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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Künstlerin deutlich unterscheidbaren Stimmregister, vor der Kraft und Ein¬
dringlichkeit der ganzen edeln Erscheinung zurück; im Oratorium, so wie hier
im Samson, machten sie sich natürlich bemerkbarer. -- Der Vortrag der Frau
Köster schien mir vollendet schön zu sein; wenn auch die Stimme die erste
Frische nicht mehr hat, so ist sie doch noch von gutem Klang, und die vor¬
treffliche Gesangbildung läßt den kleinen Mangel vergessen. Tichatscheks Vor¬
züge sind von der Bühne her genügend bekannt und geschätzt, ebenso liegen
auch die Schwächen offen genug zu Tage; beide übertrug er aus den SaM-
scm. Die ersteren kamen besonders in den Scenen "Nacht ists umher", "Groß
ist mein Leiden" und andern, die letzteren dagegen in der Arie "Herrlich r-
öchelnd im Morgenduft" zur deutlichsten Geltung. Die Tüchtigkeit des Herrn
Sabath, namentlich als Kirchensänger, ist ganz unzweifelhaft; er erkennt seine
Hauptaufgabe in völlig objectiver Auffassung und streng musikalisch richtigem
Nortrag seiner Partie. Niemals habe ich ihn eine blos individuelle, von
der natürlichen Wahrheit seiner Rolle abweichende Auffassung in dieselbe hin¬
eintragen gehört, auch nie bemerkt, daß er seine kraftvolle und schöne Stimme,
oder seine virtuosen Kräfte auf Kosten der musikalischen Nichtigkeit jemals gel¬
tend gemacht hätte. Und diese virtuosen Kräfte sind sehr bedeutend; ebenso
gern, wie man sich an seinem getragenen Gesänge erfreut, hört man große
Coloraturparticn von ihm ausgeführt, z. B. die bekannte Arie im Judas
Maccabäus. Bei der Aufführung des Samson machten sich nur einige Ton-
schwankungen in der Arie "Dein Heldenarm war einst mein Lied" bemerklich
-- jedenfalls nur aus momentanen Einflüssen, vielleicht der Temperatur in
der Kirche, entsprungen; denn ein Hauptvorzug dieses Sängers ist, daß das
Gehör nie durch einen unreinen oder unklaren Ton verletzt wird.

Die Chöre gingen gut -- das vorhin über Franz in Betreff der Sing¬
akademie Gesagte findet auch hier seine Anwendung. Hin und wieder konnte
man wol etwas mehr Kraft wünschen; aber die auch in die Kirche dringende
Mittagshitze mag dazu das Ihrige gethan haben, denn bei andern halleschen
Aufführungen ist mir ein Mangel an Kraft und Frische in den Chören keines¬
wegs aufgefallen. Daß die Orgel nicht verwendet werden kann, ist schade,
aber die localen Verhältnisse der Kirche gestatten es nicht; von so großartiger
Wirkung auch stets eine zweckmäßige Benutzung der Orgel sich erweiset,
würde diese doch nicht erreicht werden können, wenn man vielleicht nur ein
kleines Werk aufstellte. Unter solchen Umständen ist es also ganz recht, lieber
völlig darauf zu verzichten. -- Auf das Oratorium selbst näher einzugehen,
wird uns wol einmal eine andre Gelegenheit geboten. --

Ueber den Kunstwerth des Denkmals selbst stünde mir kein festes Urtheil
zu. es bleibe also einem besseren Kenner überlassen; aber die tüchtige Hand¬
lungsweise Heidels vermag ein jeder zu ehren, und sie verdient geehrt zu


Künstlerin deutlich unterscheidbaren Stimmregister, vor der Kraft und Ein¬
dringlichkeit der ganzen edeln Erscheinung zurück; im Oratorium, so wie hier
im Samson, machten sie sich natürlich bemerkbarer. — Der Vortrag der Frau
Köster schien mir vollendet schön zu sein; wenn auch die Stimme die erste
Frische nicht mehr hat, so ist sie doch noch von gutem Klang, und die vor¬
treffliche Gesangbildung läßt den kleinen Mangel vergessen. Tichatscheks Vor¬
züge sind von der Bühne her genügend bekannt und geschätzt, ebenso liegen
auch die Schwächen offen genug zu Tage; beide übertrug er aus den SaM-
scm. Die ersteren kamen besonders in den Scenen „Nacht ists umher", „Groß
ist mein Leiden" und andern, die letzteren dagegen in der Arie „Herrlich r-
öchelnd im Morgenduft" zur deutlichsten Geltung. Die Tüchtigkeit des Herrn
Sabath, namentlich als Kirchensänger, ist ganz unzweifelhaft; er erkennt seine
Hauptaufgabe in völlig objectiver Auffassung und streng musikalisch richtigem
Nortrag seiner Partie. Niemals habe ich ihn eine blos individuelle, von
der natürlichen Wahrheit seiner Rolle abweichende Auffassung in dieselbe hin¬
eintragen gehört, auch nie bemerkt, daß er seine kraftvolle und schöne Stimme,
oder seine virtuosen Kräfte auf Kosten der musikalischen Nichtigkeit jemals gel¬
tend gemacht hätte. Und diese virtuosen Kräfte sind sehr bedeutend; ebenso
gern, wie man sich an seinem getragenen Gesänge erfreut, hört man große
Coloraturparticn von ihm ausgeführt, z. B. die bekannte Arie im Judas
Maccabäus. Bei der Aufführung des Samson machten sich nur einige Ton-
schwankungen in der Arie „Dein Heldenarm war einst mein Lied" bemerklich
— jedenfalls nur aus momentanen Einflüssen, vielleicht der Temperatur in
der Kirche, entsprungen; denn ein Hauptvorzug dieses Sängers ist, daß das
Gehör nie durch einen unreinen oder unklaren Ton verletzt wird.

