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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Anipruch, nur das gleiche Recht, die freie Bewegung für alle. Worauf sie
ihre Erfolge stützt, ist lediglich der möglichst zweckmäßige Gebrauch der Mittel
und Kräfte ihrer Mitglieder, ein Ziel, welches ebenso sehr dem Einzelwohl
^eher. wie dem Gesammtwohl zu Statten kommt. Nirgend ein Abschluß,
welch" dem Fortschritt die Bahn verlegte, freie Beweglichkeit die erste Be¬
engung. Und schließt man sich so in jeder Beziehung dem Bestehenden an
und läßt den Grundlagen alles Verkehrs, dem Privateigentum und der freien
Eoncurrenz ihr volles Recht widerfahren: so gibt man zugleich die besten Ga¬
rantien staatlicher Ordnung und gewinnt in diesen Organisationen einen Halt
i^gen das verworrene Treiben des Socialismus, besser, als jede polizeiliche
^cwaltmaßregcl ihn zu bieten vermag. Denn die Hauptsache in dieser Hin¬
geht, die man nicht genug hervorheben kann, bleibt immer: daß die Asso¬
ciationen unsere Arbeiterwelt von der unseligen Idee abziehn, die man von
^hr entgegengesetzter Seite geflissentlich zu verbreiten sucht, als könnten sich
^ Leute nicht aus eigner Kraft aushelfen, sondern bedürften durchaus frem¬
de Unterstützung dazu. Daß man durch solche Vorstellungen die Thatkraft
"ud jedes tüchtige Streben lahmt, die Selbstachtung und mit ihr die Sitt¬
lichkeit untergräbt, und die zahlreichste Classe der Bürger methodisch dahin
^lügt, die Werkzeuge gewissermaßen vor der Arbeit wegzuwerfen und die Unter-
^'ßung zu fordern, deren Nothwendigkeit man ihnen so plausibel macht --
'Uge, die in letzter Consequenz zu dem so gefürchteten socialen Staat, der
^hen Republik führen -- sollte sich doch jeder sagen. Im directen Gegcn-
hiermit geht die Association von der Selbstverantwortlichkeit des Einzel-
^u j>n Erwerb, als erster Bedingung aus, und prägt ihren Mitgliedern vor
"item die Regel ein, daß ihnen von der Natur zwar Bedürfnisse, aber zu-
^ich auch Fähigkeiten angeboren sind, und daß der rechte Gebrauch der letz-
^u sie in den Stand setzt, die erstern zu befriedigen, weshalb jeder die Fol-
^u seines Thuns und Lassens hierbei zu tragen. Erfolg und Mißlingen in
^' Regel sich selbst zuzuschreiben habe. In der That beruht auf der Ver-
"utwortlichkeit des Einzelnen für sein Thun und Lassen überhaupt erst die
Möglichkeit der Gesellschaft, und ein Verrücken dieses Schwerpunktes aller ge¬
schäftlichen Beziehungen müßte deren heilloseste Verwirrung zur Folge haben,
sonders in einer Frage, wie die vorliegende, wo es sich zunächst um die
^Ysische Nothdurft des Daseins handelt. Grade hier ist die dunkle Grenz-
'"in, in welche die thierischen Leidenschaften unserer Natur eingreifen, welche,
^UMal von dem Bann des Rechtes und der Sitte gelöst, gierigen Raubthieren
Kleins in die gesriedeten Stätten der Civilisation brechen und die höhern Gü-
^ der Menschheit auf das äußerste gefährden.

S" jhe denn die Association conservativ, weil sie die Selbsthilfe im Er-
ist, auf einem Gebiete, welches rein der Privatthätigkeii vorbehalten


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Anipruch, nur das gleiche Recht, die freie Bewegung für alle. Worauf sie
ihre Erfolge stützt, ist lediglich der möglichst zweckmäßige Gebrauch der Mittel
und Kräfte ihrer Mitglieder, ein Ziel, welches ebenso sehr dem Einzelwohl
^eher. wie dem Gesammtwohl zu Statten kommt. Nirgend ein Abschluß,
welch» dem Fortschritt die Bahn verlegte, freie Beweglichkeit die erste Be¬
engung. Und schließt man sich so in jeder Beziehung dem Bestehenden an
und läßt den Grundlagen alles Verkehrs, dem Privateigentum und der freien
Eoncurrenz ihr volles Recht widerfahren: so gibt man zugleich die besten Ga¬
rantien staatlicher Ordnung und gewinnt in diesen Organisationen einen Halt
i^gen das verworrene Treiben des Socialismus, besser, als jede polizeiliche
^cwaltmaßregcl ihn zu bieten vermag. Denn die Hauptsache in dieser Hin¬
geht, die man nicht genug hervorheben kann, bleibt immer: daß die Asso¬
ciationen unsere Arbeiterwelt von der unseligen Idee abziehn, die man von
^hr entgegengesetzter Seite geflissentlich zu verbreiten sucht, als könnten sich
^ Leute nicht aus eigner Kraft aushelfen, sondern bedürften durchaus frem¬
de Unterstützung dazu. Daß man durch solche Vorstellungen die Thatkraft
"ud jedes tüchtige Streben lahmt, die Selbstachtung und mit ihr die Sitt¬
lichkeit untergräbt, und die zahlreichste Classe der Bürger methodisch dahin
^lügt, die Werkzeuge gewissermaßen vor der Arbeit wegzuwerfen und die Unter-
^'ßung zu fordern, deren Nothwendigkeit man ihnen so plausibel macht —
'Uge, die in letzter Consequenz zu dem so gefürchteten socialen Staat, der
^hen Republik führen — sollte sich doch jeder sagen. Im directen Gegcn-
hiermit geht die Association von der Selbstverantwortlichkeit des Einzel-
^u j>n Erwerb, als erster Bedingung aus, und prägt ihren Mitgliedern vor
"item die Regel ein, daß ihnen von der Natur zwar Bedürfnisse, aber zu-
^ich auch Fähigkeiten angeboren sind, und daß der rechte Gebrauch der letz-
^u sie in den Stand setzt, die erstern zu befriedigen, weshalb jeder die Fol-
^u seines Thuns und Lassens hierbei zu tragen. Erfolg und Mißlingen in
^' Regel sich selbst zuzuschreiben habe. In der That beruht auf der Ver-
"utwortlichkeit des Einzelnen für sein Thun und Lassen überhaupt erst die
Möglichkeit der Gesellschaft, und ein Verrücken dieses Schwerpunktes aller ge¬
schäftlichen Beziehungen müßte deren heilloseste Verwirrung zur Folge haben,
sonders in einer Frage, wie die vorliegende, wo es sich zunächst um die
^Ysische Nothdurft des Daseins handelt. Grade hier ist die dunkle Grenz-
'"in, in welche die thierischen Leidenschaften unserer Natur eingreifen, welche,
^UMal von dem Bann des Rechtes und der Sitte gelöst, gierigen Raubthieren
Kleins in die gesriedeten Stätten der Civilisation brechen und die höhern Gü-
^ der Menschheit auf das äußerste gefährden.

