Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von Bildung auf seine Stube, seine Bücher und etwaige Ausflüge in die
schöne Umgebung beschränkt.

Am 16. begaben wir uns auf den Lloyddampfcr Jmperatrice, um zu¬
nächst nach Alerandrien und von dort nach Jaffa zu fahren. Die Seeleute
erwarteten abermals Sturm, und in dtzn ersten Stunden der Fahrt schienen sich
ihre Prophezeihungen bestätigen zu wollen. Nachdem wir aber die Meerenge
zwischen Chios und dem asiatischen Festland verlassen, klärte sich der Himmel
auf, und wir erfreuten uns fortan des ruhigsten, heitersten Wetters. Bald hatten
wir Samos und Nikaria, bald auch in dem vielgczackten Palaos die
letzte Insel des Archipelagos hinter uns, und schon am 19. früh wurde die
Küste Aegyptens sichtbar. In der Zwischenzeit sahen wir nur Himmel und
Wasser.

Die Gesellschaft in der ersten Kajüte bestand jetzt außer den Schiffsosfi-
zieren, dem Generalconsul, seiner Familie und mir, nur aus einem türkischen
Oberarzt, der nach Alexandrien ging, um die obenerwähnte Quarantünefrage
zu untersuchen, und einem griechischen Kaufmann, der sich nach Marseille begab.
Interessanter war ein aus vier jungen Damen bestehendes Harem, welches ein
Gemach neben der Treppe innehatte. Man soll nicht nach den türkischen
Frauen sehen, man thuts aber doch, und da die hier in Rede stehenden nichts
dagegen hatten, so sah ich sie trotz der Wachsamkeit ihres Begleiters mehrmals
unverschleiert. Indeß lohnte sich die Mühe nicht sehr. Es waren kleine, sehr
volle Geschöpfe mit großen, schöngeschnittenen, aber ziemlich einfältig blicken¬
den Augen und einer eignen wächsernen Gesichtsfarbe. Sie kamen die ganze
Zeit nicht aus ihrer Kammer und schienen ihre Tage mit nichts als Tschibbuk-
rauchen und Confectessen zu verbringen.

Noch mehr Unterhaltung gewährte das Stück Orient, welches sich auf das
Kajütendach gelagert hatte. Die Lloydschiffc. welche die Küsten Kleinasiens
und Syriens befahren, haben für diese Passagiere eine besondere Einrichtung.
Die eine Hälfte des Hinterdecks wird durch eine Schranke von der andern,
die zum Spaziergang der übrigen Reisenden bestimmt ist, abgesperrt, und durch
ein darüber gespanntes Segel in ein niedriges Zelt verwandelt, welches durch
eine andere Schranke in eine Abtheilung für Männer und eine für Franc"
getrennt ist. Hier sahen wir nun so ziemlich alle Trachten und Physiogno'
mien des westlichen Morgenlandes: Türkinnen mit dem weißen Kopfschleier, der
in der Form Aehnlichkeit mit einem halbgeschlossenen Ritterhelm hat, mit he^'
farbigen Mänteln und gelben Lederstrümpfen, Negerinnen in weißen oder feuer'
rothen Ueberwürfen, Syrer mit unförmlich großen Turbanen und kamcelhäre-
nen buntgestickter Regenmänteln, Pilger aus Rumelien in lichtbraunen Jacken
und weiten Kniehosen, Anmuten, Griechen und Armenier, Kurden und Pers^
in spitzen Lammfellmützen. Seltsam nahm sich neben der phantastischen Pr"^


von Bildung auf seine Stube, seine Bücher und etwaige Ausflüge in die
schöne Umgebung beschränkt.

Am 16. begaben wir uns auf den Lloyddampfcr Jmperatrice, um zu¬
nächst nach Alerandrien und von dort nach Jaffa zu fahren. Die Seeleute
erwarteten abermals Sturm, und in dtzn ersten Stunden der Fahrt schienen sich
ihre Prophezeihungen bestätigen zu wollen. Nachdem wir aber die Meerenge
zwischen Chios und dem asiatischen Festland verlassen, klärte sich der Himmel
auf, und wir erfreuten uns fortan des ruhigsten, heitersten Wetters. Bald hatten
wir Samos und Nikaria, bald auch in dem vielgczackten Palaos die
letzte Insel des Archipelagos hinter uns, und schon am 19. früh wurde die
Küste Aegyptens sichtbar. In der Zwischenzeit sahen wir nur Himmel und
Wasser.

