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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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dauerhaft, zünftige Leute, die sich selbst richteten, und die Ordnung, welche
ihnen der Kaiser gesetzt hatte, mit umständlichen Ceremonie! und sinnigen
Gebräuchen umgaben. Aber kurz war die Blütezeit ihrer Kraft. Sie fällt
genau zusammen mit der großen Erhebung der deutschen Volkskraft auf den
idealen Gebieten des Lebens. Ihr Verfall beginnt fast zu derselben Zeit,
in welcher der Bauernkrieg den Aufschwung der untern Volksschichten brach,
in welchem die widerwärtigen Händel zwischen Lutheranern und Reformirten
zu beweisen schienen, daß auch das neue Leben der Geister nicht alle Bedin¬
gungen eines siegreichen Fortschrittes enthalte. Er läßt sich datiren von ihrem
Aufstand gegen den ältern Fronsperg, jener Stunde, wo sie ihrem Vater,
dem greisen Landsknechtshelden, das Herz brachen. Vieles wirkte zusammen,
die neuen Fußsoldaten zu verderben; sie waren Lohnsoldatcn auf Zeit und
gewöhnten sich bald die Fahnen zu wechseln, und nicht für eine Idee zu käm¬
pfen, sondern für eignen Vortheil und Beute. Sie, das unwiderstehliche Fußvolk
der neuen Zeit, waren nicht durch die Anwendung des Pulvers aus den Krieg
ins Leben gerufen worden, aber sie vorzugsweise eigneten sich die neue Erfin¬
dung an. Und das Eindringen der Handfeuerwaffen in die Heere half allerdings
zuerst dazu, die Schwäche ihres Gegners, der alten'Rittcrcavalerie zu erweisen,
aber dieselbe Feuerwaffe verringerte sehr bald auch ihre eigne Tüchtigkeit. Denn
noch waren ihre schweren, langsam feuernder Röhre nicht geeignet, auf dem
Schlachtfeld den Sieg zu gewinnen. Der letzte Erfolg hing noch von dem
massenhaften Ansturm der scharfen Waffe und dem Einbrechen ihrer Gewalt¬
haufen in den Feind ab, noch kämpften die behendem Schützen unter dem
Schutz der Spießträger, welche sich wieder mit eisernen Schutzwaffen umschirmt
hatten, um die Gefahr der Kugel zu verringern. Der Landsknecht aber wollte
lieber das Rohr, als den schweren Harnisch und Spieß tragen; so kam
es, daß die große Masse der Landsknechtheere untüchtig zum Draufgehen
wurde.

Damit vereinten sich andere Uebelstände. Noch gab es keine stehenden
Heere; bei drohender Fehde wurden von großen und kleinen Territorial¬
herren und Städten Truppen gesammelt, nach beigelegten Kriege wieder ent¬
lassen. Die Fehden waren in der Regel kurz und local, selbst die ungarischen
Kriege nur Sommerfcldzüge von wenigen Monaten. Es schien auch den gro¬
ßen deutschen Landesherrn damals noch unmöglich, eine stärkere Truppenzahl
auf längere Zeit zu ernähren; sie waren bei sehr unvollkommener Finanz¬
wirthschaft ohnedies sehr häusig in Geldnoth; durch Verschlechterung der
Münze -- es wurde zur Auszahlung der Kriegsleute nicht selten besonderes
leichtes Geld geschlagen -- durch treulose Verkürzung der ausgemachten Löh¬
nung suchten sie sich zu helfen. Solche Ungebühr demoralisirte den Kriegsmann
ebenso, wie die kurze Dienstzeit, die oft nur drei, sechs Monate dauerte. So


dauerhaft, zünftige Leute, die sich selbst richteten, und die Ordnung, welche
ihnen der Kaiser gesetzt hatte, mit umständlichen Ceremonie! und sinnigen
Gebräuchen umgaben. Aber kurz war die Blütezeit ihrer Kraft. Sie fällt
genau zusammen mit der großen Erhebung der deutschen Volkskraft auf den
idealen Gebieten des Lebens. Ihr Verfall beginnt fast zu derselben Zeit,
in welcher der Bauernkrieg den Aufschwung der untern Volksschichten brach,
in welchem die widerwärtigen Händel zwischen Lutheranern und Reformirten
zu beweisen schienen, daß auch das neue Leben der Geister nicht alle Bedin¬
gungen eines siegreichen Fortschrittes enthalte. Er läßt sich datiren von ihrem
Aufstand gegen den ältern Fronsperg, jener Stunde, wo sie ihrem Vater,
dem greisen Landsknechtshelden, das Herz brachen. Vieles wirkte zusammen,
die neuen Fußsoldaten zu verderben; sie waren Lohnsoldatcn auf Zeit und
gewöhnten sich bald die Fahnen zu wechseln, und nicht für eine Idee zu käm¬
pfen, sondern für eignen Vortheil und Beute. Sie, das unwiderstehliche Fußvolk
der neuen Zeit, waren nicht durch die Anwendung des Pulvers aus den Krieg
ins Leben gerufen worden, aber sie vorzugsweise eigneten sich die neue Erfin¬
dung an. Und das Eindringen der Handfeuerwaffen in die Heere half allerdings
zuerst dazu, die Schwäche ihres Gegners, der alten'Rittcrcavalerie zu erweisen,
aber dieselbe Feuerwaffe verringerte sehr bald auch ihre eigne Tüchtigkeit. Denn
noch waren ihre schweren, langsam feuernder Röhre nicht geeignet, auf dem
Schlachtfeld den Sieg zu gewinnen. Der letzte Erfolg hing noch von dem
massenhaften Ansturm der scharfen Waffe und dem Einbrechen ihrer Gewalt¬
haufen in den Feind ab, noch kämpften die behendem Schützen unter dem
Schutz der Spießträger, welche sich wieder mit eisernen Schutzwaffen umschirmt
hatten, um die Gefahr der Kugel zu verringern. Der Landsknecht aber wollte
lieber das Rohr, als den schweren Harnisch und Spieß tragen; so kam
es, daß die große Masse der Landsknechtheere untüchtig zum Draufgehen
wurde.