Die Chöre gingen gut — das vorhin über Franz in Betreff der Sing¬
akademie Gesagte findet auch hier seine Anwendung. Hin und wieder konnte
man wol etwas mehr Kraft wünschen; aber die auch in die Kirche dringende
Mittagshitze mag dazu das Ihrige gethan haben, denn bei andern halleschen
Aufführungen ist mir ein Mangel an Kraft und Frische in den Chören keines¬
wegs aufgefallen. Daß die Orgel nicht verwendet werden kann, ist schade,
aber die localen Verhältnisse der Kirche gestatten es nicht; von so großartiger
Wirkung auch stets eine zweckmäßige Benutzung der Orgel sich erweiset,
würde diese doch nicht erreicht werden können, wenn man vielleicht nur ein
kleines Werk aufstellte. Unter solchen Umständen ist es also ganz recht, lieber
völlig darauf zu verzichten. — Auf das Oratorium selbst näher einzugehen,
wird uns wol einmal eine andre Gelegenheit geboten. —

Ueber den Kunstwerth des Denkmals selbst stünde mir kein festes Urtheil
zu. es bleibe also einem besseren Kenner überlassen; aber die tüchtige Hand¬
lungsweise Heidels vermag ein jeder zu ehren, und sie verdient geehrt zu


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[0170] Künstlerin deutlich unterscheidbaren Stimmregister, vor der Kraft und Ein¬ dringlichkeit der ganzen edeln Erscheinung zurück; im Oratorium, so wie hier im Samson, machten sie sich natürlich bemerkbarer. — Der Vortrag der Frau Köster schien mir vollendet schön zu sein; wenn auch die Stimme die erste Frische nicht mehr hat, so ist sie doch noch von gutem Klang, und die vor¬ treffliche Gesangbildung läßt den kleinen Mangel vergessen. Tichatscheks Vor¬ züge sind von der Bühne her genügend bekannt und geschätzt, ebenso liegen auch die Schwächen offen genug zu Tage; beide übertrug er aus den SaM- scm. Die ersteren kamen besonders in den Scenen „Nacht ists umher", „Groß ist mein Leiden" und andern, die letzteren dagegen in der Arie „Herrlich r- öchelnd im Morgenduft" zur deutlichsten Geltung. Die Tüchtigkeit des Herrn Sabath, namentlich als Kirchensänger, ist ganz unzweifelhaft; er erkennt seine Hauptaufgabe in völlig objectiver Auffassung und streng musikalisch richtigem Nortrag seiner Partie. Niemals habe ich ihn eine blos individuelle, von der natürlichen Wahrheit seiner Rolle abweichende Auffassung in dieselbe hin¬ eintragen gehört, auch nie bemerkt, daß er seine kraftvolle und schöne Stimme, oder seine virtuosen Kräfte auf Kosten der musikalischen Nichtigkeit jemals gel¬ tend gemacht hätte. Und diese virtuosen Kräfte sind sehr bedeutend; ebenso gern, wie man sich an seinem getragenen Gesänge erfreut, hört man große Coloraturparticn von ihm ausgeführt, z. B. die bekannte Arie im Judas Maccabäus. Bei der Aufführung des Samson machten sich nur einige Ton- schwankungen in der Arie „Dein Heldenarm war einst mein Lied" bemerklich — jedenfalls nur aus momentanen Einflüssen, vielleicht der Temperatur in der Kirche, entsprungen; denn ein Hauptvorzug dieses Sängers ist, daß das Gehör nie durch einen unreinen oder unklaren Ton verletzt wird. Die Chöre gingen gut — das vorhin über Franz in Betreff der Sing¬ akademie Gesagte findet auch hier seine Anwendung. Hin und wieder konnte man wol etwas mehr Kraft wünschen; aber die auch in die Kirche dringende Mittagshitze mag dazu das Ihrige gethan haben, denn bei andern halleschen Aufführungen ist mir ein Mangel an Kraft und Frische in den Chören keines¬ wegs aufgefallen. Daß die Orgel nicht verwendet werden kann, ist schade, aber die localen Verhältnisse der Kirche gestatten es nicht; von so großartiger Wirkung auch stets eine zweckmäßige Benutzung der Orgel sich erweiset, würde diese doch nicht erreicht werden können, wenn man vielleicht nur ein kleines Werk aufstellte. Unter solchen Umständen ist es also ganz recht, lieber völlig darauf zu verzichten. — Auf das Oratorium selbst näher einzugehen, wird uns wol einmal eine andre Gelegenheit geboten. — Ueber den Kunstwerth des Denkmals selbst stünde mir kein festes Urtheil zu. es bleibe also einem besseren Kenner überlassen; aber die tüchtige Hand¬ lungsweise Heidels vermag ein jeder zu ehren, und sie verdient geehrt zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/170>, abgerufen am 09.06.2024.