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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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dieser Gegend nur 2V- Groschen kostete, und daß sie selbst um die Mitte des
dreißigjährigen Krieges nicht höher als 9 Groschen zu stehen kam. Erst seit
dem zweiten Viertel des vorigen Jahrhunderts begann man die zwickauer
Steinkohlen auch zum Kalkbrennen zu benutzen. Daran, sie zur Heitzung ge°
wohnlicher Oefen zu verwenden, dachte noch kaum jemand.

Außer der Wohlfeilheit des Brennholzes war aber auch noch ein anderer
Umstand, welcher einer lebhaft betriebenen Ausbeutung der zwickauer Kohlen¬
schätze entgegenstand. Der Staat kümmerte sich wenig oder gar nicht um die¬
selben. Als 1520 der Ritter von Planitz und das Kloster Grünhain die erste
"Kohlenordnung" errichteten, beanspruchte der Landesherr nicht einmal das
für alle andern Mineralien geltende Regale, und auch später machte die Re¬
gierung niemals ernstlich Anstalt, ihre etwaigen Rechte zur Geltung zu brin¬
gen. Die Kohlcngräber galten einmal nicht für volle Bergleute, und man
ließ sie thun, was ihnen eben beliebte. Die Besitzer der "Kohlberge" han¬
delten demgemäß ganz so wie es ihnen verständig und nützlich dünkte. Der
Grundsatz, nach dem sie verfuhren, war der aller alten Innungen und Zünfte-
Er hieß! Leben und leben lassen, ein vielleicht sehr christlicher, gewiß sehr
gutmüthiger, vom Geiste der neuern Volkswirthschaft aber mit vollem Recht
als bornirt verworfener Grundsatz. Die Ritter von Planitz als ständig
Obergewerken, die "Köhler" d. h. die Bauern, welche in der Kohlenflnr
Grundbesitz hatten, und die seit 1537 entstandenen zwickauer Gewerkschaften,
die in der Flur von Bockwa Fuß gefaßt, errichteten 1551 eine zweite Kohles
ordnung, durch welche sie den frühern Brauch der "Reihenladung", nach dew
ein Grubmeigner nur dann von seinen Kohlen verkaufte, wenn der im Turnus
vorangehende ein bestimmtes Quantum losgeworden war, zum Gesetz erhoben-
Die Feuerarbeiter der Umgegend, stark durch den Jnnungsverband, ertrotzten
sich um dieselbe Zeit das Recht der "Truhenladung", d. h. ermäßigte Preise
für die zum Betrieb ihres Handwerks erforderlichen Kohlen. Wiederholt rede¬
ten die obersten. Behörden des Landes dem Steinkohlenfreihandel das Wort,
aber nichts desto weniger bestanden die alten Beschränkungen bis in unser Jahr'
hundert ungeschmälert fort.

Erst der neuesten Zeit war es beschieden, hier Wandel zu schaffen. 2^
mehr sich die Wälder lichteten, desto höher stieg der Werth der Steinkohlen-
1609 kostete das Fuder davon 44 gute Groschen (I Thaler 25 Neugrosche")
1822 bezahlte man 6 Thaler dafür. In demselben Maße steigerte sich
türlich die Förderung der Kohlenschachte. 1770 betrug sie gegen 36.000,
Jahre 1820 dagegen schon 65.000 Scheffel. Neue Schachte wurden erschlossen-
Die Wiedereröffnung lange Zeit unbenutzt gebliebner Gruben bei Reinsdon
wurde endlich Veranlassung, daß jene mittelalterlichen, den frischen Aufschwung
hemmenden Betriebsschranken wegfielen. Man wollte die reinsdorfer Gewer-


dieser Gegend nur 2V- Groschen kostete, und daß sie selbst um die Mitte des
dreißigjährigen Krieges nicht höher als 9 Groschen zu stehen kam. Erst seit
dem zweiten Viertel des vorigen Jahrhunderts begann man die zwickauer
Steinkohlen auch zum Kalkbrennen zu benutzen. Daran, sie zur Heitzung ge°
wohnlicher Oefen zu verwenden, dachte noch kaum jemand.

Außer der Wohlfeilheit des Brennholzes war aber auch noch ein anderer
Umstand, welcher einer lebhaft betriebenen Ausbeutung der zwickauer Kohlen¬
schätze entgegenstand. Der Staat kümmerte sich wenig oder gar nicht um die¬
selben. Als 1520 der Ritter von Planitz und das Kloster Grünhain die erste
„Kohlenordnung" errichteten, beanspruchte der Landesherr nicht einmal das
für alle andern Mineralien geltende Regale, und auch später machte die Re¬
gierung niemals ernstlich Anstalt, ihre etwaigen Rechte zur Geltung zu brin¬
gen. Die Kohlcngräber galten einmal nicht für volle Bergleute, und man
ließ sie thun, was ihnen eben beliebte. Die Besitzer der „Kohlberge" han¬
delten demgemäß ganz so wie es ihnen verständig und nützlich dünkte. Der
Grundsatz, nach dem sie verfuhren, war der aller alten Innungen und Zünfte-
Er hieß! Leben und leben lassen, ein vielleicht sehr christlicher, gewiß sehr
gutmüthiger, vom Geiste der neuern Volkswirthschaft aber mit vollem Recht
als bornirt verworfener Grundsatz. Die Ritter von Planitz als ständig
Obergewerken, die „Köhler" d. h. die Bauern, welche in der Kohlenflnr
Grundbesitz hatten, und die seit 1537 entstandenen zwickauer Gewerkschaften,
die in der Flur von Bockwa Fuß gefaßt, errichteten 1551 eine zweite Kohles
ordnung, durch welche sie den frühern Brauch der „Reihenladung", nach dew
ein Grubmeigner nur dann von seinen Kohlen verkaufte, wenn der im Turnus
vorangehende ein bestimmtes Quantum losgeworden war, zum Gesetz erhoben-
Die Feuerarbeiter der Umgegend, stark durch den Jnnungsverband, ertrotzten
sich um dieselbe Zeit das Recht der „Truhenladung", d. h. ermäßigte Preise
für die zum Betrieb ihres Handwerks erforderlichen Kohlen. Wiederholt rede¬
ten die obersten. Behörden des Landes dem Steinkohlenfreihandel das Wort,
aber nichts desto weniger bestanden die alten Beschränkungen bis in unser Jahr'
hundert ungeschmälert fort.