Damit vereinten sich andere Uebelstände. Noch gab es keine stehenden
Heere; bei drohender Fehde wurden von großen und kleinen Territorial¬
herren und Städten Truppen gesammelt, nach beigelegten Kriege wieder ent¬
lassen. Die Fehden waren in der Regel kurz und local, selbst die ungarischen
Kriege nur Sommerfcldzüge von wenigen Monaten. Es schien auch den gro¬
ßen deutschen Landesherrn damals noch unmöglich, eine stärkere Truppenzahl
auf längere Zeit zu ernähren; sie waren bei sehr unvollkommener Finanz¬
wirthschaft ohnedies sehr häusig in Geldnoth; durch Verschlechterung der
Münze — es wurde zur Auszahlung der Kriegsleute nicht selten besonderes
leichtes Geld geschlagen — durch treulose Verkürzung der ausgemachten Löh¬
nung suchten sie sich zu helfen. Solche Ungebühr demoralisirte den Kriegsmann
ebenso, wie die kurze Dienstzeit, die oft nur drei, sechs Monate dauerte. So


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[0136] dauerhaft, zünftige Leute, die sich selbst richteten, und die Ordnung, welche ihnen der Kaiser gesetzt hatte, mit umständlichen Ceremonie! und sinnigen Gebräuchen umgaben. Aber kurz war die Blütezeit ihrer Kraft. Sie fällt genau zusammen mit der großen Erhebung der deutschen Volkskraft auf den idealen Gebieten des Lebens. Ihr Verfall beginnt fast zu derselben Zeit, in welcher der Bauernkrieg den Aufschwung der untern Volksschichten brach, in welchem die widerwärtigen Händel zwischen Lutheranern und Reformirten zu beweisen schienen, daß auch das neue Leben der Geister nicht alle Bedin¬ gungen eines siegreichen Fortschrittes enthalte. Er läßt sich datiren von ihrem Aufstand gegen den ältern Fronsperg, jener Stunde, wo sie ihrem Vater, dem greisen Landsknechtshelden, das Herz brachen. Vieles wirkte zusammen, die neuen Fußsoldaten zu verderben; sie waren Lohnsoldatcn auf Zeit und gewöhnten sich bald die Fahnen zu wechseln, und nicht für eine Idee zu käm¬ pfen, sondern für eignen Vortheil und Beute. Sie, das unwiderstehliche Fußvolk der neuen Zeit, waren nicht durch die Anwendung des Pulvers aus den Krieg ins Leben gerufen worden, aber sie vorzugsweise eigneten sich die neue Erfin¬ dung an. Und das Eindringen der Handfeuerwaffen in die Heere half allerdings zuerst dazu, die Schwäche ihres Gegners, der alten'Rittcrcavalerie zu erweisen, aber dieselbe Feuerwaffe verringerte sehr bald auch ihre eigne Tüchtigkeit. Denn noch waren ihre schweren, langsam feuernder Röhre nicht geeignet, auf dem Schlachtfeld den Sieg zu gewinnen. Der letzte Erfolg hing noch von dem massenhaften Ansturm der scharfen Waffe und dem Einbrechen ihrer Gewalt¬ haufen in den Feind ab, noch kämpften die behendem Schützen unter dem Schutz der Spießträger, welche sich wieder mit eisernen Schutzwaffen umschirmt hatten, um die Gefahr der Kugel zu verringern. Der Landsknecht aber wollte lieber das Rohr, als den schweren Harnisch und Spieß tragen; so kam es, daß die große Masse der Landsknechtheere untüchtig zum Draufgehen wurde. Damit vereinten sich andere Uebelstände. Noch gab es keine stehenden Heere; bei drohender Fehde wurden von großen und kleinen Territorial¬ herren und Städten Truppen gesammelt, nach beigelegten Kriege wieder ent¬ lassen. Die Fehden waren in der Regel kurz und local, selbst die ungarischen Kriege nur Sommerfcldzüge von wenigen Monaten. Es schien auch den gro¬ ßen deutschen Landesherrn damals noch unmöglich, eine stärkere Truppenzahl auf längere Zeit zu ernähren; sie waren bei sehr unvollkommener Finanz¬ wirthschaft ohnedies sehr häusig in Geldnoth; durch Verschlechterung der Münze — es wurde zur Auszahlung der Kriegsleute nicht selten besonderes leichtes Geld geschlagen — durch treulose Verkürzung der ausgemachten Löh¬ nung suchten sie sich zu helfen. Solche Ungebühr demoralisirte den Kriegsmann ebenso, wie die kurze Dienstzeit, die oft nur drei, sechs Monate dauerte. So

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/136>, abgerufen am 13.05.2024.