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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Die deutsche allgemeine und historische Knnstmlsstellnng
in München.
i.

Nach Manchester! lautete die Losung der Kunstfreunde im vorigen Jahre,
München ist ihre Parole in diesem Jahre geworden. Wer als pflichttreuer
Soldat beiden Losungen folgte, wird bei.dem besten Willen die Vergleichung
der großen englischen und der nationalen deutschen Ausstellung nicht unter¬
lassen können. Er wird natürlich nicht die Fülle der hier und dort dem
Auge vorgeführten Kunstschätze gegeneinander abwägen, da der Münchner Aus¬
stellung freiwillig engere Grenzen gesetzt wurden, oder aus dem geringern Um¬
fange der letzteren allein auf ihren geringeren Werth schließen, er wird aber
unwillkürlich die verschiedenen Weisen der Anordnung, die mannigfachen Mit¬
tel, das Interesse des Volkes zu erwecken und rege zu erhalten und endlich
die in England und Deutschland beobachteten Grade der Opferfreudigkeit der
Kunstsammler zusammenhalten und prüfen. Noch gegenwärtig kann nur in
einzelnen deutschen Bahnhöfen die Riescnvlacate wahrnehmen, welche die Aus¬
stellung" von Manchester pomphaft ankündigten, noch jetzt sind die lockenden
Anschläge der verschiedenen Dampfschiffahrt- und Eisenbahngesellschaften, auf
welche Art man sich den Genuß der großen Ausstellung am wohlfeilsten ver¬
schaffen könne, vorhanden. Es war überreiche Sorge dafür getragen, daß
die Erinnerung an das Schauspiel von Manchester jedermann zu jeder Stunde
und an jedem Orte nahe gerückt werde. Kam man vollends nach England
und Manchester, so merkte man auf Weg und Steg die großartige Bedeu¬
tung des Unternehmens. Selbst die indischen Wirren waren nicht im Stande,
die Ausstellung aus dem Vordergründe, den sie im Kreise der Tagesinteressen
einnahm, zu verdrängen. Jeder Omnibus, jede Eisenbahnlinie suchten die¬
selbe auszubeuten. Bis unmittelbar an die Eingangsthür waren die Schie¬
nen gelegt worden, auf welchen tagtäglich gefüllte Extrazüge heranbrausten.
Keine Woche verging, die nicht ein besonderes Schauspiel im Innern des-


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Die deutsche allgemeine und historische Knnstmlsstellnng
in München.
i.

Nach Manchester! lautete die Losung der Kunstfreunde im vorigen Jahre,
München ist ihre Parole in diesem Jahre geworden. Wer als pflichttreuer
Soldat beiden Losungen folgte, wird bei.dem besten Willen die Vergleichung
der großen englischen und der nationalen deutschen Ausstellung nicht unter¬
lassen können. Er wird natürlich nicht die Fülle der hier und dort dem
Auge vorgeführten Kunstschätze gegeneinander abwägen, da der Münchner Aus¬
stellung freiwillig engere Grenzen gesetzt wurden, oder aus dem geringern Um¬
fange der letzteren allein auf ihren geringeren Werth schließen, er wird aber
unwillkürlich die verschiedenen Weisen der Anordnung, die mannigfachen Mit¬
tel, das Interesse des Volkes zu erwecken und rege zu erhalten und endlich
die in England und Deutschland beobachteten Grade der Opferfreudigkeit der
Kunstsammler zusammenhalten und prüfen. Noch gegenwärtig kann nur in
einzelnen deutschen Bahnhöfen die Riescnvlacate wahrnehmen, welche die Aus¬
stellung" von Manchester pomphaft ankündigten, noch jetzt sind die lockenden
Anschläge der verschiedenen Dampfschiffahrt- und Eisenbahngesellschaften, auf
welche Art man sich den Genuß der großen Ausstellung am wohlfeilsten ver¬
schaffen könne, vorhanden. Es war überreiche Sorge dafür getragen, daß
die Erinnerung an das Schauspiel von Manchester jedermann zu jeder Stunde
und an jedem Orte nahe gerückt werde. Kam man vollends nach England
und Manchester, so merkte man auf Weg und Steg die großartige Bedeu¬
tung des Unternehmens. Selbst die indischen Wirren waren nicht im Stande,
die Ausstellung aus dem Vordergründe, den sie im Kreise der Tagesinteressen
einnahm, zu verdrängen. Jeder Omnibus, jede Eisenbahnlinie suchten die¬
selbe auszubeuten. Bis unmittelbar an die Eingangsthür waren die Schie¬
nen gelegt worden, auf welchen tagtäglich gefüllte Extrazüge heranbrausten.
Keine Woche verging, die nicht ein besonderes Schauspiel im Innern des-


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[0009] Die deutsche allgemeine und historische Knnstmlsstellnng in München. i. Nach Manchester! lautete die Losung der Kunstfreunde im vorigen Jahre, München ist ihre Parole in diesem Jahre geworden. Wer als pflichttreuer Soldat beiden Losungen folgte, wird bei.dem besten Willen die Vergleichung der großen englischen und der nationalen deutschen Ausstellung nicht unter¬ lassen können. Er wird natürlich nicht die Fülle der hier und dort dem Auge vorgeführten Kunstschätze gegeneinander abwägen, da der Münchner Aus¬ stellung freiwillig engere Grenzen gesetzt wurden, oder aus dem geringern Um¬ fange der letzteren allein auf ihren geringeren Werth schließen, er wird aber unwillkürlich die verschiedenen Weisen der Anordnung, die mannigfachen Mit¬ tel, das Interesse des Volkes zu erwecken und rege zu erhalten und endlich die in England und Deutschland beobachteten Grade der Opferfreudigkeit der Kunstsammler zusammenhalten und prüfen. Noch gegenwärtig kann nur in einzelnen deutschen Bahnhöfen die Riescnvlacate wahrnehmen, welche die Aus¬ stellung" von Manchester pomphaft ankündigten, noch jetzt sind die lockenden Anschläge der verschiedenen Dampfschiffahrt- und Eisenbahngesellschaften, auf welche Art man sich den Genuß der großen Ausstellung am wohlfeilsten ver¬ schaffen könne, vorhanden. Es war überreiche Sorge dafür getragen, daß die Erinnerung an das Schauspiel von Manchester jedermann zu jeder Stunde und an jedem Orte nahe gerückt werde. Kam man vollends nach England und Manchester, so merkte man auf Weg und Steg die großartige Bedeu¬ tung des Unternehmens. Selbst die indischen Wirren waren nicht im Stande, die Ausstellung aus dem Vordergründe, den sie im Kreise der Tagesinteressen einnahm, zu verdrängen. Jeder Omnibus, jede Eisenbahnlinie suchten die¬ selbe auszubeuten. Bis unmittelbar an die Eingangsthür waren die Schie¬ nen gelegt worden, auf welchen tagtäglich gefüllte Extrazüge heranbrausten. Keine Woche verging, die nicht ein besonderes Schauspiel im Innern des- - Gnnzbotcn IV. löSL. 1 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/9>, abgerufen am 17.06.2024.