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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Allein auch die weitern Verhandlungen zwischen Regierung und Standen
b"dem keine Einigung zur Folge; es sind vielmehr die wesentlichsten Differen¬
zen übriggeblieben.

Die Bundesversammlung hat sich nunmehr zu entscheiden. Der Beschluß
vom 24. März 1852 bindet sie weder an die Verfassung von 1852. noch an
Resultat der von der tnrhessischcn Regierung und den Ständen gepflogenen
^Handlungen; denn darnach hat sie selbst "dem Entwurf der revidirten
Verfassung nur im Allgemeinen, ohne über die Billigung aller in demselben
enthaltenen einzelnen Bestimmungen sich auszusprechen. ihre Zustimmung ertheilt"
u"d zwar Mittheilung von den ständischen Erklärungen und den etwaigen
Weiteren Verhandlungen begehrt, aber sich ganz allgemein "in Rücksicht ihrer
Einwirkung auf eine beruhigende Erledigung der Verfassungsangclcgcnheit
des Kurfürstenthums die weitere Beschlußnahme" vorbehalten. Sie ist also
""es jetzt nicht im Mindesten gehindert, in irgend einem Umfang sclbststän-
°>g eine Verfügung zu treffen, neue Berathungen anzuordnen und selbst die
Verfassung von 1852 wieder durch eine andere zu ersetzen, und wenn sie die
Verfassung von 1831 nicht wohl wieder herstellen kann, da sie erklärt hat.
d"ß dieselbe "nebst den in den Jahren 1848 und 1849 dazu gegebenen Er-
lüuteruugen und daran vorgenommenen Abänderungen und sammt dem Wahl¬
gesetz vom 5. April 1849 in ihrem wesentlichen, jedoch von dem übrigen
">ehe Wohl zu trennenden Inhalt mit den Grundgesetzen des deutschen Bun¬
des, insbesondere mit den Vorschriften der Artikel 54. 57 und 58 der wiener
Schlußacte nicht vereinbar" sei. so verlangt sie doch selbst eine "Revision" der
Verfassung von 1831 und erkennt damit um. daß diese die Grundlage der neu
^ errichtenden Verfassung bilden soll. Das freilich dürfen wir nicht erwarten.
d"ß die Bundesversammlung gradezu selbst anerkenne, mit der Aufhebung
der Verfassung von 1831 über den Kreis des Rechtes hinausgegangen zu
le'n. und jene ohne weiteres zurückgebe, wol aber, daß sie diese Verfassung
'""ner als die Basis der neuen festhalte, von jener ausgehe und die neue
beurteile.

Die Verfassung von 1831 aber ist in der "revidirten" von 1852 kaum
wieder zu erkennen, diese geht, in ihren willkürlichen Abweichungen, weit über
den Zweck einer Revision hinaus. Sie verläßt überhaupt nicht blos diese
fnssung. sondern, allen sonstigen Doctrinen "conservativer" Staatsmänner
^'M Trotz, fast alle historischen Grundlagen. Die Bundesversammlung dürfte
^on deshalb sich veranlaßt sehen, sich mit diesem Werk nicht zu begnügen.
^ anderes Ganzes auf besserer Grundlage zu verlangen. Sie hätte dazu
so mehr Ursache, weil die Stände ihre zum Theil zustimmende Erklärung
"'ir dem ZusaK abgegeben haben, daß dieselbe als ein Ganzes, und nur als
Ganzes aufgefaßt werden, d. h. eine Zustimmung nicht einzeln und für'>!


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Allein auch die weitern Verhandlungen zwischen Regierung und Standen
b"dem keine Einigung zur Folge; es sind vielmehr die wesentlichsten Differen¬
zen übriggeblieben.

Die Bundesversammlung hat sich nunmehr zu entscheiden. Der Beschluß
vom 24. März 1852 bindet sie weder an die Verfassung von 1852. noch an
Resultat der von der tnrhessischcn Regierung und den Ständen gepflogenen
^Handlungen; denn darnach hat sie selbst „dem Entwurf der revidirten
Verfassung nur im Allgemeinen, ohne über die Billigung aller in demselben
enthaltenen einzelnen Bestimmungen sich auszusprechen. ihre Zustimmung ertheilt"
u»d zwar Mittheilung von den ständischen Erklärungen und den etwaigen
Weiteren Verhandlungen begehrt, aber sich ganz allgemein „in Rücksicht ihrer
Einwirkung auf eine beruhigende Erledigung der Verfassungsangclcgcnheit
des Kurfürstenthums die weitere Beschlußnahme" vorbehalten. Sie ist also
""es jetzt nicht im Mindesten gehindert, in irgend einem Umfang sclbststän-
°>g eine Verfügung zu treffen, neue Berathungen anzuordnen und selbst die
Verfassung von 1852 wieder durch eine andere zu ersetzen, und wenn sie die
Verfassung von 1831 nicht wohl wieder herstellen kann, da sie erklärt hat.
d"ß dieselbe „nebst den in den Jahren 1848 und 1849 dazu gegebenen Er-
lüuteruugen und daran vorgenommenen Abänderungen und sammt dem Wahl¬
gesetz vom 5. April 1849 in ihrem wesentlichen, jedoch von dem übrigen
">ehe Wohl zu trennenden Inhalt mit den Grundgesetzen des deutschen Bun¬
des, insbesondere mit den Vorschriften der Artikel 54. 57 und 58 der wiener
Schlußacte nicht vereinbar" sei. so verlangt sie doch selbst eine „Revision" der
Verfassung von 1831 und erkennt damit um. daß diese die Grundlage der neu
^ errichtenden Verfassung bilden soll. Das freilich dürfen wir nicht erwarten.
d«ß die Bundesversammlung gradezu selbst anerkenne, mit der Aufhebung
der Verfassung von 1831 über den Kreis des Rechtes hinausgegangen zu
le'n. und jene ohne weiteres zurückgebe, wol aber, daß sie diese Verfassung
'""ner als die Basis der neuen festhalte, von jener ausgehe und die neue
beurteile.

