uns in dieser Hinsicht nicht ganz ohne Merk¬
zeichen gelassen. Ueber den Führer der preußischen Armee kann heute kaum noch
ein Zweifel bestehen. Wenn der gegenwärtige Prinzregcnt nicht selber eintretenden
Falles das oberste Kommando in die Hand nimmt, und es ist das allerdings am
wahrscheinlichsten und würde außerdem vieles für sich haben, so wird dasselbe wol
kaum einem anderen anvertraut werden, als dem verdienten und mit glcichgewoge-
nen Eigenschaften des Geistes wie des Charakters ausgestatteten General von Bonin.
der, wie es scheint ausdrücklich neuerdings zu dem wichtigen Posten eines connnan-
direndcn Generals des 7. Armeecorps befördert wurde, um ihn schnell in die erste,
Linie zu bringen.

Es würde hier nicht wol am Orte sein, auf einen näheren Vergleich des deut¬
schen und französischen Wehrwcsens einzugehen. Vor allem würde dazu ein größerer
Raum beansprucht werden müssen, als er uns in diesen Blättern verstattet ist.
Meiner Ueberzeugung wird kaum ein preußischer oder östreichischer Militär wider¬
sprechen wollen, daß wir einen solchen Vergleich durchaus nicht zu scheuen haben.
Beide deutsche Hauptmächte haben ihre Armeen auf einen seltenen Höhenpunkt der
Kriegstüchtigkeit erhoben; und erwägen wir schließlich, daß beide vereinigt der fran¬
zösischen um mehr als die Hälfte numerisch überlegen sind, so dürfen wir schließlich
mit guter Zuversicht den kommenden Dingen entgegensehen, was aber der vorher
ausgesprochenen Behauptung keinen Eintrag thut, daß ein Krieg unter allen Um¬
ständen ein unberechenbares Uebel sein würde.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0128] zügelt wider Sardinien bekundeten. Ich will hier keineswegs die Behauptung auf¬ stellen , daß man aus der Militärliteratur eines Volkes im Allgemeinen auf die Tüchtigkeit seines Heeres schließen dürfe. Der Soldat und seine niederen Führer können derselben in jeder Hinsicht entbehren, und werden durch sie nichts an Brauch¬ barkeit gewinnen. Aber für die höheren Führer ist sie nicht gleichgültig, und sicher kann man sich keinen guten General ohne ein System von taktischen und strategi¬ schen Grundsätzen denken, die heute praktisch zu erwerben die wenigsten Gelegenheit hatten, ruit sür welche auch der letzte Krimkrieg eine nur sehr unzureichende und vielleicht selbst schlecht zu nennende Schule war. Mit einigem Gewicht darf ich daher hier Berufung aus einen Vergleich der heutigen französischen und deutschen Militärlitcratur einlegen. Aus demselben wird Eins, dessen bin ich gewiß, sich als unabweisbar herauszustellen, daß die Ueberlegenheit in der Theorie auf unserer Seite ist. Es bedarf aber nicht erst des Hinweises aus die erwähnten östreichischen neuesten Campagnen in Italien, um zu beweisen, daß dies unter Umständen so viel heißt, wie die Ueberlegenheit der obersten Führung an sich. Denn in der höhe¬ ren Sphäre der Kriegskunst sind Theorie und Praxis nicht scharf geschieden, sondern stießen ineinander über. Die einzige Bedenklichkeit, die auf unserer Seite und zwar vorwiegend auf der Preußens obzuwalten scheint ist die, daß es an ausreichender Gelegenheit für die Kapacitäten fehlte, sich als solche herauszuhcbc.n. Deßungeachtet haben die letztverflossenen zehn Jahre uns in dieser Hinsicht nicht ganz ohne Merk¬ zeichen gelassen. Ueber den Führer der preußischen Armee kann heute kaum noch ein Zweifel bestehen. Wenn der gegenwärtige Prinzregcnt nicht selber eintretenden Falles das oberste Kommando in die Hand nimmt, und es ist das allerdings am wahrscheinlichsten und würde außerdem vieles für sich haben, so wird dasselbe wol kaum einem anderen anvertraut werden, als dem verdienten und mit glcichgewoge- nen Eigenschaften des Geistes wie des Charakters ausgestatteten General von Bonin. der, wie es scheint ausdrücklich neuerdings zu dem wichtigen Posten eines connnan- direndcn Generals des 7. Armeecorps befördert wurde, um ihn schnell in die erste, Linie zu bringen. Es würde hier nicht wol am Orte sein, auf einen näheren Vergleich des deut¬ schen und französischen Wehrwcsens einzugehen. Vor allem würde dazu ein größerer Raum beansprucht werden müssen, als er uns in diesen Blättern verstattet ist. Meiner Ueberzeugung wird kaum ein preußischer oder östreichischer Militär wider¬ sprechen wollen, daß wir einen solchen Vergleich durchaus nicht zu scheuen haben. Beide deutsche Hauptmächte haben ihre Armeen auf einen seltenen Höhenpunkt der Kriegstüchtigkeit erhoben; und erwägen wir schließlich, daß beide vereinigt der fran¬ zösischen um mehr als die Hälfte numerisch überlegen sind, so dürfen wir schließlich mit guter Zuversicht den kommenden Dingen entgegensehen, was aber der vorher ausgesprochenen Behauptung keinen Eintrag thut, daß ein Krieg unter allen Um¬ ständen ein unberechenbares Uebel sein würde. Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/128>, abgerufen am 19.05.2024.