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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Stück an der Stange ist. sollen die Kriegsleute dem Fähnrich in den Tod
folgen, bis alles über einen Hausen an der Wahlstatt liegt. Die Fahne soll
über keinen: Bescholtenen oder Missethäter fliegen, ist gegen den Fahneneid
gefrevelt, so darf der Fähnrich die Fahne einschlagen, und dem Frevler Fahne
und Wache verbieten lassen, dann muß dieser beim Troß gehen unter Hurer
und Jungen, bis zum Ausgang der Sache. Der Fähnrich soll ohne Erlaub¬
niß keine Nacht die Fahne verlassen, wenn er schläft, soll er sie bei seinem
Lager haben, sich nie davon trennen, wird sie ihm durch Verrath oder
schelmische Diener von der Stange gerissen, so soll der Fähnrich dem gemeinen
Kriegsmann mit Leib und Leben versallen nach ihrem Willen. Er soll ein
großer, kräftiger, männlicher, tapfrer und fröhlicher Gesell sein, freundlich mit
jedermann, Fürsprecher und Friedenstifter, Strafen verhängt er nicht, daß sich
kein Haß an ihn hänge. Im freien Feld bei fliegenden Fahnen werden Be¬
stallung und Kriegsartikel vorgelesen, der Reiter darf sich ohne Erlaubniß nur
soweit vom Zug oder Lager entfernen, als die Fahne gesehen werden kann,
wer im Kampf von der Fahne flieht, soll dafür sterben, wer ihn niedersticht
ist straflos;") wenn der Fahnenträger eine Festung oder Schanze verläßt,
bevor er drei Stürme ohne Ersatz ausgehalten, verfüllt er dem Kriegs¬
gericht; das Regiment verliert die Fahne, wenn es aus Feigheit eine
Festung vor der Zeit übergibt. Noch wars nicht lange her, daß das
Spießrecht abgekommen war, das herbe Gericht der Landsknechte, wo vor
dem Ringe der Gemeinen der Prosoß den Missethäter verklagte, und vierzig
erwählte Mann, Offiziere und Gemeine, das Urtheil sprachen; auch damals
schlugen beim Beginn des Gerichts die Fähnriche ihre Fahnen zusammen,
steckten sie verkehrt, mit der eisernen Spitze in die Erde, und forderten ein
Urtheil, weil die Fahne nicht über einen Missethäter fliegen dürfe. Und war
der Verbrecher zum Spießen oder als Schütze zum Arkebusiren verurtheilt,
dann bedankten sich die Fähnriche gegen den gemeinen Mann, schlugen die
Fähnlein wieder auf und ließen sie fliegen gegen Aufgang der Sonne, tröste¬
ten den armen Sünder und versprachen ihm auf halbem Weg entgegenzulaufen
und ihn dadurch zu erledigen, daß sie ihn unter den Schutz der Fahne nah¬
men. Und wenn die Gasse gebildet war, traten sie an das Ende derselben
mit dem Rücken gegen die Sonne, der Verbrecher aber mußte die Kriegsleute
segnen und um schnellen Tod bitten, dann gab ihm der Prosoß mit seinein
Stab drei Schläge auf die rechte Achsel und stieß ihn in die Gasse. Wer
aber unehrlich war, der wurde ehrlich, wenn die Fahne dreimal über ihm
geschwenkt war, so der Steckenknecht, wenn er sich ordentlich gehalten und
entlassen werden sollte. Der Fähnrich erhält alle drei Jahr Geld auf ein



") Schwedisches Kriegsrecht. Rinteln 1643, 16,

Stück an der Stange ist. sollen die Kriegsleute dem Fähnrich in den Tod
folgen, bis alles über einen Hausen an der Wahlstatt liegt. Die Fahne soll
über keinen: Bescholtenen oder Missethäter fliegen, ist gegen den Fahneneid
gefrevelt, so darf der Fähnrich die Fahne einschlagen, und dem Frevler Fahne
und Wache verbieten lassen, dann muß dieser beim Troß gehen unter Hurer
und Jungen, bis zum Ausgang der Sache. Der Fähnrich soll ohne Erlaub¬
niß keine Nacht die Fahne verlassen, wenn er schläft, soll er sie bei seinem
Lager haben, sich nie davon trennen, wird sie ihm durch Verrath oder
schelmische Diener von der Stange gerissen, so soll der Fähnrich dem gemeinen
Kriegsmann mit Leib und Leben versallen nach ihrem Willen. Er soll ein
großer, kräftiger, männlicher, tapfrer und fröhlicher Gesell sein, freundlich mit
jedermann, Fürsprecher und Friedenstifter, Strafen verhängt er nicht, daß sich
kein Haß an ihn hänge. Im freien Feld bei fliegenden Fahnen werden Be¬
stallung und Kriegsartikel vorgelesen, der Reiter darf sich ohne Erlaubniß nur
soweit vom Zug oder Lager entfernen, als die Fahne gesehen werden kann,
wer im Kampf von der Fahne flieht, soll dafür sterben, wer ihn niedersticht
ist straflos;") wenn der Fahnenträger eine Festung oder Schanze verläßt,
bevor er drei Stürme ohne Ersatz ausgehalten, verfüllt er dem Kriegs¬
gericht; das Regiment verliert die Fahne, wenn es aus Feigheit eine
Festung vor der Zeit übergibt. Noch wars nicht lange her, daß das
Spießrecht abgekommen war, das herbe Gericht der Landsknechte, wo vor
dem Ringe der Gemeinen der Prosoß den Missethäter verklagte, und vierzig
erwählte Mann, Offiziere und Gemeine, das Urtheil sprachen; auch damals
schlugen beim Beginn des Gerichts die Fähnriche ihre Fahnen zusammen,
steckten sie verkehrt, mit der eisernen Spitze in die Erde, und forderten ein
Urtheil, weil die Fahne nicht über einen Missethäter fliegen dürfe. Und war
der Verbrecher zum Spießen oder als Schütze zum Arkebusiren verurtheilt,
dann bedankten sich die Fähnriche gegen den gemeinen Mann, schlugen die
Fähnlein wieder auf und ließen sie fliegen gegen Aufgang der Sonne, tröste¬
ten den armen Sünder und versprachen ihm auf halbem Weg entgegenzulaufen
und ihn dadurch zu erledigen, daß sie ihn unter den Schutz der Fahne nah¬
men. Und wenn die Gasse gebildet war, traten sie an das Ende derselben
mit dem Rücken gegen die Sonne, der Verbrecher aber mußte die Kriegsleute
segnen und um schnellen Tod bitten, dann gab ihm der Prosoß mit seinein
Stab drei Schläge auf die rechte Achsel und stieß ihn in die Gasse. Wer
aber unehrlich war, der wurde ehrlich, wenn die Fahne dreimal über ihm
geschwenkt war, so der Steckenknecht, wenn er sich ordentlich gehalten und
entlassen werden sollte. Der Fähnrich erhält alle drei Jahr Geld auf ein



