Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auf Zustimmung zu gewissen Steuern entspringt? zwar die Möglichkeit wider¬
rechtlicher Steuerverwendung nicht entfernt, aber doch das Recht gesichert?

Aber welche Staatsbedürsuisse sind den" überhaupt ständige? Streng ge¬
nommen, wie der Ausschuß anerkennt, nur die aus einer staatsrechtlichen Noth¬
wendigkeit oder einer privatrechtlichen Verpflichtung hervorgehenden! Welche
einzelnen sind dies? welchen Steuerbetrag erfordern sie? welche Steuern decken
diesen Bedarf? Darüber sagt der Ausschuß nichts! Er erkennt aber sogar selbst
an, daß nicht einmal jene Bedürfnisse für alle Zeiten giltig aufgestellt werden
können, sondern mindestens im Betrag wandelbar sind, und daß auch für
die bleibenden Bedürfnisse unter Umständen andere als die bisherigen Mittel
zur Deckung geeignet erscheinen können. Sollte man nicht darnach folger",
daß die ganze Einrichtung eines "ständigen" Ausgabebudgets und "ständiger"
Steuern unzulässig sei? Statt dessen tröstet sich der Ausschuß mit der Erwartung,
daß einerseits die Stände ihre Zustimmung zu begründeten Erhöhungen nicht
verweigern würden, andererseits die Regierung, durch die Bestimmungen der
Verfassung wesentlich an die Mitwirkung der Stände gebunden, da. wo sich
Ersparnisse erzielen ließen, solche anordnen werde. Aber die Regierung b>
durch ihren §. 114, wonach sie nur für die Gcsammtbcträge der einzelnen
Departements einsteht, so enormen Spielraum, und bedarf, wenn es ihr nur
einmal glückt, eine neue ständige Steuer oder ständige Ausgabe durchzusetzen,
so wenig ständischer Mitwirkung, daß man lediglich ihrem guten Willen über-
lassen wäre. Und endlich soll doch durch die neue Einrichtung die Möglich¬
keit einer Steuerverweigerung beseitigt werden; entweder aber reichen die be¬
stehenden Steuern so weit für den Bedarf, daß die Stände niemals um Steuern
gefragt zu werden brauchen -- und wo bliebe dann noch ein Steuerbe-
willignngsrecht?--' oder es sind neue Steuern nöthig und die Stände können
diese verweigern, dann also muß, -- wie der Ausschuß selbst zugesteht,
auf den gerechten und billigen Sinn von Regierung und Ständen gerechnet
werden. Wozu dann, wenn man hierauf immer zurückkommt, wenn man
dieses Vertrauen hegt, überhaupt die neue Einrichtung? Sie ist zwecklos, ge¬
künstelt, vollkommen abnorm in Deutschland, zum Streit wahrhaft herausfor¬
dernd, aufs äußerste gefährlich im Zusammenhang mit den übrigen der Ne¬
gierung gegebenen Rechten.

So verhält es sich mit dem. was noch jetzt streitig ist. Wir haben von
dem nicht gesprochen, was zwischen der Regierung und den nach der ^Ver¬
fassung von 1852 zusammengetretenen Stünden für sich und einzeln (mit
dem Eingangs erwähnten Vorbehalt) nicht streitig ist. Aber auch in diesen
Punkten setzt die neue Verfassung an die Stelle der alten klaren und strammen
Bestimmungen nur zu häufig laxe, das einseitige Ermessen der Regierung
nicht beschränkende. Das Gutachten gedenkt ihrer, wie erwähnt, nicht.


auf Zustimmung zu gewissen Steuern entspringt? zwar die Möglichkeit wider¬
rechtlicher Steuerverwendung nicht entfernt, aber doch das Recht gesichert?

