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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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der profan durch die Unwissenheit der Menschen! Auf einem uns erhaltene"
Diptychon ist der obere decorative Theil die treue Copie einer uns gleichfalls
aufbewahrten antiken Arbeit und von dem bekannten Diptychon des Tutilo,
eines kunstgeübten Mönches zu Se. Gallen, sagt Forster bei Beurtheilung der
Arbeit: "die Mittel der Darstellung sind von der allgemeinen Bezeichnung bis
zur besondersten Form der antik-heidnischen Kunst entlehnt." Auf Verständ-
niß konnte der Verfertiger, wie die aus Nigellus und andern Schriftstellern
dieser Zeit beigebrachten Thatsachen bekunden, rechnen.

Eine höchst wichtige Quelle für die Kunstübung waren die antiken Gem¬
men. Die Schönheit der Arbeit, die Kostbarkeit des Materials, die Leicht^
keit des Erwerbes und des Transportes führten diese kleinen Kunstwerke >"
Massen nach dem Abendlande. Als Schmuck an Kirchengeräthen und Bücher
einbauten werden sie erwähnt und sind uns als solcher noch in genügender
Anzahl erhalten. Als Siegel drückten sie die Karolinger unter ihre Urkunden.
So erscheint ein Jupiter Serapis unter einem Schriftstück Karl des Großen
und ein bekränzter Silen unter einer Urkunde Pipins und zwar letzterer durch
eine Kamee hervorgebracht und darum vertieft eingedrückt. Einen sehr hat>^
nen jugendlichen Hercules bemerkte ich unter einer Karolingischen Urkunde im
Archiv zu München. Noch bei weitem häufiger sind auf diesen Siegeln an¬
tike Porträtköpfe. Bei einigen der letzteren kann man zweifelhaft sein, ^
man es mit schlechten Arbeiten aus der letzten Kaiserzeit, oder mit schlechte"
Nachbildungen aus der der Karolinger zu thun hat.

Der Einfluß der antiken Vorbilder auf die selbstgearbeiteten Siegel der
Karolinger ist unverkennbar; er verräth sich in der ovalen Form derselben im
Gegensatz zu der plumpen Nundung der Merovingischen und NachkarolingiM"'
Ferner in ihrer Zierlichkeit und Kleinheit tritt er zu Tage. Während die Mero¬
vingischen meist nur Köpfe und die spätern Siegel nur ganze und zwar sitzende
Figuren enthalten, haben die Karolingischen Kaisersiegel Brustbilder. Endlich
achte man auf die volleren Gesichts- und Körperformen und die ProMr-
stcllungen im Gegensatz zu der früher und später üblichen Darstellung en Fa^'
Das Beiwerk an diesen Siegeln sogar ist antiker Abkunft: das auf der
Schulter durch einen Haft zusammengehaltene faltenreiche Gewand, der Lor¬
beerkranz, das Diadem, die Zackenkrone und andere Nebensachen, die wenig¬
stens nicht in derselben Ausdehnung bei den Merovingern und den spater"
Kaisern vorkommen.

Ueber einige Elfenbeinarbeiter mit antikisirenden Darstellungen sind die
Forscher in Hinsicht auf ihre Entstehungszeit bis jetzt noch nicht ganz einig!
vorzüglich gilt dies von einem zu Cranenburg befindlichen Kästchen mit Elfe"'
b"inplatten und agonistischen Darstellungen und einem diesem ähnlichen S"
Xanten. Einer unserer gewiegtesten Forscher, Ferd. v. Quast, glaubt da""


der profan durch die Unwissenheit der Menschen! Auf einem uns erhaltene"
Diptychon ist der obere decorative Theil die treue Copie einer uns gleichfalls
aufbewahrten antiken Arbeit und von dem bekannten Diptychon des Tutilo,
eines kunstgeübten Mönches zu Se. Gallen, sagt Forster bei Beurtheilung der
Arbeit: „die Mittel der Darstellung sind von der allgemeinen Bezeichnung bis
zur besondersten Form der antik-heidnischen Kunst entlehnt." Auf Verständ-
niß konnte der Verfertiger, wie die aus Nigellus und andern Schriftstellern
dieser Zeit beigebrachten Thatsachen bekunden, rechnen.

Eine höchst wichtige Quelle für die Kunstübung waren die antiken Gem¬
men. Die Schönheit der Arbeit, die Kostbarkeit des Materials, die Leicht^
keit des Erwerbes und des Transportes führten diese kleinen Kunstwerke >"
Massen nach dem Abendlande. Als Schmuck an Kirchengeräthen und Bücher
einbauten werden sie erwähnt und sind uns als solcher noch in genügender
Anzahl erhalten. Als Siegel drückten sie die Karolinger unter ihre Urkunden.
So erscheint ein Jupiter Serapis unter einem Schriftstück Karl des Großen
und ein bekränzter Silen unter einer Urkunde Pipins und zwar letzterer durch
eine Kamee hervorgebracht und darum vertieft eingedrückt. Einen sehr hat>^
nen jugendlichen Hercules bemerkte ich unter einer Karolingischen Urkunde im
Archiv zu München. Noch bei weitem häufiger sind auf diesen Siegeln an¬
tike Porträtköpfe. Bei einigen der letzteren kann man zweifelhaft sein, ^
man es mit schlechten Arbeiten aus der letzten Kaiserzeit, oder mit schlechte"
Nachbildungen aus der der Karolinger zu thun hat.

