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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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schlafen. Dennoch aber hatten die letzten Kanonenschüsse dieses langen
Kampfes in mehr als einem Treffen gegen den Triumph der Sieger zu pro-
testiren geschienen. Die Kämpfe der französischen Fregatten in den indischen
Meeren und die der amerikanischen Fregatten in dem atlantischen Ocean
hatten mehr als einen ruhmreichen Tag gezählt und diesem Monopol des
Erfolgs einen ersten Schlag versetzt. Einige hellblickende Engländer hatten, ohne
sich durch nationale Exaltation beirren zu lassen, die Geschichte und die Lehren
der Vergangenheit gewissenhaft zu Rathe gezogen. Der genannte Artilleriegeneral,
ein ruhiger, ausdauernder, forschender Geist, begabt mit jenen positiven Eigen¬
schaften und jener Sicherheit des Urtheils, welche für große Reformatoren noth¬
wendig sind, gehörte zu dieserZahl. "Warumhat," bemerkteer, "Frankreich, dessen
Flotten in dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit so vielem Glanz figu-
rirten, während der letzten Kämpfe von 1792--1815 nur in der Praxis der See¬
artillerie unerfahrene Mannschaften in die Linie stellen können?" Woher kam
dieser plötzliche Verfall einer imposanten Marine, welche, indem sie den eng¬
lischen Flotten auf allen Meeren die Spitze bot, an der Befreiung der Ver¬
einigten Staaten von Amerika den größten Antheil gehabt hatte? Fehlte es
einer Nation, bei welcher eine aus die schmachvolle Unthätigkeit Ludwigs
des Fünfzehnten folgende kräftigere Negierung in wenigen Jahren solche
Resultate hervorgebracht hatte, an den Elementen einer Seemacht? Nein,
antwortete die Geschichte, wohl aber hatte die Revolution, indem sie diese
schöne und glorreiche Marine Ludwigs des Sechzehnten mitten in ihrer Ent¬
wickelung über den Haufen warf, in wenigen Monaten der Anarchie ein Ossi-'
ziercorps zerstreut, dessen Bildung zwanzig Jahre einer intelligenten und vo"
aufgeklärten Patriotismus beseelten Administration gekostet hatte. Traditionen,
Disciplin, Kriegserfahrung -- alles hatte der Strudel der Revolution ver¬
schlungen und selbst das Genie Napoleons des Ersten hatte, obgleich es Ar¬
senale anlegte und Schiffe baute, doch das Offiziercorps und die Mannschaften
nach jenem tödtlichen Schlage, der sie zu Anfange des Krieges getroffen, nicht
wieder in derselben Zahl und Tüchtigkeit herzustellen vermocht. Unter den
Institutionen der von dem Revolutionssturm hinweggerafften alten Marine
nahm das königliche Corps der Kanoniermatrosen, welches durch eine
letzte Ordonanz vom i. Januar 1786 aus den sehr respectablen Fuß von "t
Compagnien gebracht worden und einen Essectivbestand von achttausend Man"
zählte, den ersten Rang ein. Um sich zu überzeugen, von welchem Gewicht
dieses sorgfältig rekrutirte und unterhaltene auserwählte Corps in den See¬
kriegen der Republik und des Kaiserreichs hätte sein können, braucht man
nur die französische Due^IvMiL als marins zu befragen. In diesem große"
Monument der Wissenschaft und der maritimen Fortschritte jener Zeit, dem
Wert der Mitglieder der Marineakademie und unter den Auspicien des M"r-


schlafen. Dennoch aber hatten die letzten Kanonenschüsse dieses langen
Kampfes in mehr als einem Treffen gegen den Triumph der Sieger zu pro-
testiren geschienen. Die Kämpfe der französischen Fregatten in den indischen
Meeren und die der amerikanischen Fregatten in dem atlantischen Ocean
hatten mehr als einen ruhmreichen Tag gezählt und diesem Monopol des
Erfolgs einen ersten Schlag versetzt. Einige hellblickende Engländer hatten, ohne
sich durch nationale Exaltation beirren zu lassen, die Geschichte und die Lehren
der Vergangenheit gewissenhaft zu Rathe gezogen. Der genannte Artilleriegeneral,
ein ruhiger, ausdauernder, forschender Geist, begabt mit jenen positiven Eigen¬
schaften und jener Sicherheit des Urtheils, welche für große Reformatoren noth¬
wendig sind, gehörte zu dieserZahl. „Warumhat," bemerkteer, „Frankreich, dessen
Flotten in dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit so vielem Glanz figu-
rirten, während der letzten Kämpfe von 1792—1815 nur in der Praxis der See¬
artillerie unerfahrene Mannschaften in die Linie stellen können?" Woher kam
dieser plötzliche Verfall einer imposanten Marine, welche, indem sie den eng¬
lischen Flotten auf allen Meeren die Spitze bot, an der Befreiung der Ver¬
einigten Staaten von Amerika den größten Antheil gehabt hatte? Fehlte es
einer Nation, bei welcher eine aus die schmachvolle Unthätigkeit Ludwigs
des Fünfzehnten folgende kräftigere Negierung in wenigen Jahren solche
Resultate hervorgebracht hatte, an den Elementen einer Seemacht? Nein,