Aber welche Staatsbedürsuisse sind den» überhaupt ständige? Streng ge¬
nommen, wie der Ausschuß anerkennt, nur die aus einer staatsrechtlichen Noth¬
wendigkeit oder einer privatrechtlichen Verpflichtung hervorgehenden! Welche
einzelnen sind dies? welchen Steuerbetrag erfordern sie? welche Steuern decken
diesen Bedarf? Darüber sagt der Ausschuß nichts! Er erkennt aber sogar selbst
an, daß nicht einmal jene Bedürfnisse für alle Zeiten giltig aufgestellt werden
können, sondern mindestens im Betrag wandelbar sind, und daß auch für
die bleibenden Bedürfnisse unter Umständen andere als die bisherigen Mittel
zur Deckung geeignet erscheinen können. Sollte man nicht darnach folger",
daß die ganze Einrichtung eines „ständigen" Ausgabebudgets und „ständiger"
Steuern unzulässig sei? Statt dessen tröstet sich der Ausschuß mit der Erwartung,
daß einerseits die Stände ihre Zustimmung zu begründeten Erhöhungen nicht
verweigern würden, andererseits die Regierung, durch die Bestimmungen der
Verfassung wesentlich an die Mitwirkung der Stände gebunden, da. wo sich
Ersparnisse erzielen ließen, solche anordnen werde. Aber die Regierung b>
durch ihren §. 114, wonach sie nur für die Gcsammtbcträge der einzelnen
Departements einsteht, so enormen Spielraum, und bedarf, wenn es ihr nur
einmal glückt, eine neue ständige Steuer oder ständige Ausgabe durchzusetzen,
so wenig ständischer Mitwirkung, daß man lediglich ihrem guten Willen über-
lassen wäre. Und endlich soll doch durch die neue Einrichtung die Möglich¬
keit einer Steuerverweigerung beseitigt werden; entweder aber reichen die be¬
stehenden Steuern so weit für den Bedarf, daß die Stände niemals um Steuern
gefragt zu werden brauchen — und wo bliebe dann noch ein Steuerbe-
willignngsrecht?—' oder es sind neue Steuern nöthig und die Stände können
diese verweigern, dann also muß, — wie der Ausschuß selbst zugesteht,
auf den gerechten und billigen Sinn von Regierung und Ständen gerechnet
werden. Wozu dann, wenn man hierauf immer zurückkommt, wenn man
dieses Vertrauen hegt, überhaupt die neue Einrichtung? Sie ist zwecklos, ge¬
künstelt, vollkommen abnorm in Deutschland, zum Streit wahrhaft herausfor¬
dernd, aufs äußerste gefährlich im Zusammenhang mit den übrigen der Ne¬
gierung gegebenen Rechten.

