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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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sind als irgendwo anderwärts, z. B. in Deutschland. Seit der Erfindung der
Dampfschiffahrt besonders ward die maritime Vertheidigung der britischen Insel"
nothwendig eine fortwährende Beschäftigung und ein Lieblingsthema für die See¬
leute, die Militärs und die Staatsmänner dieser stolzen und patriotischen Na¬
tion. Um diese Vertheidigung auf ihren natürlichen Grundlagen zu errichten,
waren zwei große Bedingungen zu erfüllen: Herr des Meeres zu bleiben und
die Küsten gut bewaffnet zu halten. Aus der Mitte seiner hölzernen Mauern
heraus, wie von der Höhe seines steilen Gestades herab, sollte Englands
Kanone als Gebieter sprechen. Vor allen Dingen handelte es sich demzufolge
darum, auf nachdrückliche Weise die furchtbare Waffe zu organisiren, welche
die Herrschaft über den Ocean vielleicht wirksamer sichert, als über die König'
reiche des Continents. Dies war der wirkliche Ausgangspunkt der National¬
vertheidigung. Die Frage reducirte sich für die Engländer darauf, die beiden
großen Abtheilungen eines jeden speciellen Corps -- das Material und das
Personal -- auf soliden Grundlagen festzustellen. Das Material war zu"'
größern Theile schon vorhanden, sowol an der Küste als auf den Schiffe",
und nur die Zeit und die Erfahrung konnten lehren, in welchem Maße n"d
Sinne es angemessen sein würde, dasselbe umzugestalten und zu entwickeln,
um es hinter dem Fortschritt der Wurfgeschützkunde nicht zurückbleiben
lassen. Das Personal dagegen war nicht vorhanden, denn man konnte nicht
mit diesem Namen jene Rotten von guten oder schlechten Seeleuten bezeichnen-
welche die Zufälle der Matrosenpresse oder freiwilliger Eintritt auf nur we¬
nige Monate um die Kanonen der Flotte gruppirten. Schon an und für
sich mobil wurden diese Geschützmannschaften übrigens herkömmlicherweise mit
Ende eines jeden Feldzugs aufgelöst. Eine Bewaffnung zur See oder z"
Lande hat aber nur Werth durch die Männer, aus welchen sie zusammen¬
gesetzt ist. Die Materie kann allerdings in die sinnreichsten Formen gekleidet
werden, nur das Personal kann ihr eine Seele geben. Man hat oft gute
Artilleristen wirksamen Gebrauch von schlechten Geschützen machen, oder eine
Handvoll Tapferer zahlreichen Bataillonen die Spitze bieten sehen, aber noch
kein Beispiel erlebt, daß schlechte Soldaten selbst mit den allerbesten Waffe"
zu siegen gewußt hätten.¬

Es sind dies Grundwahrheiten, die sich eigentlich schon von selbst ver
stehen, aber es ist wichtig daran zu erinnern. Auch die neueste Geschichte ka""
uns sagen, welche Unfälle das Vergessen dieser Wahrheiten zuweilen bei
übrigens begabten Nationen zur Folge gehabt hat. Man erinnere sich daher
stets, daß ohne ein gut zusammengesetztes und in allen seinen Theile"
gut geordnetes, durch Erfahrung und Mannszucht gebildetes Personal das
schönste Material der Welt in den Händen der Nation, die es geschafft"-
eine unnütze, ja sogar gefährliche Last bleibt, ich sage gefährlich, denn we""


sind als irgendwo anderwärts, z. B. in Deutschland. Seit der Erfindung der
Dampfschiffahrt besonders ward die maritime Vertheidigung der britischen Insel"
nothwendig eine fortwährende Beschäftigung und ein Lieblingsthema für die See¬
leute, die Militärs und die Staatsmänner dieser stolzen und patriotischen Na¬
tion. Um diese Vertheidigung auf ihren natürlichen Grundlagen zu errichten,
waren zwei große Bedingungen zu erfüllen: Herr des Meeres zu bleiben und
die Küsten gut bewaffnet zu halten. Aus der Mitte seiner hölzernen Mauern
heraus, wie von der Höhe seines steilen Gestades herab, sollte Englands
Kanone als Gebieter sprechen. Vor allen Dingen handelte es sich demzufolge
darum, auf nachdrückliche Weise die furchtbare Waffe zu organisiren, welche
die Herrschaft über den Ocean vielleicht wirksamer sichert, als über die König'
reiche des Continents. Dies war der wirkliche Ausgangspunkt der National¬
vertheidigung. Die Frage reducirte sich für die Engländer darauf, die beiden
großen Abtheilungen eines jeden speciellen Corps — das Material und das
Personal — auf soliden Grundlagen festzustellen. Das Material war zu"'
größern Theile schon vorhanden, sowol an der Küste als auf den Schiffe»,
und nur die Zeit und die Erfahrung konnten lehren, in welchem Maße n»d
Sinne es angemessen sein würde, dasselbe umzugestalten und zu entwickeln,
um es hinter dem Fortschritt der Wurfgeschützkunde nicht zurückbleiben
lassen. Das Personal dagegen war nicht vorhanden, denn man konnte nicht
mit diesem Namen jene Rotten von guten oder schlechten Seeleuten bezeichnen-
welche die Zufälle der Matrosenpresse oder freiwilliger Eintritt auf nur we¬
nige Monate um die Kanonen der Flotte gruppirten. Schon an und für
sich mobil wurden diese Geschützmannschaften übrigens herkömmlicherweise mit
Ende eines jeden Feldzugs aufgelöst. Eine Bewaffnung zur See oder z»
Lande hat aber nur Werth durch die Männer, aus welchen sie zusammen¬
gesetzt ist. Die Materie kann allerdings in die sinnreichsten Formen gekleidet
werden, nur das Personal kann ihr eine Seele geben. Man hat oft gute
Artilleristen wirksamen Gebrauch von schlechten Geschützen machen, oder eine
Handvoll Tapferer zahlreichen Bataillonen die Spitze bieten sehen, aber noch
kein Beispiel erlebt, daß schlechte Soldaten selbst mit den allerbesten Waffe"
zu siegen gewußt hätten.¬

Es sind dies Grundwahrheiten, die sich eigentlich schon von selbst ver
stehen, aber es ist wichtig daran zu erinnern. Auch die neueste Geschichte ka""
uns sagen, welche Unfälle das Vergessen dieser Wahrheiten zuweilen bei
übrigens begabten Nationen zur Folge gehabt hat. Man erinnere sich daher
stets, daß ohne ein gut zusammengesetztes und in allen seinen Theile"
gut geordnetes, durch Erfahrung und Mannszucht gebildetes Personal das
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/456>, abgerufen am 13.05.2024.