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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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und dessen Gefolge ein neues Element an Bord. Der Pascha, ein alter Herr
mit martialischen Zügen, nahm seinen Platz in der ersten Kajüte, indeß ohne
mit uns weintrinkenden und schweinefleischverspcisenden Giaurs zu essen. Seine
Leute, großentheils Offiziere, lagerten sich, obwol sür sie die zweite Kajüte
bezahlt war, zum sichtlichen Verdruß unserer beiden Patenttürken, ohne Aus¬
nahme auf das Verdeck, wo sonst nur das ärmste und niedrigste Volk schläft-
Sie mußten indeß am besten wissen, wohin sie gehörten, und bei einem Blick
auf ihre Toilette und Lebensweise konnten die bisherigen Insassen der g"
nannten Kajüte sich zu dieser Wahl der Schlafstelle nur Glück wünschen. Ihre
Uniformen waren von europäischem Schnitt, und es fehlte daran nicht an
Borten- und Streisenbesatz. Aber keiner hatte heile Schuhe aufzuweisen. Bei
mehren blickten die nackten Zehen zwischen Sohle und Oberleder durch, bei
andern schauten blaue Baumwollenstrümpfe heraus. Keine Hose war ohne
Flecke und Flicken, kein Rock, an dem nicht die Räthe gähnten, die Knöpfe
zum Theil abgesprungen waren. Einige trugen silberne Fingerringe, einige
goldne Uhren, alle schwarzscidne Halstücher, keiner aber ein reines, der eine
und der andere überhaupt gar kein Hemd darunter. Ihre Nahrung schien
nur in Käse, Brod und rohem Salat zu bestehen, Victualien, die sie in bäum-
wollne Schnupftücher geknüpft mitbrachten. Ihre Säbelscheiden und Sporen
waren mit Rost bedeckt, als ob sie eben auf dem Trödel gekauft wären.

Eine Besserung des Wetters glich diese Verschlechterung der Gesellschaft
einigermaßen aus. Man hatte sich am nächsten Morgen beim Spaziergang
auf dem Verdeck in Acht zu nehmen, daß man nicht die dritte Plage Aegup-
tens auf die Haut bekam, und um die Lagerstätten der Herren Türken roch
man ein starkes Knoblauchsparfüm. Aber wie schön ließ die Sonne Griechen¬
lands, die jetzt die Wolken durchbrochen, die Berge Arkadiens erscheinen, und
wie majestätisch blickte einige Stunden später der siebengipfelige Taigetus, zu
einem Drittel seiner Höhe noch mit Schnee bedeckt, unten graudunstig, auf
die lichtblaue Bucht von Messenien herab! Gegen Abend indeß behauptete der
April sein Recht auf wetterwendisches Gebühren. Wir sahen die Wolken sich
wieder sammeln, und es erhob sich ein Wind, der, als wir Kap Angelo pas-
sirten, zum Sturm wurde. Die Mehrzahl der Passagiere bekam die See-
krankheit, der Held der wiener Revolution sprach von nichts mehr, als von
der Möglichkeit, Salzwasser schlucken zu müssen, und das Schiff wurde in der
That arg herumgeworfen, so daß auch ich nicht unzufrieden war, als ich,
inzwischen schlafen gegangen, endlich ander nachlassenden Bewegung von rechts
nach links, die mich mehrmals beinahe aus dem Bett geworfen, inne wurde,
daß wir in den Hafen von Syra einliefen.

Früh lagen wir vor den gelben Häusern von Hermop vus. Im Lauf
des Vormittags ließ ich mich nach dem eleganten Dampfer Archidnca MaW-


und dessen Gefolge ein neues Element an Bord. Der Pascha, ein alter Herr
mit martialischen Zügen, nahm seinen Platz in der ersten Kajüte, indeß ohne
mit uns weintrinkenden und schweinefleischverspcisenden Giaurs zu essen. Seine
Leute, großentheils Offiziere, lagerten sich, obwol sür sie die zweite Kajüte
bezahlt war, zum sichtlichen Verdruß unserer beiden Patenttürken, ohne Aus¬
nahme auf das Verdeck, wo sonst nur das ärmste und niedrigste Volk schläft-
Sie mußten indeß am besten wissen, wohin sie gehörten, und bei einem Blick
auf ihre Toilette und Lebensweise konnten die bisherigen Insassen der g»
nannten Kajüte sich zu dieser Wahl der Schlafstelle nur Glück wünschen. Ihre
Uniformen waren von europäischem Schnitt, und es fehlte daran nicht an
Borten- und Streisenbesatz. Aber keiner hatte heile Schuhe aufzuweisen. Bei
mehren blickten die nackten Zehen zwischen Sohle und Oberleder durch, bei
andern schauten blaue Baumwollenstrümpfe heraus. Keine Hose war ohne
Flecke und Flicken, kein Rock, an dem nicht die Räthe gähnten, die Knöpfe
zum Theil abgesprungen waren. Einige trugen silberne Fingerringe, einige
goldne Uhren, alle schwarzscidne Halstücher, keiner aber ein reines, der eine
und der andere überhaupt gar kein Hemd darunter. Ihre Nahrung schien
nur in Käse, Brod und rohem Salat zu bestehen, Victualien, die sie in bäum-
wollne Schnupftücher geknüpft mitbrachten. Ihre Säbelscheiden und Sporen
waren mit Rost bedeckt, als ob sie eben auf dem Trödel gekauft wären.

Eine Besserung des Wetters glich diese Verschlechterung der Gesellschaft
einigermaßen aus. Man hatte sich am nächsten Morgen beim Spaziergang
auf dem Verdeck in Acht zu nehmen, daß man nicht die dritte Plage Aegup-
tens auf die Haut bekam, und um die Lagerstätten der Herren Türken roch
man ein starkes Knoblauchsparfüm. Aber wie schön ließ die Sonne Griechen¬
lands, die jetzt die Wolken durchbrochen, die Berge Arkadiens erscheinen, und
wie majestätisch blickte einige Stunden später der siebengipfelige Taigetus, zu
einem Drittel seiner Höhe noch mit Schnee bedeckt, unten graudunstig, auf
die lichtblaue Bucht von Messenien herab! Gegen Abend indeß behauptete der
April sein Recht auf wetterwendisches Gebühren. Wir sahen die Wolken sich
wieder sammeln, und es erhob sich ein Wind, der, als wir Kap Angelo pas-
sirten, zum Sturm wurde. Die Mehrzahl der Passagiere bekam die See-
krankheit, der Held der wiener Revolution sprach von nichts mehr, als von
der Möglichkeit, Salzwasser schlucken zu müssen, und das Schiff wurde in der
That arg herumgeworfen, so daß auch ich nicht unzufrieden war, als ich,
inzwischen schlafen gegangen, endlich ander nachlassenden Bewegung von rechts
nach links, die mich mehrmals beinahe aus dem Bett geworfen, inne wurde,
daß wir in den Hafen von Syra einliefen.

Früh lagen wir vor den gelben Häusern von Hermop vus. Im Lauf
des Vormittags ließ ich mich nach dem eleganten Dampfer Archidnca MaW-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/218>, abgerufen am 29.05.2024.