S» jhe denn die Association conservativ, weil sie die Selbsthilfe im Er-
ist, auf einem Gebiete, welches rein der Privatthätigkeii vorbehalten


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[0183] Anipruch, nur das gleiche Recht, die freie Bewegung für alle. Worauf sie ihre Erfolge stützt, ist lediglich der möglichst zweckmäßige Gebrauch der Mittel und Kräfte ihrer Mitglieder, ein Ziel, welches ebenso sehr dem Einzelwohl ^eher. wie dem Gesammtwohl zu Statten kommt. Nirgend ein Abschluß, welch» dem Fortschritt die Bahn verlegte, freie Beweglichkeit die erste Be¬ engung. Und schließt man sich so in jeder Beziehung dem Bestehenden an und läßt den Grundlagen alles Verkehrs, dem Privateigentum und der freien Eoncurrenz ihr volles Recht widerfahren: so gibt man zugleich die besten Ga¬ rantien staatlicher Ordnung und gewinnt in diesen Organisationen einen Halt i^gen das verworrene Treiben des Socialismus, besser, als jede polizeiliche ^cwaltmaßregcl ihn zu bieten vermag. Denn die Hauptsache in dieser Hin¬ geht, die man nicht genug hervorheben kann, bleibt immer: daß die Asso¬ ciationen unsere Arbeiterwelt von der unseligen Idee abziehn, die man von ^hr entgegengesetzter Seite geflissentlich zu verbreiten sucht, als könnten sich ^ Leute nicht aus eigner Kraft aushelfen, sondern bedürften durchaus frem¬ de Unterstützung dazu. Daß man durch solche Vorstellungen die Thatkraft "ud jedes tüchtige Streben lahmt, die Selbstachtung und mit ihr die Sitt¬ lichkeit untergräbt, und die zahlreichste Classe der Bürger methodisch dahin ^lügt, die Werkzeuge gewissermaßen vor der Arbeit wegzuwerfen und die Unter- ^'ßung zu fordern, deren Nothwendigkeit man ihnen so plausibel macht — 'Uge, die in letzter Consequenz zu dem so gefürchteten socialen Staat, der ^hen Republik führen — sollte sich doch jeder sagen. Im directen Gegcn- hiermit geht die Association von der Selbstverantwortlichkeit des Einzel- ^u j>n Erwerb, als erster Bedingung aus, und prägt ihren Mitgliedern vor "item die Regel ein, daß ihnen von der Natur zwar Bedürfnisse, aber zu- ^ich auch Fähigkeiten angeboren sind, und daß der rechte Gebrauch der letz- ^u sie in den Stand setzt, die erstern zu befriedigen, weshalb jeder die Fol- ^u seines Thuns und Lassens hierbei zu tragen. Erfolg und Mißlingen in ^' Regel sich selbst zuzuschreiben habe. In der That beruht auf der Ver- "utwortlichkeit des Einzelnen für sein Thun und Lassen überhaupt erst die Möglichkeit der Gesellschaft, und ein Verrücken dieses Schwerpunktes aller ge¬ schäftlichen Beziehungen müßte deren heilloseste Verwirrung zur Folge haben, sonders in einer Frage, wie die vorliegende, wo es sich zunächst um die ^Ysische Nothdurft des Daseins handelt. Grade hier ist die dunkle Grenz- '"in, in welche die thierischen Leidenschaften unserer Natur eingreifen, welche, ^UMal von dem Bann des Rechtes und der Sitte gelöst, gierigen Raubthieren Kleins in die gesriedeten Stätten der Civilisation brechen und die höhern Gü- ^ der Menschheit auf das äußerste gefährden. S» jhe denn die Association conservativ, weil sie die Selbsthilfe im Er- ist, auf einem Gebiete, welches rein der Privatthätigkeii vorbehalten ^renzboten III. I8ö9. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/183>, abgerufen am 13.05.2024.