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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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lung gefördert, hauptsachlich aber der Verkehr mit Hegel. Wenn er früher,
um zu der Identität zu gelangen, von den beiden Polen des Selbstbewußt¬
seins und der Natur ausging, begann er jetzt mit dem Begriff der absoluten
Identität d. h. der Identität der Identität und der Nichtidentitat. D^e
Identität erscheint in mannigfaltigen Metamorphosen und Potenzen als Ma¬
terie, als Kraft. als Ausdehnung, als Wärme u. s. w.. es hat kein großes
Interesse, weiter darauf einzugehen. Zu bemerken ist noch der Eifer, mal dem
Goethes Farbenlehre vertheidigt wurde.

Während er die Zeitschrift für speculative Physik selbstständig fortsetzte,
verband er sich 1802 mit Hegel in dem kritischen Journal der Phüosoph.e.
Sie behandelten den neuen Idealismus als "unsere" Philosophie und bespra¬
chen sämmtliche Gegner mit einer Grobheit, die zuweilen an die Zote grenzte
Der große Kampf gehört Hegel ganz ausschließlich an. der bereits im Mi
1801 die Differenz des Fichteschen und des Schellingschen Systems geschrieben
hatte; worauf sich dann auch Schellina. am 3. Oct. 1801 in einem Bnef mit
Fichte auseinandersetzte Kaum zwei Jahre waren nach dem Kaninchen "end¬
schreiben verflossen und schon konnten die damaligen beiden Freunde. was sie
sich damals gesagt, auf ihr eignes Verhältniß anwenden. Im Winter 1801
zu 1802 arbeitete Schelling sein Gespräch aus: "Bruno oder über das
göttliche und natürliche Princip der Dinge." Schon früher hatte ihn
die Platonische Kunstform sehr angezogen, zuletzt hatte wol Schlegels Gespräch
über Poesie ihn bestimmt; vier Philosophen. Bruno. Alexander. Anselmo und
Lucian unterhalten sich über die tiefsten Geheimnisse der Philosophie, auch
über andere Dinge z. B. über die Mysterien und Mythologie in einer ziemlich
schwerfälligen Sprache, weiche die Kunst durch Künstelei ersetzt. Am unan¬
genehmsten sind die Pythagoreischen Spielereien mit Zahlen. Bruno schUent
das Gespräch mit einer entzückten Aussicht auf den Zustand des absoluten
Erkennens-
. "Wir werden die königliche Seele des Jupiter begreifen, der in
unnahbaren Aether wohnt. Auch die Schicksale des Universums und die Vor¬
stellungen von den Schicksalen und dem Tode eines Gottes werden uns nicht
verborgen bleiben, so wenig wie die Zurückziehung des göttlichen PrincipsVW der Welt, und wie die mit der Form vermählte Materie der starren
Nothwendigkeit überliefert worden. Vor allem aber wird unser Auge auf die
obern Götter gerichtet sein und jenes seligsten Seins Theilnahme durch An¬
schauen erlangend, werden wir wahrhaft vollendet werden, ^in wir Nicht
nur als der Sterblichkeit Entflohene, sondern als solche, welche die ^ende
unsterblicher Götter empfangen haben, in dem herrlichen Kreise Über

Im "kritischen Journal" von 1802 war Schellings wichtigster Beitragdie Abhandlung "über das Verhältniß der Naturphilosophie zur Philosophie
überhaupt", in welcher sich ein so entschiedener Einfluß Hegels ausspricht.


lung gefördert, hauptsachlich aber der Verkehr mit Hegel. Wenn er früher,
um zu der Identität zu gelangen, von den beiden Polen des Selbstbewußt¬
seins und der Natur ausging, begann er jetzt mit dem Begriff der absoluten
Identität d. h. der Identität der Identität und der Nichtidentitat. D^e
Identität erscheint in mannigfaltigen Metamorphosen und Potenzen als Ma¬
terie, als Kraft. als Ausdehnung, als Wärme u. s. w.. es hat kein großes
Interesse, weiter darauf einzugehen. Zu bemerken ist noch der Eifer, mal dem
Goethes Farbenlehre vertheidigt wurde.