Erst der neuesten Zeit war es beschieden, hier Wandel zu schaffen. 2^
mehr sich die Wälder lichteten, desto höher stieg der Werth der Steinkohlen-
1609 kostete das Fuder davon 44 gute Groschen (I Thaler 25 Neugrosche")
1822 bezahlte man 6 Thaler dafür. In demselben Maße steigerte sich
türlich die Förderung der Kohlenschachte. 1770 betrug sie gegen 36.000,
Jahre 1820 dagegen schon 65.000 Scheffel. Neue Schachte wurden erschlossen-
Die Wiedereröffnung lange Zeit unbenutzt gebliebner Gruben bei Reinsdon
wurde endlich Veranlassung, daß jene mittelalterlichen, den frischen Aufschwung
hemmenden Betriebsschranken wegfielen. Man wollte die reinsdorfer Gewer-


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[0194] dieser Gegend nur 2V- Groschen kostete, und daß sie selbst um die Mitte des dreißigjährigen Krieges nicht höher als 9 Groschen zu stehen kam. Erst seit dem zweiten Viertel des vorigen Jahrhunderts begann man die zwickauer Steinkohlen auch zum Kalkbrennen zu benutzen. Daran, sie zur Heitzung ge° wohnlicher Oefen zu verwenden, dachte noch kaum jemand. Außer der Wohlfeilheit des Brennholzes war aber auch noch ein anderer Umstand, welcher einer lebhaft betriebenen Ausbeutung der zwickauer Kohlen¬ schätze entgegenstand. Der Staat kümmerte sich wenig oder gar nicht um die¬ selben. Als 1520 der Ritter von Planitz und das Kloster Grünhain die erste „Kohlenordnung" errichteten, beanspruchte der Landesherr nicht einmal das für alle andern Mineralien geltende Regale, und auch später machte die Re¬ gierung niemals ernstlich Anstalt, ihre etwaigen Rechte zur Geltung zu brin¬ gen. Die Kohlcngräber galten einmal nicht für volle Bergleute, und man ließ sie thun, was ihnen eben beliebte. Die Besitzer der „Kohlberge" han¬ delten demgemäß ganz so wie es ihnen verständig und nützlich dünkte. Der Grundsatz, nach dem sie verfuhren, war der aller alten Innungen und Zünfte- Er hieß! Leben und leben lassen, ein vielleicht sehr christlicher, gewiß sehr gutmüthiger, vom Geiste der neuern Volkswirthschaft aber mit vollem Recht als bornirt verworfener Grundsatz. Die Ritter von Planitz als ständig Obergewerken, die „Köhler" d. h. die Bauern, welche in der Kohlenflnr Grundbesitz hatten, und die seit 1537 entstandenen zwickauer Gewerkschaften, die in der Flur von Bockwa Fuß gefaßt, errichteten 1551 eine zweite Kohles ordnung, durch welche sie den frühern Brauch der „Reihenladung", nach dew ein Grubmeigner nur dann von seinen Kohlen verkaufte, wenn der im Turnus vorangehende ein bestimmtes Quantum losgeworden war, zum Gesetz erhoben- Die Feuerarbeiter der Umgegend, stark durch den Jnnungsverband, ertrotzten sich um dieselbe Zeit das Recht der „Truhenladung", d. h. ermäßigte Preise für die zum Betrieb ihres Handwerks erforderlichen Kohlen. Wiederholt rede¬ ten die obersten. Behörden des Landes dem Steinkohlenfreihandel das Wort, aber nichts desto weniger bestanden die alten Beschränkungen bis in unser Jahr' hundert ungeschmälert fort. Erst der neuesten Zeit war es beschieden, hier Wandel zu schaffen. 2^ mehr sich die Wälder lichteten, desto höher stieg der Werth der Steinkohlen- 1609 kostete das Fuder davon 44 gute Groschen (I Thaler 25 Neugrosche") 1822 bezahlte man 6 Thaler dafür. In demselben Maße steigerte sich türlich die Förderung der Kohlenschachte. 1770 betrug sie gegen 36.000, Jahre 1820 dagegen schon 65.000 Scheffel. Neue Schachte wurden erschlossen- Die Wiedereröffnung lange Zeit unbenutzt gebliebner Gruben bei Reinsdon wurde endlich Veranlassung, daß jene mittelalterlichen, den frischen Aufschwung hemmenden Betriebsschranken wegfielen. Man wollte die reinsdorfer Gewer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/194>, abgerufen am 31.05.2024.