Die Gesellschaft in der ersten Kajüte bestand jetzt außer den Schiffsosfi-
zieren, dem Generalconsul, seiner Familie und mir, nur aus einem türkischen
Oberarzt, der nach Alexandrien ging, um die obenerwähnte Quarantünefrage
zu untersuchen, und einem griechischen Kaufmann, der sich nach Marseille begab.
Interessanter war ein aus vier jungen Damen bestehendes Harem, welches ein
Gemach neben der Treppe innehatte. Man soll nicht nach den türkischen
Frauen sehen, man thuts aber doch, und da die hier in Rede stehenden nichts
dagegen hatten, so sah ich sie trotz der Wachsamkeit ihres Begleiters mehrmals
unverschleiert. Indeß lohnte sich die Mühe nicht sehr. Es waren kleine, sehr
volle Geschöpfe mit großen, schöngeschnittenen, aber ziemlich einfältig blicken¬
den Augen und einer eignen wächsernen Gesichtsfarbe. Sie kamen die ganze
Zeit nicht aus ihrer Kammer und schienen ihre Tage mit nichts als Tschibbuk-
rauchen und Confectessen zu verbringen.

Noch mehr Unterhaltung gewährte das Stück Orient, welches sich auf das
Kajütendach gelagert hatte. Die Lloydschiffc. welche die Küsten Kleinasiens
und Syriens befahren, haben für diese Passagiere eine besondere Einrichtung.
Die eine Hälfte des Hinterdecks wird durch eine Schranke von der andern,
die zum Spaziergang der übrigen Reisenden bestimmt ist, abgesperrt, und durch
ein darüber gespanntes Segel in ein niedriges Zelt verwandelt, welches durch
eine andere Schranke in eine Abtheilung für Männer und eine für Franc»
getrennt ist. Hier sahen wir nun so ziemlich alle Trachten und Physiogno'
mien des westlichen Morgenlandes: Türkinnen mit dem weißen Kopfschleier, der
in der Form Aehnlichkeit mit einem halbgeschlossenen Ritterhelm hat, mit he^'
farbigen Mänteln und gelben Lederstrümpfen, Negerinnen in weißen oder feuer'
rothen Ueberwürfen, Syrer mit unförmlich großen Turbanen und kamcelhäre-
nen buntgestickter Regenmänteln, Pilger aus Rumelien in lichtbraunen Jacken
und weiten Kniehosen, Anmuten, Griechen und Armenier, Kurden und Pers^
in spitzen Lammfellmützen. Seltsam nahm sich neben der phantastischen Pr«^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107810"/>
            <p xml:id="ID_704" prev="#ID_703"> von Bildung auf seine Stube, seine Bücher und etwaige Ausflüge in die<lb/>
schöne Umgebung beschränkt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_705"> Am 16. begaben wir uns auf den Lloyddampfcr Jmperatrice, um zu¬<lb/>
nächst nach Alerandrien und von dort nach Jaffa zu fahren. Die Seeleute<lb/>
erwarteten abermals Sturm, und in dtzn ersten Stunden der Fahrt schienen sich<lb/>
ihre Prophezeihungen bestätigen zu wollen. Nachdem wir aber die Meerenge<lb/>
zwischen Chios und dem asiatischen Festland verlassen, klärte sich der Himmel<lb/>
auf, und wir erfreuten uns fortan des ruhigsten, heitersten Wetters. Bald hatten<lb/>
wir Samos und Nikaria, bald auch in dem vielgczackten Palaos die<lb/>
letzte Insel des Archipelagos hinter uns, und schon am 19. früh wurde die<lb/>
Küste Aegyptens sichtbar. In der Zwischenzeit sahen wir nur Himmel und<lb/>
Wasser.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_706"> Die Gesellschaft in der ersten Kajüte bestand jetzt außer den Schiffsosfi-<lb/>
zieren, dem Generalconsul, seiner Familie und mir, nur aus einem türkischen<lb/>
Oberarzt, der nach Alexandrien ging, um die obenerwähnte Quarantünefrage<lb/>
zu untersuchen, und einem griechischen Kaufmann, der sich nach Marseille begab.<lb/>
Interessanter war ein aus vier jungen Damen bestehendes Harem, welches ein<lb/>
Gemach neben der Treppe innehatte. Man soll nicht nach den türkischen<lb/>
Frauen sehen, man thuts aber doch, und da die hier in Rede stehenden nichts<lb/>
dagegen hatten, so sah ich sie trotz der Wachsamkeit ihres Begleiters mehrmals<lb/>
unverschleiert. Indeß lohnte sich die Mühe nicht sehr. Es waren kleine, sehr<lb/>
volle Geschöpfe mit großen, schöngeschnittenen, aber ziemlich einfältig blicken¬<lb/>
den Augen und einer eignen wächsernen Gesichtsfarbe. Sie kamen die ganze<lb/>
Zeit nicht aus ihrer Kammer und schienen ihre Tage mit nichts als Tschibbuk-<lb/>
rauchen und Confectessen zu verbringen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_707" next="#ID_708"> Noch mehr Unterhaltung gewährte das Stück Orient, welches sich auf das<lb/>