") Schwedisches Kriegsrecht. Rinteln 1643, 16,
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[0142] Stück an der Stange ist. sollen die Kriegsleute dem Fähnrich in den Tod folgen, bis alles über einen Hausen an der Wahlstatt liegt. Die Fahne soll über keinen: Bescholtenen oder Missethäter fliegen, ist gegen den Fahneneid gefrevelt, so darf der Fähnrich die Fahne einschlagen, und dem Frevler Fahne und Wache verbieten lassen, dann muß dieser beim Troß gehen unter Hurer und Jungen, bis zum Ausgang der Sache. Der Fähnrich soll ohne Erlaub¬ niß keine Nacht die Fahne verlassen, wenn er schläft, soll er sie bei seinem Lager haben, sich nie davon trennen, wird sie ihm durch Verrath oder schelmische Diener von der Stange gerissen, so soll der Fähnrich dem gemeinen Kriegsmann mit Leib und Leben versallen nach ihrem Willen. Er soll ein großer, kräftiger, männlicher, tapfrer und fröhlicher Gesell sein, freundlich mit jedermann, Fürsprecher und Friedenstifter, Strafen verhängt er nicht, daß sich kein Haß an ihn hänge. Im freien Feld bei fliegenden Fahnen werden Be¬ stallung und Kriegsartikel vorgelesen, der Reiter darf sich ohne Erlaubniß nur soweit vom Zug oder Lager entfernen, als die Fahne gesehen werden kann, wer im Kampf von der Fahne flieht, soll dafür sterben, wer ihn niedersticht ist straflos;") wenn der Fahnenträger eine Festung oder Schanze verläßt, bevor er drei Stürme ohne Ersatz ausgehalten, verfüllt er dem Kriegs¬ gericht; das Regiment verliert die Fahne, wenn es aus Feigheit eine Festung vor der Zeit übergibt. Noch wars nicht lange her, daß das Spießrecht abgekommen war, das herbe Gericht der Landsknechte, wo vor dem Ringe der Gemeinen der Prosoß den Missethäter verklagte, und vierzig erwählte Mann, Offiziere und Gemeine, das Urtheil sprachen; auch damals schlugen beim Beginn des Gerichts die Fähnriche ihre Fahnen zusammen, steckten sie verkehrt, mit der eisernen Spitze in die Erde, und forderten ein Urtheil, weil die Fahne nicht über einen Missethäter fliegen dürfe. Und war der Verbrecher zum Spießen oder als Schütze zum Arkebusiren verurtheilt, dann bedankten sich die Fähnriche gegen den gemeinen Mann, schlugen die Fähnlein wieder auf und ließen sie fliegen gegen Aufgang der Sonne, tröste¬ ten den armen Sünder und versprachen ihm auf halbem Weg entgegenzulaufen und ihn dadurch zu erledigen, daß sie ihn unter den Schutz der Fahne nah¬ men. Und wenn die Gasse gebildet war, traten sie an das Ende derselben mit dem Rücken gegen die Sonne, der Verbrecher aber mußte die Kriegsleute segnen und um schnellen Tod bitten, dann gab ihm der Prosoß mit seinein Stab drei Schläge auf die rechte Achsel und stieß ihn in die Gasse. Wer aber unehrlich war, der wurde ehrlich, wenn die Fahne dreimal über ihm geschwenkt war, so der Steckenknecht, wenn er sich ordentlich gehalten und entlassen werden sollte. Der Fähnrich erhält alle drei Jahr Geld auf ein ") Schwedisches Kriegsrecht. Rinteln 1643, 16,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/142>, abgerufen am 28.05.2024.