Der Einfluß der antiken Vorbilder auf die selbstgearbeiteten Siegel der
Karolinger ist unverkennbar; er verräth sich in der ovalen Form derselben im
Gegensatz zu der plumpen Nundung der Merovingischen und NachkarolingiM"'
Ferner in ihrer Zierlichkeit und Kleinheit tritt er zu Tage. Während die Mero¬
vingischen meist nur Köpfe und die spätern Siegel nur ganze und zwar sitzende
Figuren enthalten, haben die Karolingischen Kaisersiegel Brustbilder. Endlich
achte man auf die volleren Gesichts- und Körperformen und die ProMr-
stcllungen im Gegensatz zu der früher und später üblichen Darstellung en Fa^'
Das Beiwerk an diesen Siegeln sogar ist antiker Abkunft: das auf der
Schulter durch einen Haft zusammengehaltene faltenreiche Gewand, der Lor¬
beerkranz, das Diadem, die Zackenkrone und andere Nebensachen, die wenig¬
stens nicht in derselben Ausdehnung bei den Merovingern und den spater"
Kaisern vorkommen.

Ueber einige Elfenbeinarbeiter mit antikisirenden Darstellungen sind die
Forscher in Hinsicht auf ihre Entstehungszeit bis jetzt noch nicht ganz einig!
vorzüglich gilt dies von einem zu Cranenburg befindlichen Kästchen mit Elfe"'
b«inplatten und agonistischen Darstellungen und einem diesem ähnlichen S"
Xanten. Einer unserer gewiegtesten Forscher, Ferd. v. Quast, glaubt da«"


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[0318] der profan durch die Unwissenheit der Menschen! Auf einem uns erhaltene" Diptychon ist der obere decorative Theil die treue Copie einer uns gleichfalls aufbewahrten antiken Arbeit und von dem bekannten Diptychon des Tutilo, eines kunstgeübten Mönches zu Se. Gallen, sagt Forster bei Beurtheilung der Arbeit: „die Mittel der Darstellung sind von der allgemeinen Bezeichnung bis zur besondersten Form der antik-heidnischen Kunst entlehnt." Auf Verständ- niß konnte der Verfertiger, wie die aus Nigellus und andern Schriftstellern dieser Zeit beigebrachten Thatsachen bekunden, rechnen. Eine höchst wichtige Quelle für die Kunstübung waren die antiken Gem¬ men. Die Schönheit der Arbeit, die Kostbarkeit des Materials, die Leicht^ keit des Erwerbes und des Transportes führten diese kleinen Kunstwerke >" Massen nach dem Abendlande. Als Schmuck an Kirchengeräthen und Bücher einbauten werden sie erwähnt und sind uns als solcher noch in genügender Anzahl erhalten. Als Siegel drückten sie die Karolinger unter ihre Urkunden. So erscheint ein Jupiter Serapis unter einem Schriftstück Karl des Großen und ein bekränzter Silen unter einer Urkunde Pipins und zwar letzterer durch eine Kamee hervorgebracht und darum vertieft eingedrückt. Einen sehr hat>^ nen jugendlichen Hercules bemerkte ich unter einer Karolingischen Urkunde im Archiv zu München. Noch bei weitem häufiger sind auf diesen Siegeln an¬ tike Porträtköpfe. Bei einigen der letzteren kann man zweifelhaft sein, ^ man es mit schlechten Arbeiten aus der letzten Kaiserzeit, oder mit schlechte" Nachbildungen aus der der Karolinger zu thun hat. Der Einfluß der antiken Vorbilder auf die selbstgearbeiteten Siegel der Karolinger ist unverkennbar; er verräth sich in der ovalen Form derselben im Gegensatz zu der plumpen Nundung der Merovingischen und NachkarolingiM"' Ferner in ihrer Zierlichkeit und Kleinheit tritt er zu Tage. Während die Mero¬ vingischen meist nur Köpfe und die spätern Siegel nur ganze und zwar sitzende Figuren enthalten, haben die Karolingischen Kaisersiegel Brustbilder. Endlich achte man auf die volleren Gesichts- und Körperformen und die ProMr- stcllungen im Gegensatz zu der früher und später üblichen Darstellung en Fa^' Das Beiwerk an diesen Siegeln sogar ist antiker Abkunft: das auf der Schulter durch einen Haft zusammengehaltene faltenreiche Gewand, der Lor¬ beerkranz, das Diadem, die Zackenkrone und andere Nebensachen, die wenig¬ stens nicht in derselben Ausdehnung bei den Merovingern und den spater" Kaisern vorkommen. Ueber einige Elfenbeinarbeiter mit antikisirenden Darstellungen sind die Forscher in Hinsicht auf ihre Entstehungszeit bis jetzt noch nicht ganz einig! vorzüglich gilt dies von einem zu Cranenburg befindlichen Kästchen mit Elfe"' b«inplatten und agonistischen Darstellungen und einem diesem ähnlichen S" Xanten. Einer unserer gewiegtesten Forscher, Ferd. v. Quast, glaubt da«"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/318>, abgerufen am 14.05.2024.