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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Kind und Vieh aus den Korinthengärten von Pyrgos zurückkehrten, wo sie
in den letzten Wochen gearbeitet. Es war ein. Zug von wenigstens vier¬
hundert Mann, die sich in ihrer bunten Tracht recht malerisch auf der Ebne
ausbreiteten. Maulthiere mit Betten beladen, auf denen Mandoline und Palli-
karenflinte lagen, Weiber mit Wiegen, die ihnen wie eine Botamsirtrommel
über der Schulter hingen, Kinder, welche Ferkel und Lämmer vor sich her-
triebcn, mehre kleine weiße Ochsen, nackte Säuglinge mit schwarz und grau
gestreiften Säcken aus den Rücken von Maulthieren gebunden, andere, von
einem Dutzend Hühner umgnckert, wieder andere auf den Armen sonnenver¬
brannter Väter, mehre Reiter mit Uataghan und Pistolen im Gürtel, ein
Papa und ein prächtig rothgekleideter Mann, der vermuthlich der Führer der
Schar war. passirten in einzelnen Gruppen raschen Schrittes an uns vorüber.

Eine Strecke weiter wurde ein zweiter rasch fließender Nebenfluß, die klare
hellgrün gefärbte Doana überschritten, der dem Alpheus die Wasser des
nordöstlichen Arkadiens zuführt. Nicht fern von seinem Ufer erhebt sich ein
schöner, augenscheinlich künstlich entstandener Hügel, in dem man das Grab¬
mal des Koröbus, eines der ersten Sieger in den olympischen Spielen, sucht,
welches die Grenze zwischen Elis und Arkadien bezeichnete. Das Thal wird
hier sehr freundlich. Man sieht nur noch Hügel zu beiden Seiten. Mehr
und mehr tritt die Pinie an die Stelle des Laubholzcs, das bisher die Höhen
bedeckte. Mit ihr und anderm Nadelholz wechseln wilde Oel- und Birnbäume,
einzelne immergrüne Eichen, Haidekrautbäume, Buchen, Erlen, Stacheleichen.
Dazwischen stehen mit glänzenden Blättern Myrrhen, Lorbeer- und Erdbeer¬
bäume, gelbblühende Akazien und Rosensträucher mit einer Fülle weißer Blu¬
men. Viele von den Bäumen umrankt Epheu. Hier und da sieht man auf
dem jenseitigen Ufer Ruinen, seltener ein Dorf. Endlich reitet man in eine
kesselartige Erweiterung des Thales ein, wo der Fluß, der hier recht stattlich
daherströmt, sich nach links wendet, während sich rechts ein Seitenthal öffnet,
dessen Wände fast nur mit Nadelholz bewachsen und von mehren kleinen
Schluchten durchbrochen sind. Dies ist die Stätte, die alle, vier Jahre um
die Zeit des Mittsommertags das Volk der Hellenen zu den Spielen vereinte,
nach denen Altgriechenland seine Zeitrechnung eintheilte: die Ebne von
Olympia. Aus dem Seitenthal fließt ein kleiner Bach nach dem Alpheus
hinunter. Nirgend ist ein Haus zu sehen, Gestrüpp und Gebüsch wuchern
auf der Stelle, wo der Zeustempel stand, und nur hier und dort zeigt ein
Weingarten oder ein Getreidefeld, daß in der Nähe Menschen wohnen.

Wir wissen, daß Olympia zwar nie eine eigentliche Stadt, sondern ein
heiliger Bezirk mit verschiedenen Tempeln, Rennbahnen, Ningplätzen, Werk¬
stätten und Herbergen war, wir wissen aber zugleich, daß mehre von diesen
Gebäuden zu den prächtigsten in Griechenland gehörten. Der Zeustempel war


Kind und Vieh aus den Korinthengärten von Pyrgos zurückkehrten, wo sie
in den letzten Wochen gearbeitet. Es war ein. Zug von wenigstens vier¬
hundert Mann, die sich in ihrer bunten Tracht recht malerisch auf der Ebne
ausbreiteten. Maulthiere mit Betten beladen, auf denen Mandoline und Palli-
karenflinte lagen, Weiber mit Wiegen, die ihnen wie eine Botamsirtrommel
über der Schulter hingen, Kinder, welche Ferkel und Lämmer vor sich her-
triebcn, mehre kleine weiße Ochsen, nackte Säuglinge mit schwarz und grau
gestreiften Säcken aus den Rücken von Maulthieren gebunden, andere, von
einem Dutzend Hühner umgnckert, wieder andere auf den Armen sonnenver¬
brannter Väter, mehre Reiter mit Uataghan und Pistolen im Gürtel, ein
Papa und ein prächtig rothgekleideter Mann, der vermuthlich der Führer der
Schar war. passirten in einzelnen Gruppen raschen Schrittes an uns vorüber.

