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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Gasscnlaufen, -- dazu vermietheten sich harte Gesellen*) indem sie das
Verbrechen auf sich nahmen, -- Verlust der Hand, arquebufirt, gehängt.
Und für ganze Truppentheile: Verlust der Fahne, außerhalb des Lagers
liegen und dasselbe reinigen, und Decimirung. Beim Beginn des Krieges
war den Heeren noch vieles von dem alten Landsknechtgebrauch erhalten,
'hr "Malefizgericht", worin nach deutschem Brauch die Gemeinen durch
erwählte Schöffen selbst Recht sprachen. Schon vor dem Kriege war daneben
das Standrecht eingeführt worden, ein summarisches Verfahren, bei welchem
Schultheiß und Schöffen nicht saßen, und die Offiziere das Urtheil in der
Hand hatten. Während des Krieges organisirten sich die Militärgerichte in
Moderner Weise unter Vorsitz des Generalauditors, der Generalgewaltige oder
Generalprofoß besorgte die Executionen. Aber auch in den Strafen empfin¬
det das Heer sich im Gegensatz zum Bürger und Bauer. Der Soldat wird
W Eisen gelegt, nicht in Stock und Gefängniß gesetzt, kein Kriegsmann soll an
einem gewöhnlichen Landgalgen oder gemeinen Hochgericht gehängt werden,
sondern am Baume oder Quartiergalgen, der in den Städten für die Soldaten
°uf dem Marktplatz errichtet ward; die alte Formel, womit der Delinquent dem
Freimaur übergeben wurde, lautete: "er soll ihn führen zu einem grünen
Vanen und aufknüpfen an seinem besten Hals, daß der Wind unter und über
ihm zusammenschlägt, auch soll ihn Tag und Sonne anscheinen drei Tage,
dann soll er wieder abgelöst und begraben werden, wie Kriegsgebrauch ist."
Der meineidige Ueberläufer aber wurde an einem dürren Baume gehängt. Und wer
wie dem Schwert gerichtet wird, den soll der Scharfrichter führen auf einen
freien Platz, wo am meisten Volk ist. und mit dem Schwert seinen Leib in
öroei'Stücke schlagen, daß der Leib das größte und der Kopf das kleinste Theil
bleibt. Auch der Profoß und seine Gehilfen sind nicht in der Weise unehrlich,
Wie der bürgerliche Scharfrichter, sogar der Stcckenknecht, das gemiedene "Klau-
ditchen" des Heeres, welcher häufig aus Uebelthätern genommen wurde, denen
Wan die Wahl ließ zwischen dem unehrlichen Amt oder der Strafe, konnte, wenn
" sein Amt treulich versehen hatte, bei der Auflösung des Fabricius ehrlich ge¬
macht werden, dann erhielt er seinen Freizettel wie ein andrer wackrer Soldat
Und durste ihm niemand etwas nachreden.

Was die Heere des dreißigjährigen Krieges sehr von den modernen unter¬
scheidet und ihren Einmarsch in eine Landschaft dem Einbruch eines fremd-
artigen Völkerstammcs ähnlich machte, war der Umstand, daß der Soldat trotz
der kurzen Dienstzeit im Felde seinen eignen Haushalt führte und wie ein Hand-
Werksmeister mit Weib und Jungen wirthschaftete, "Nicht nur die höhern
Offiziere und Hauptleute nahmen ihre Frauen mit ins Feld, auch der Reiter



") Schwedisches Knegsrecht §. 10S.

Gasscnlaufen, — dazu vermietheten sich harte Gesellen*) indem sie das
Verbrechen auf sich nahmen, — Verlust der Hand, arquebufirt, gehängt.
Und für ganze Truppentheile: Verlust der Fahne, außerhalb des Lagers
liegen und dasselbe reinigen, und Decimirung. Beim Beginn des Krieges
war den Heeren noch vieles von dem alten Landsknechtgebrauch erhalten,
'hr „Malefizgericht", worin nach deutschem Brauch die Gemeinen durch
erwählte Schöffen selbst Recht sprachen. Schon vor dem Kriege war daneben
das Standrecht eingeführt worden, ein summarisches Verfahren, bei welchem
Schultheiß und Schöffen nicht saßen, und die Offiziere das Urtheil in der
Hand hatten. Während des Krieges organisirten sich die Militärgerichte in
Moderner Weise unter Vorsitz des Generalauditors, der Generalgewaltige oder
Generalprofoß besorgte die Executionen. Aber auch in den Strafen empfin¬
det das Heer sich im Gegensatz zum Bürger und Bauer. Der Soldat wird
W Eisen gelegt, nicht in Stock und Gefängniß gesetzt, kein Kriegsmann soll an
einem gewöhnlichen Landgalgen oder gemeinen Hochgericht gehängt werden,
sondern am Baume oder Quartiergalgen, der in den Städten für die Soldaten
°uf dem Marktplatz errichtet ward; die alte Formel, womit der Delinquent dem
Freimaur übergeben wurde, lautete: „er soll ihn führen zu einem grünen
Vanen und aufknüpfen an seinem besten Hals, daß der Wind unter und über
ihm zusammenschlägt, auch soll ihn Tag und Sonne anscheinen drei Tage,
dann soll er wieder abgelöst und begraben werden, wie Kriegsgebrauch ist."
Der meineidige Ueberläufer aber wurde an einem dürren Baume gehängt. Und wer
wie dem Schwert gerichtet wird, den soll der Scharfrichter führen auf einen
freien Platz, wo am meisten Volk ist. und mit dem Schwert seinen Leib in
öroei'Stücke schlagen, daß der Leib das größte und der Kopf das kleinste Theil
bleibt. Auch der Profoß und seine Gehilfen sind nicht in der Weise unehrlich,
Wie der bürgerliche Scharfrichter, sogar der Stcckenknecht, das gemiedene „Klau-
ditchen" des Heeres, welcher häufig aus Uebelthätern genommen wurde, denen
Wan die Wahl ließ zwischen dem unehrlichen Amt oder der Strafe, konnte, wenn
" sein Amt treulich versehen hatte, bei der Auflösung des Fabricius ehrlich ge¬
macht werden, dann erhielt er seinen Freizettel wie ein andrer wackrer Soldat
Und durste ihm niemand etwas nachreden.