antwortete die Geschichte, wohl aber hatte die Revolution, indem sie diese
schöne und glorreiche Marine Ludwigs des Sechzehnten mitten in ihrer Ent¬
wickelung über den Haufen warf, in wenigen Monaten der Anarchie ein Ossi-'
ziercorps zerstreut, dessen Bildung zwanzig Jahre einer intelligenten und vo»
aufgeklärten Patriotismus beseelten Administration gekostet hatte. Traditionen,
Disciplin, Kriegserfahrung — alles hatte der Strudel der Revolution ver¬
schlungen und selbst das Genie Napoleons des Ersten hatte, obgleich es Ar¬
senale anlegte und Schiffe baute, doch das Offiziercorps und die Mannschaften
nach jenem tödtlichen Schlage, der sie zu Anfange des Krieges getroffen, nicht
wieder in derselben Zahl und Tüchtigkeit herzustellen vermocht. Unter den
Institutionen der von dem Revolutionssturm hinweggerafften alten Marine
nahm das königliche Corps der Kanoniermatrosen, welches durch eine
letzte Ordonanz vom i. Januar 1786 aus den sehr respectablen Fuß von «t
Compagnien gebracht worden und einen Essectivbestand von achttausend Man"
zählte, den ersten Rang ein. Um sich zu überzeugen, von welchem Gewicht
dieses sorgfältig rekrutirte und unterhaltene auserwählte Corps in den See¬
kriegen der Republik und des Kaiserreichs hätte sein können, braucht man
nur die französische Due^IvMiL als marins zu befragen. In diesem große»
Monument der Wissenschaft und der maritimen Fortschritte jener Zeit, dem
Wert der Mitglieder der Marineakademie und unter den Auspicien des M«r-


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[0458] schlafen. Dennoch aber hatten die letzten Kanonenschüsse dieses langen Kampfes in mehr als einem Treffen gegen den Triumph der Sieger zu pro- testiren geschienen. Die Kämpfe der französischen Fregatten in den indischen Meeren und die der amerikanischen Fregatten in dem atlantischen Ocean hatten mehr als einen ruhmreichen Tag gezählt und diesem Monopol des Erfolgs einen ersten Schlag versetzt. Einige hellblickende Engländer hatten, ohne sich durch nationale Exaltation beirren zu lassen, die Geschichte und die Lehren der Vergangenheit gewissenhaft zu Rathe gezogen. Der genannte Artilleriegeneral, ein ruhiger, ausdauernder, forschender Geist, begabt mit jenen positiven Eigen¬ schaften und jener Sicherheit des Urtheils, welche für große Reformatoren noth¬ wendig sind, gehörte zu dieserZahl. „Warumhat," bemerkteer, „Frankreich, dessen Flotten in dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit so vielem Glanz figu- rirten, während der letzten Kämpfe von 1792—1815 nur in der Praxis der See¬ artillerie unerfahrene Mannschaften in die Linie stellen können?" Woher kam dieser plötzliche Verfall einer imposanten Marine, welche, indem sie den eng¬ lischen Flotten auf allen Meeren die Spitze bot, an der Befreiung der Ver¬ einigten Staaten von Amerika den größten Antheil gehabt hatte? Fehlte es einer Nation, bei welcher eine aus die schmachvolle Unthätigkeit Ludwigs des Fünfzehnten folgende kräftigere Negierung in wenigen Jahren solche Resultate hervorgebracht hatte, an den Elementen einer Seemacht? Nein, antwortete die Geschichte, wohl aber hatte die Revolution, indem sie diese schöne und glorreiche Marine Ludwigs des Sechzehnten mitten in ihrer Ent¬ wickelung über den Haufen warf, in wenigen Monaten der Anarchie ein Ossi-' ziercorps zerstreut, dessen Bildung zwanzig Jahre einer intelligenten und vo» aufgeklärten Patriotismus beseelten Administration gekostet hatte. Traditionen, Disciplin, Kriegserfahrung — alles hatte der Strudel der Revolution ver¬ schlungen und selbst das Genie Napoleons des Ersten hatte, obgleich es Ar¬ senale anlegte und Schiffe baute, doch das Offiziercorps und die Mannschaften nach jenem tödtlichen Schlage, der sie zu Anfange des Krieges getroffen, nicht wieder in derselben Zahl und Tüchtigkeit herzustellen vermocht. Unter den Institutionen der von dem Revolutionssturm hinweggerafften alten Marine nahm das königliche Corps der Kanoniermatrosen, welches durch eine letzte Ordonanz vom i. Januar 1786 aus den sehr respectablen Fuß von «t Compagnien gebracht worden und einen Essectivbestand von achttausend Man" zählte, den ersten Rang ein. Um sich zu überzeugen, von welchem Gewicht dieses sorgfältig rekrutirte und unterhaltene auserwählte Corps in den See¬ kriegen der Republik und des Kaiserreichs hätte sein können, braucht man nur die französische Due^IvMiL als marins zu befragen. In diesem große» Monument der Wissenschaft und der maritimen Fortschritte jener Zeit, dem Wert der Mitglieder der Marineakademie und unter den Auspicien des M«r-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/458>, abgerufen am 17.06.2024.