Eine Strecke weiter wurde ein zweiter rasch fließender Nebenfluß, die klare
hellgrün gefärbte Doana überschritten, der dem Alpheus die Wasser des
nordöstlichen Arkadiens zuführt. Nicht fern von seinem Ufer erhebt sich ein
schöner, augenscheinlich künstlich entstandener Hügel, in dem man das Grab¬
mal des Koröbus, eines der ersten Sieger in den olympischen Spielen, sucht,
welches die Grenze zwischen Elis und Arkadien bezeichnete. Das Thal wird
hier sehr freundlich. Man sieht nur noch Hügel zu beiden Seiten. Mehr
und mehr tritt die Pinie an die Stelle des Laubholzcs, das bisher die Höhen
bedeckte. Mit ihr und anderm Nadelholz wechseln wilde Oel- und Birnbäume,
einzelne immergrüne Eichen, Haidekrautbäume, Buchen, Erlen, Stacheleichen.
Dazwischen stehen mit glänzenden Blättern Myrrhen, Lorbeer- und Erdbeer¬
bäume, gelbblühende Akazien und Rosensträucher mit einer Fülle weißer Blu¬
men. Viele von den Bäumen umrankt Epheu. Hier und da sieht man auf
dem jenseitigen Ufer Ruinen, seltener ein Dorf. Endlich reitet man in eine
kesselartige Erweiterung des Thales ein, wo der Fluß, der hier recht stattlich
daherströmt, sich nach links wendet, während sich rechts ein Seitenthal öffnet,
dessen Wände fast nur mit Nadelholz bewachsen und von mehren kleinen
Schluchten durchbrochen sind. Dies ist die Stätte, die alle, vier Jahre um
die Zeit des Mittsommertags das Volk der Hellenen zu den Spielen vereinte,
nach denen Altgriechenland seine Zeitrechnung eintheilte: die Ebne von
Olympia. Aus dem Seitenthal fließt ein kleiner Bach nach dem Alpheus
hinunter. Nirgend ist ein Haus zu sehen, Gestrüpp und Gebüsch wuchern
auf der Stelle, wo der Zeustempel stand, und nur hier und dort zeigt ein
Weingarten oder ein Getreidefeld, daß in der Nähe Menschen wohnen.

Wir wissen, daß Olympia zwar nie eine eigentliche Stadt, sondern ein
heiliger Bezirk mit verschiedenen Tempeln, Rennbahnen, Ningplätzen, Werk¬
stätten und Herbergen war, wir wissen aber zugleich, daß mehre von diesen
Gebäuden zu den prächtigsten in Griechenland gehörten. Der Zeustempel war


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[0525] Kind und Vieh aus den Korinthengärten von Pyrgos zurückkehrten, wo sie in den letzten Wochen gearbeitet. Es war ein. Zug von wenigstens vier¬ hundert Mann, die sich in ihrer bunten Tracht recht malerisch auf der Ebne ausbreiteten. Maulthiere mit Betten beladen, auf denen Mandoline und Palli- karenflinte lagen, Weiber mit Wiegen, die ihnen wie eine Botamsirtrommel über der Schulter hingen, Kinder, welche Ferkel und Lämmer vor sich her- triebcn, mehre kleine weiße Ochsen, nackte Säuglinge mit schwarz und grau gestreiften Säcken aus den Rücken von Maulthieren gebunden, andere, von einem Dutzend Hühner umgnckert, wieder andere auf den Armen sonnenver¬ brannter Väter, mehre Reiter mit Uataghan und Pistolen im Gürtel, ein Papa und ein prächtig rothgekleideter Mann, der vermuthlich der Führer der Schar war. passirten in einzelnen Gruppen raschen Schrittes an uns vorüber. Eine Strecke weiter wurde ein zweiter rasch fließender Nebenfluß, die klare hellgrün gefärbte Doana überschritten, der dem Alpheus die Wasser des nordöstlichen Arkadiens zuführt. Nicht fern von seinem Ufer erhebt sich ein schöner, augenscheinlich künstlich entstandener Hügel, in dem man das Grab¬ mal des Koröbus, eines der ersten Sieger in den olympischen Spielen, sucht, welches die Grenze zwischen Elis und Arkadien bezeichnete. Das Thal wird hier sehr freundlich. Man sieht nur noch Hügel zu beiden Seiten. Mehr und mehr tritt die Pinie an die Stelle des Laubholzcs, das bisher die Höhen bedeckte. Mit ihr und anderm Nadelholz wechseln wilde Oel- und Birnbäume, einzelne immergrüne Eichen, Haidekrautbäume, Buchen, Erlen, Stacheleichen. Dazwischen stehen mit glänzenden Blättern Myrrhen, Lorbeer- und Erdbeer¬ bäume, gelbblühende Akazien und Rosensträucher mit einer Fülle weißer Blu¬ men. Viele von den Bäumen umrankt Epheu. Hier und da sieht man auf dem jenseitigen Ufer Ruinen, seltener ein Dorf. Endlich reitet man in eine kesselartige Erweiterung des Thales ein, wo der Fluß, der hier recht stattlich daherströmt, sich nach links wendet, während sich rechts ein Seitenthal öffnet, dessen Wände fast nur mit Nadelholz bewachsen und von mehren kleinen Schluchten durchbrochen sind. Dies ist die Stätte, die alle, vier Jahre um die Zeit des Mittsommertags das Volk der Hellenen zu den Spielen vereinte, nach denen Altgriechenland seine Zeitrechnung eintheilte: die Ebne von Olympia. Aus dem Seitenthal fließt ein kleiner Bach nach dem Alpheus hinunter. Nirgend ist ein Haus zu sehen, Gestrüpp und Gebüsch wuchern auf der Stelle, wo der Zeustempel stand, und nur hier und dort zeigt ein Weingarten oder ein Getreidefeld, daß in der Nähe Menschen wohnen. Wir wissen, daß Olympia zwar nie eine eigentliche Stadt, sondern ein heiliger Bezirk mit verschiedenen Tempeln, Rennbahnen, Ningplätzen, Werk¬ stätten und Herbergen war, wir wissen aber zugleich, daß mehre von diesen Gebäuden zu den prächtigsten in Griechenland gehörten. Der Zeustempel war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/525>, abgerufen am 26.05.2024.