Die Verfassung von 1831 aber ist in der „revidirten" von 1852 kaum
wieder zu erkennen, diese geht, in ihren willkürlichen Abweichungen, weit über
den Zweck einer Revision hinaus. Sie verläßt überhaupt nicht blos diese
fnssung. sondern, allen sonstigen Doctrinen „conservativer" Staatsmänner
^'M Trotz, fast alle historischen Grundlagen. Die Bundesversammlung dürfte
^on deshalb sich veranlaßt sehen, sich mit diesem Werk nicht zu begnügen.
^ anderes Ganzes auf besserer Grundlage zu verlangen. Sie hätte dazu
so mehr Ursache, weil die Stände ihre zum Theil zustimmende Erklärung
"'ir dem ZusaK abgegeben haben, daß dieselbe als ein Ganzes, und nur als
Ganzes aufgefaßt werden, d. h. eine Zustimmung nicht einzeln und für'>!


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[0417] Allein auch die weitern Verhandlungen zwischen Regierung und Standen b"dem keine Einigung zur Folge; es sind vielmehr die wesentlichsten Differen¬ zen übriggeblieben. Die Bundesversammlung hat sich nunmehr zu entscheiden. Der Beschluß vom 24. März 1852 bindet sie weder an die Verfassung von 1852. noch an Resultat der von der tnrhessischcn Regierung und den Ständen gepflogenen ^Handlungen; denn darnach hat sie selbst „dem Entwurf der revidirten Verfassung nur im Allgemeinen, ohne über die Billigung aller in demselben enthaltenen einzelnen Bestimmungen sich auszusprechen. ihre Zustimmung ertheilt" u»d zwar Mittheilung von den ständischen Erklärungen und den etwaigen Weiteren Verhandlungen begehrt, aber sich ganz allgemein „in Rücksicht ihrer Einwirkung auf eine beruhigende Erledigung der Verfassungsangclcgcnheit des Kurfürstenthums die weitere Beschlußnahme" vorbehalten. Sie ist also ""es jetzt nicht im Mindesten gehindert, in irgend einem Umfang sclbststän- °>g eine Verfügung zu treffen, neue Berathungen anzuordnen und selbst die Verfassung von 1852 wieder durch eine andere zu ersetzen, und wenn sie die Verfassung von 1831 nicht wohl wieder herstellen kann, da sie erklärt hat. d"ß dieselbe „nebst den in den Jahren 1848 und 1849 dazu gegebenen Er- lüuteruugen und daran vorgenommenen Abänderungen und sammt dem Wahl¬ gesetz vom 5. April 1849 in ihrem wesentlichen, jedoch von dem übrigen ">ehe Wohl zu trennenden Inhalt mit den Grundgesetzen des deutschen Bun¬ des, insbesondere mit den Vorschriften der Artikel 54. 57 und 58 der wiener Schlußacte nicht vereinbar" sei. so verlangt sie doch selbst eine „Revision" der Verfassung von 1831 und erkennt damit um. daß diese die Grundlage der neu ^ errichtenden Verfassung bilden soll. Das freilich dürfen wir nicht erwarten. d«ß die Bundesversammlung gradezu selbst anerkenne, mit der Aufhebung der Verfassung von 1831 über den Kreis des Rechtes hinausgegangen zu le'n. und jene ohne weiteres zurückgebe, wol aber, daß sie diese Verfassung '""ner als die Basis der neuen festhalte, von jener ausgehe und die neue beurteile. Die Verfassung von 1831 aber ist in der „revidirten" von 1852 kaum wieder zu erkennen, diese geht, in ihren willkürlichen Abweichungen, weit über den Zweck einer Revision hinaus. Sie verläßt überhaupt nicht blos diese fnssung. sondern, allen sonstigen Doctrinen „conservativer" Staatsmänner ^'M Trotz, fast alle historischen Grundlagen. Die Bundesversammlung dürfte ^on deshalb sich veranlaßt sehen, sich mit diesem Werk nicht zu begnügen. ^ anderes Ganzes auf besserer Grundlage zu verlangen. Sie hätte dazu so mehr Ursache, weil die Stände ihre zum Theil zustimmende Erklärung "'ir dem ZusaK abgegeben haben, daß dieselbe als ein Ganzes, und nur als Ganzes aufgefaßt werden, d. h. eine Zustimmung nicht einzeln und für'>! 51*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/417>, abgerufen am 28.05.2024.