Kajütendach gelagert hatte. Die Lloydschiffc. welche die Küsten Kleinasiens<lb/>
und Syriens befahren, haben für diese Passagiere eine besondere Einrichtung.<lb/>
Die eine Hälfte des Hinterdecks wird durch eine Schranke von der andern,<lb/>
die zum Spaziergang der übrigen Reisenden bestimmt ist, abgesperrt, und durch<lb/>
ein darüber gespanntes Segel in ein niedriges Zelt verwandelt, welches durch<lb/>
eine andere Schranke in eine Abtheilung für Männer und eine für Franc»<lb/>
getrennt ist. Hier sahen wir nun so ziemlich alle Trachten und Physiogno'<lb/>
mien des westlichen Morgenlandes: Türkinnen mit dem weißen Kopfschleier, der<lb/>
in der Form Aehnlichkeit mit einem halbgeschlossenen Ritterhelm hat, mit he^'<lb/>
farbigen Mänteln und gelben Lederstrümpfen, Negerinnen in weißen oder feuer'<lb/>
rothen Ueberwürfen, Syrer mit unförmlich großen Turbanen und kamcelhäre-<lb/>
nen buntgestickter Regenmänteln, Pilger aus Rumelien in lichtbraunen Jacken<lb/>
und weiten Kniehosen, Anmuten, Griechen und Armenier, Kurden und Pers^<lb/>
in spitzen Lammfellmützen. Seltsam nahm sich neben der phantastischen Pr«^</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0224] von Bildung auf seine Stube, seine Bücher und etwaige Ausflüge in die schöne Umgebung beschränkt. Am 16. begaben wir uns auf den Lloyddampfcr Jmperatrice, um zu¬ nächst nach Alerandrien und von dort nach Jaffa zu fahren. Die Seeleute erwarteten abermals Sturm, und in dtzn ersten Stunden der Fahrt schienen sich ihre Prophezeihungen bestätigen zu wollen. Nachdem wir aber die Meerenge zwischen Chios und dem asiatischen Festland verlassen, klärte sich der Himmel auf, und wir erfreuten uns fortan des ruhigsten, heitersten Wetters. Bald hatten wir Samos und Nikaria, bald auch in dem vielgczackten Palaos die letzte Insel des Archipelagos hinter uns, und schon am 19. früh wurde die Küste Aegyptens sichtbar. In der Zwischenzeit sahen wir nur Himmel und Wasser. Die Gesellschaft in der ersten Kajüte bestand jetzt außer den Schiffsosfi- zieren, dem Generalconsul, seiner Familie und mir, nur aus einem türkischen Oberarzt, der nach Alexandrien ging, um die obenerwähnte Quarantünefrage zu untersuchen, und einem griechischen Kaufmann, der sich nach Marseille begab. Interessanter war ein aus vier jungen Damen bestehendes Harem, welches ein Gemach neben der Treppe innehatte. Man soll nicht nach den türkischen Frauen sehen, man thuts aber doch, und da die hier in Rede stehenden nichts dagegen hatten, so sah ich sie trotz der Wachsamkeit ihres Begleiters mehrmals unverschleiert. Indeß lohnte sich die Mühe nicht sehr. Es waren kleine, sehr volle Geschöpfe mit großen, schöngeschnittenen, aber ziemlich einfältig blicken¬ den Augen und einer eignen wächsernen Gesichtsfarbe. Sie kamen die ganze Zeit nicht aus ihrer Kammer und schienen ihre Tage mit nichts als Tschibbuk- rauchen und Confectessen zu verbringen. Noch mehr Unterhaltung gewährte das Stück Orient, welches sich auf das Kajütendach gelagert hatte. Die Lloydschiffc. welche die Küsten Kleinasiens und Syriens befahren, haben für diese Passagiere eine besondere Einrichtung. Die eine Hälfte des Hinterdecks wird durch eine Schranke von der andern, die zum Spaziergang der übrigen Reisenden bestimmt ist, abgesperrt, und durch ein darüber gespanntes Segel in ein niedriges Zelt verwandelt, welches durch eine andere Schranke in eine Abtheilung für Männer und eine für Franc» getrennt ist. Hier sahen wir nun so ziemlich alle Trachten und Physiogno' mien des westlichen Morgenlandes: Türkinnen mit dem weißen Kopfschleier, der in der Form Aehnlichkeit mit einem halbgeschlossenen Ritterhelm hat, mit he^' farbigen Mänteln und gelben Lederstrümpfen, Negerinnen in weißen oder feuer' rothen Ueberwürfen, Syrer mit unförmlich großen Turbanen und kamcelhäre- nen buntgestickter Regenmänteln, Pilger aus Rumelien in lichtbraunen Jacken und weiten Kniehosen, Anmuten, Griechen und Armenier, Kurden und Pers^ in spitzen Lammfellmützen. Seltsam nahm sich neben der phantastischen Pr«^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/224
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/224>, abgerufen am 29.05.2024.