So verhält es sich mit dem. was noch jetzt streitig ist. Wir haben von
dem nicht gesprochen, was zwischen der Regierung und den nach der ^Ver¬
fassung von 1852 zusammengetretenen Stünden für sich und einzeln (mit
dem Eingangs erwähnten Vorbehalt) nicht streitig ist. Aber auch in diesen
Punkten setzt die neue Verfassung an die Stelle der alten klaren und strammen
Bestimmungen nur zu häufig laxe, das einseitige Ermessen der Regierung
nicht beschränkende. Das Gutachten gedenkt ihrer, wie erwähnt, nicht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108022"/>
          <p xml:id="ID_1438" prev="#ID_1437"> auf Zustimmung zu gewissen Steuern entspringt? zwar die Möglichkeit wider¬<lb/>
rechtlicher Steuerverwendung nicht entfernt, aber doch das Recht gesichert?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1439"> Aber welche Staatsbedürsuisse sind den» überhaupt ständige? Streng ge¬<lb/>
nommen, wie der Ausschuß anerkennt, nur die aus einer staatsrechtlichen Noth¬<lb/>
wendigkeit oder einer privatrechtlichen Verpflichtung hervorgehenden! Welche<lb/>
einzelnen sind dies? welchen Steuerbetrag erfordern sie? welche Steuern decken<lb/>
diesen Bedarf? Darüber sagt der Ausschuß nichts! Er erkennt aber sogar selbst<lb/>
an, daß nicht einmal jene Bedürfnisse für alle Zeiten giltig aufgestellt werden<lb/>
können, sondern mindestens im Betrag wandelbar sind, und daß auch für<lb/>
die bleibenden Bedürfnisse unter Umständen andere als die bisherigen Mittel<lb/>
zur Deckung geeignet erscheinen können. Sollte man nicht darnach folger",<lb/>
daß die ganze Einrichtung eines &#x201E;ständigen" Ausgabebudgets und &#x201E;ständiger"<lb/>
Steuern unzulässig sei? Statt dessen tröstet sich der Ausschuß mit der Erwartung,<lb/>
daß einerseits die Stände ihre Zustimmung zu begründeten Erhöhungen nicht<lb/>
verweigern würden, andererseits die Regierung, durch die Bestimmungen der<lb/>
Verfassung wesentlich an die Mitwirkung der Stände gebunden, da. wo sich<lb/>
Ersparnisse erzielen ließen, solche anordnen werde. Aber die Regierung b&gt;<lb/>
durch ihren §. 114, wonach sie nur für die Gcsammtbcträge der einzelnen<lb/>
Departements einsteht, so enormen Spielraum, und bedarf, wenn es ihr nur<lb/>
einmal glückt, eine neue ständige Steuer oder ständige Ausgabe durchzusetzen,<lb/>
so wenig ständischer Mitwirkung, daß man lediglich ihrem guten Willen über-<lb/>
lassen wäre. Und endlich soll doch durch die neue Einrichtung die Möglich¬<lb/>
keit einer Steuerverweigerung beseitigt werden; entweder aber reichen die be¬<lb/>
stehenden Steuern so weit für den Bedarf, daß die Stände niemals um Steuern<lb/>
gefragt zu werden brauchen &#x2014; und wo bliebe dann noch ein Steuerbe-<lb/>
willignngsrecht?&#x2014;' oder es sind neue Steuern nöthig und die Stände können<lb/>
diese verweigern, dann also muß, &#x2014; wie der Ausschuß selbst zugesteht,<lb/>
auf den gerechten und billigen Sinn von Regierung und Ständen gerechnet<lb/>
werden. Wozu dann, wenn man hierauf immer zurückkommt, wenn man<lb/>
dieses Vertrauen hegt, überhaupt die neue Einrichtung? Sie ist zwecklos, ge¬<lb/>
künstelt, vollkommen abnorm in Deutschland, zum Streit wahrhaft herausfor¬<lb/>
dernd, aufs äußerste gefährlich im Zusammenhang mit den übrigen der Ne¬<lb/>
gierung gegebenen Rechten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1440"> So verhält es sich mit dem. was noch jetzt streitig ist. Wir haben von<lb/>
dem nicht gesprochen, was zwischen der Regierung und den nach der ^Ver¬<lb/>
fassung von 1852 zusammengetretenen Stünden für sich und einzeln (mit<lb/>
dem Eingangs erwähnten Vorbehalt) nicht streitig ist. Aber auch in diesen<lb/>
Punkten setzt die neue Verfassung an die Stelle der alten klaren und strammen<lb/>
Bestimmungen nur zu häufig laxe, das einseitige Ermessen der Regierung<lb/>
nicht beschränkende.  Das Gutachten gedenkt ihrer, wie erwähnt, nicht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0436] auf Zustimmung zu gewissen Steuern entspringt? zwar die Möglichkeit wider¬ rechtlicher Steuerverwendung nicht entfernt, aber doch das Recht gesichert? Aber welche Staatsbedürsuisse sind den» überhaupt ständige? Streng ge¬ nommen, wie der Ausschuß anerkennt, nur die aus einer staatsrechtlichen Noth¬ wendigkeit oder einer privatrechtlichen Verpflichtung hervorgehenden! Welche einzelnen sind dies? welchen Steuerbetrag erfordern sie? welche Steuern decken diesen Bedarf? Darüber sagt der Ausschuß nichts! Er erkennt aber sogar selbst an, daß nicht einmal jene Bedürfnisse für alle Zeiten giltig aufgestellt werden können, sondern mindestens im Betrag wandelbar sind, und daß auch für die bleibenden Bedürfnisse unter Umständen andere als die bisherigen Mittel zur Deckung geeignet erscheinen können. Sollte man nicht darnach folger", daß die ganze Einrichtung eines „ständigen" Ausgabebudgets und „ständiger" Steuern unzulässig sei? Statt dessen tröstet sich der Ausschuß mit der Erwartung, daß einerseits die Stände ihre Zustimmung zu begründeten Erhöhungen nicht verweigern würden, andererseits die Regierung, durch die Bestimmungen der Verfassung wesentlich an die Mitwirkung der Stände gebunden, da. wo sich Ersparnisse erzielen ließen, solche anordnen werde. Aber die Regierung b> durch ihren §. 114, wonach sie nur für die Gcsammtbcträge der einzelnen Departements einsteht, so enormen Spielraum, und bedarf, wenn es ihr nur einmal glückt, eine neue ständige Steuer oder ständige Ausgabe durchzusetzen, so wenig ständischer Mitwirkung, daß man lediglich ihrem guten Willen über- lassen wäre. Und endlich soll doch durch die neue Einrichtung die Möglich¬ keit einer Steuerverweigerung beseitigt werden; entweder aber reichen die be¬ stehenden Steuern so weit für den Bedarf, daß die Stände niemals um Steuern gefragt zu werden brauchen — und wo bliebe dann noch ein Steuerbe- willignngsrecht?—' oder es sind neue Steuern nöthig und die Stände können diese verweigern, dann also muß, — wie der Ausschuß selbst zugesteht, auf den gerechten und billigen Sinn von Regierung und Ständen gerechnet werden. Wozu dann, wenn man hierauf immer zurückkommt, wenn man dieses Vertrauen hegt, überhaupt die neue Einrichtung? Sie ist zwecklos, ge¬ künstelt, vollkommen abnorm in Deutschland, zum Streit wahrhaft herausfor¬ dernd, aufs äußerste gefährlich im Zusammenhang mit den übrigen der Ne¬ gierung gegebenen Rechten. So verhält es sich mit dem. was noch jetzt streitig ist. Wir haben von dem nicht gesprochen, was zwischen der Regierung und den nach der ^Ver¬ fassung von 1852 zusammengetretenen Stünden für sich und einzeln (mit dem Eingangs erwähnten Vorbehalt) nicht streitig ist. Aber auch in diesen Punkten setzt die neue Verfassung an die Stelle der alten klaren und strammen Bestimmungen nur zu häufig laxe, das einseitige Ermessen der Regierung nicht beschränkende. Das Gutachten gedenkt ihrer, wie erwähnt, nicht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/436
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/436>, abgerufen am 14.05.2024.