Was die Heere des dreißigjährigen Krieges sehr von den modernen unter¬
scheidet und ihren Einmarsch in eine Landschaft dem Einbruch eines fremd-
artigen Völkerstammcs ähnlich machte, war der Umstand, daß der Soldat trotz
der kurzen Dienstzeit im Felde seinen eignen Haushalt führte und wie ein Hand-
Werksmeister mit Weib und Jungen wirthschaftete, „Nicht nur die höhern
Offiziere und Hauptleute nahmen ihre Frauen mit ins Feld, auch der Reiter



") Schwedisches Knegsrecht §. 10S.
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[0147] Gasscnlaufen, — dazu vermietheten sich harte Gesellen*) indem sie das Verbrechen auf sich nahmen, — Verlust der Hand, arquebufirt, gehängt. Und für ganze Truppentheile: Verlust der Fahne, außerhalb des Lagers liegen und dasselbe reinigen, und Decimirung. Beim Beginn des Krieges war den Heeren noch vieles von dem alten Landsknechtgebrauch erhalten, 'hr „Malefizgericht", worin nach deutschem Brauch die Gemeinen durch erwählte Schöffen selbst Recht sprachen. Schon vor dem Kriege war daneben das Standrecht eingeführt worden, ein summarisches Verfahren, bei welchem Schultheiß und Schöffen nicht saßen, und die Offiziere das Urtheil in der Hand hatten. Während des Krieges organisirten sich die Militärgerichte in Moderner Weise unter Vorsitz des Generalauditors, der Generalgewaltige oder Generalprofoß besorgte die Executionen. Aber auch in den Strafen empfin¬ det das Heer sich im Gegensatz zum Bürger und Bauer. Der Soldat wird W Eisen gelegt, nicht in Stock und Gefängniß gesetzt, kein Kriegsmann soll an einem gewöhnlichen Landgalgen oder gemeinen Hochgericht gehängt werden, sondern am Baume oder Quartiergalgen, der in den Städten für die Soldaten °uf dem Marktplatz errichtet ward; die alte Formel, womit der Delinquent dem Freimaur übergeben wurde, lautete: „er soll ihn führen zu einem grünen Vanen und aufknüpfen an seinem besten Hals, daß der Wind unter und über ihm zusammenschlägt, auch soll ihn Tag und Sonne anscheinen drei Tage, dann soll er wieder abgelöst und begraben werden, wie Kriegsgebrauch ist." Der meineidige Ueberläufer aber wurde an einem dürren Baume gehängt. Und wer wie dem Schwert gerichtet wird, den soll der Scharfrichter führen auf einen freien Platz, wo am meisten Volk ist. und mit dem Schwert seinen Leib in öroei'Stücke schlagen, daß der Leib das größte und der Kopf das kleinste Theil bleibt. Auch der Profoß und seine Gehilfen sind nicht in der Weise unehrlich, Wie der bürgerliche Scharfrichter, sogar der Stcckenknecht, das gemiedene „Klau- ditchen" des Heeres, welcher häufig aus Uebelthätern genommen wurde, denen Wan die Wahl ließ zwischen dem unehrlichen Amt oder der Strafe, konnte, wenn " sein Amt treulich versehen hatte, bei der Auflösung des Fabricius ehrlich ge¬ macht werden, dann erhielt er seinen Freizettel wie ein andrer wackrer Soldat Und durste ihm niemand etwas nachreden. Was die Heere des dreißigjährigen Krieges sehr von den modernen unter¬ scheidet und ihren Einmarsch in eine Landschaft dem Einbruch eines fremd- artigen Völkerstammcs ähnlich machte, war der Umstand, daß der Soldat trotz der kurzen Dienstzeit im Felde seinen eignen Haushalt führte und wie ein Hand- Werksmeister mit Weib und Jungen wirthschaftete, „Nicht nur die höhern Offiziere und Hauptleute nahmen ihre Frauen mit ins Feld, auch der Reiter ") Schwedisches Knegsrecht §. 10S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/147>, abgerufen am 31.05.2024.