Während er die Zeitschrift für speculative Physik selbstständig fortsetzte,
verband er sich 1802 mit Hegel in dem kritischen Journal der Phüosoph.e.
Sie behandelten den neuen Idealismus als „unsere" Philosophie und bespra¬
chen sämmtliche Gegner mit einer Grobheit, die zuweilen an die Zote grenzte
Der große Kampf gehört Hegel ganz ausschließlich an. der bereits im Mi
1801 die Differenz des Fichteschen und des Schellingschen Systems geschrieben
hatte; worauf sich dann auch Schellina. am 3. Oct. 1801 in einem Bnef mit
Fichte auseinandersetzte Kaum zwei Jahre waren nach dem Kaninchen «end¬
schreiben verflossen und schon konnten die damaligen beiden Freunde. was sie
sich damals gesagt, auf ihr eignes Verhältniß anwenden. Im Winter 1801
zu 1802 arbeitete Schelling sein Gespräch aus: „Bruno oder über das
göttliche und natürliche Princip der Dinge." Schon früher hatte ihn
die Platonische Kunstform sehr angezogen, zuletzt hatte wol Schlegels Gespräch
über Poesie ihn bestimmt; vier Philosophen. Bruno. Alexander. Anselmo und
Lucian unterhalten sich über die tiefsten Geheimnisse der Philosophie, auch
über andere Dinge z. B. über die Mysterien und Mythologie in einer ziemlich
schwerfälligen Sprache, weiche die Kunst durch Künstelei ersetzt. Am unan¬
genehmsten sind die Pythagoreischen Spielereien mit Zahlen. Bruno schUent
das Gespräch mit einer entzückten Aussicht auf den Zustand des absoluten
Erkennens-
. „Wir werden die königliche Seele des Jupiter begreifen, der in
unnahbaren Aether wohnt. Auch die Schicksale des Universums und die Vor¬
stellungen von den Schicksalen und dem Tode eines Gottes werden uns nicht
verborgen bleiben, so wenig wie die Zurückziehung des göttlichen PrincipsVW der Welt, und wie die mit der Form vermählte Materie der starren
Nothwendigkeit überliefert worden. Vor allem aber wird unser Auge auf die
obern Götter gerichtet sein und jenes seligsten Seins Theilnahme durch An¬
schauen erlangend, werden wir wahrhaft vollendet werden, ^in wir Nicht
nur als der Sterblichkeit Entflohene, sondern als solche, welche die ^ende
unsterblicher Götter empfangen haben, in dem herrlichen Kreise Über

Im „kritischen Journal" von 1802 war Schellings wichtigster Beitragdie Abhandlung „über das Verhältniß der Naturphilosophie zur Philosophie
überhaupt", in welcher sich ein so entschiedener Einfluß Hegels ausspricht.


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[0075] lung gefördert, hauptsachlich aber der Verkehr mit Hegel. Wenn er früher, um zu der Identität zu gelangen, von den beiden Polen des Selbstbewußt¬ seins und der Natur ausging, begann er jetzt mit dem Begriff der absoluten Identität d. h. der Identität der Identität und der Nichtidentitat. D^e Identität erscheint in mannigfaltigen Metamorphosen und Potenzen als Ma¬ terie, als Kraft. als Ausdehnung, als Wärme u. s. w.. es hat kein großes Interesse, weiter darauf einzugehen. Zu bemerken ist noch der Eifer, mal dem Goethes Farbenlehre vertheidigt wurde. Während er die Zeitschrift für speculative Physik selbstständig fortsetzte, verband er sich 1802 mit Hegel in dem kritischen Journal der Phüosoph.e. Sie behandelten den neuen Idealismus als „unsere" Philosophie und bespra¬ chen sämmtliche Gegner mit einer Grobheit, die zuweilen an die Zote grenzte Der große Kampf gehört Hegel ganz ausschließlich an. der bereits im Mi 1801 die Differenz des Fichteschen und des Schellingschen Systems geschrieben hatte; worauf sich dann auch Schellina. am 3. Oct. 1801 in einem Bnef mit Fichte auseinandersetzte Kaum zwei Jahre waren nach dem Kaninchen «end¬ schreiben verflossen und schon konnten die damaligen beiden Freunde. was sie sich damals gesagt, auf ihr eignes Verhältniß anwenden. Im Winter 1801 zu 1802 arbeitete Schelling sein Gespräch aus: „Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge." Schon früher hatte ihn die Platonische Kunstform sehr angezogen, zuletzt hatte wol Schlegels Gespräch über Poesie ihn bestimmt; vier Philosophen. Bruno. Alexander. Anselmo und Lucian unterhalten sich über die tiefsten Geheimnisse der Philosophie, auch über andere Dinge z. B. über die Mysterien und Mythologie in einer ziemlich schwerfälligen Sprache, weiche die Kunst durch Künstelei ersetzt. Am unan¬ genehmsten sind die Pythagoreischen Spielereien mit Zahlen. Bruno schUent das Gespräch mit einer entzückten Aussicht auf den Zustand des absoluten Erkennens- . „Wir werden die königliche Seele des Jupiter begreifen, der in unnahbaren Aether wohnt. Auch die Schicksale des Universums und die Vor¬ stellungen von den Schicksalen und dem Tode eines Gottes werden uns nicht verborgen bleiben, so wenig wie die Zurückziehung des göttlichen PrincipsVW der Welt, und wie die mit der Form vermählte Materie der starren Nothwendigkeit überliefert worden. Vor allem aber wird unser Auge auf die obern Götter gerichtet sein und jenes seligsten Seins Theilnahme durch An¬ schauen erlangend, werden wir wahrhaft vollendet werden, ^in wir Nicht nur als der Sterblichkeit Entflohene, sondern als solche, welche die ^ende unsterblicher Götter empfangen haben, in dem herrlichen Kreise Über Im „kritischen Journal" von 1802 war Schellings wichtigster Beitragdie Abhandlung „über das Verhältniß der Naturphilosophie zur Philosophie überhaupt", in welcher sich ein so entschiedener Einfluß Hegels ausspricht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/75>, abgerufen am 31.05.2024.