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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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So z. B. in einer Angriffsschlacht wird man gewöhnlich folgende Auf¬
gaben zu unterscheiden haben: auf einem Flügel einen Scheinangriff führen,
gegen den andern Flügel oder das Centrum den Hauptangriff machen, die
Theile der feindlichen Linie, gegen welche weder der Haupt- noch der Schein¬
angriff gerichtet wird, wenigstens beobachten und wenn sie selbst etwas Posi¬
tives erreichen wollen, sie zurückweisen, aufhalten, bis der Hauptangriff durch¬
gedrungen ist oder bis man sein ursprüngliches Ziel aufgibt, die Schlacht
abbricht, den Rückzug antritt; endlich Reserven aufstellen, welche unvorinuthett
Ereignisse pariren, welche die Entscheidung in der Krisis der Schlacht geben,
eine kräftige Verfolgung übernehmen oder im schlimmsten Falle den Rückzug
decken können.

Da brauchte man nun im Heer etwa folgende großen Theile oder Ein¬
heiten: ein Corps für den Scheinangriff, zwei für den Hauptangriff, eins
zur Beobachtung der nicht angegriffenen Theile der feindlichen Linie, zwei zur
Reserve; im Ganzen sechs Corps oder Einheiten.

Hat man nur zwei, was geschieht dann? Man könnte z. B. die Unter¬
aufgaben auf zwei reduciren: Scheinangriff und Hauptangriff. Da nun aber
die beiden Einheiten gleich groß sind und man sie doch nicht cmseinanderrei-
hen darf, -- denn wozu wäre dann die Eintheilung überhaupt gemacht? --
so muß man die eine aus den Hauptangriff, die andere auf den Scheinangriff
verwenden, d. h. ebenso viele Kraft auf die Nebensache, die Demonstration,
als auf die Hauptsache, den Stoß, der den Feind völlig niederwerfen soll.
Reserven hat nun der Oberfeldhcrr gar nicht. Allerdings kann jeder der bei¬
den Commandanten der großen Einheiten sich seine eigene Reserve bilden und
wird es jedenfalls thun. Aber dann leitet nicht mehr der Oberfeldherr die
Schlacht, sondern das thun seine beiden Unterbefehlshaber. Jener hat sich
durch die schlaue Eintheilung seines Heeres selbst abgesetzt; denn nur wer
über die Reserven disponirt, hat eine wirkliche Leitung des Kampfes wie der
Operationen in der Hand.

Ist nun in dieser Zweitheilung, welche jedem Naturgesetz Hohn spricht,
irgend eine Vernunft? Man mag sie betrachten, in Bezug auf welche kriege¬
rische Handlung man wolle, man wird immer wieder zu denselben Resultaten
gelangen, welche wir bei unserm leicht skizzirten Beispiel oben gefunden haben.
Niemand wird daher wol in dieser Aenderung im Oberbefehl einen Fort¬
schritt sehen wollen oder sie schön finden. Niemand außer einer, die Augs¬
burger Zeitung nämlich; denn die hat von Anfang an alles gut gefunden,
was die Oestreicher gethan haben.

Guilay geht über den Tessin. "Schön," ruft die Augsburgerin. Er setzt
nach Norden an; "prächtig!" schreit die Augsburgerin. Er setzt nach Süden
an; "superb!" -- Er setzt nach Westen- an; -- "ausgezeichnet! Er setzt noch


So z. B. in einer Angriffsschlacht wird man gewöhnlich folgende Auf¬
gaben zu unterscheiden haben: auf einem Flügel einen Scheinangriff führen,
gegen den andern Flügel oder das Centrum den Hauptangriff machen, die
Theile der feindlichen Linie, gegen welche weder der Haupt- noch der Schein¬
angriff gerichtet wird, wenigstens beobachten und wenn sie selbst etwas Posi¬
tives erreichen wollen, sie zurückweisen, aufhalten, bis der Hauptangriff durch¬
gedrungen ist oder bis man sein ursprüngliches Ziel aufgibt, die Schlacht
abbricht, den Rückzug antritt; endlich Reserven aufstellen, welche unvorinuthett
Ereignisse pariren, welche die Entscheidung in der Krisis der Schlacht geben,
eine kräftige Verfolgung übernehmen oder im schlimmsten Falle den Rückzug
decken können.

Da brauchte man nun im Heer etwa folgende großen Theile oder Ein¬
heiten: ein Corps für den Scheinangriff, zwei für den Hauptangriff, eins
zur Beobachtung der nicht angegriffenen Theile der feindlichen Linie, zwei zur
Reserve; im Ganzen sechs Corps oder Einheiten.

Hat man nur zwei, was geschieht dann? Man könnte z. B. die Unter¬
aufgaben auf zwei reduciren: Scheinangriff und Hauptangriff. Da nun aber
die beiden Einheiten gleich groß sind und man sie doch nicht cmseinanderrei-
hen darf, — denn wozu wäre dann die Eintheilung überhaupt gemacht? —
so muß man die eine aus den Hauptangriff, die andere auf den Scheinangriff
verwenden, d. h. ebenso viele Kraft auf die Nebensache, die Demonstration,
als auf die Hauptsache, den Stoß, der den Feind völlig niederwerfen soll.
Reserven hat nun der Oberfeldhcrr gar nicht. Allerdings kann jeder der bei¬
den Commandanten der großen Einheiten sich seine eigene Reserve bilden und
wird es jedenfalls thun. Aber dann leitet nicht mehr der Oberfeldherr die
Schlacht, sondern das thun seine beiden Unterbefehlshaber. Jener hat sich
durch die schlaue Eintheilung seines Heeres selbst abgesetzt; denn nur wer
über die Reserven disponirt, hat eine wirkliche Leitung des Kampfes wie der
Operationen in der Hand.

Ist nun in dieser Zweitheilung, welche jedem Naturgesetz Hohn spricht,
irgend eine Vernunft? Man mag sie betrachten, in Bezug auf welche kriege¬
rische Handlung man wolle, man wird immer wieder zu denselben Resultaten
gelangen, welche wir bei unserm leicht skizzirten Beispiel oben gefunden haben.
Niemand wird daher wol in dieser Aenderung im Oberbefehl einen Fort¬
schritt sehen wollen oder sie schön finden. Niemand außer einer, die Augs¬
burger Zeitung nämlich; denn die hat von Anfang an alles gut gefunden,
was die Oestreicher gethan haben.

Guilay geht über den Tessin. „Schön," ruft die Augsburgerin. Er setzt
nach Norden an; „prächtig!" schreit die Augsburgerin. Er setzt nach Süden
an; „superb!" — Er setzt nach Westen- an; — „ausgezeichnet! Er setzt noch


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[0092] So z. B. in einer Angriffsschlacht wird man gewöhnlich folgende Auf¬ gaben zu unterscheiden haben: auf einem Flügel einen Scheinangriff führen, gegen den andern Flügel oder das Centrum den Hauptangriff machen, die Theile der feindlichen Linie, gegen welche weder der Haupt- noch der Schein¬ angriff gerichtet wird, wenigstens beobachten und wenn sie selbst etwas Posi¬ tives erreichen wollen, sie zurückweisen, aufhalten, bis der Hauptangriff durch¬ gedrungen ist oder bis man sein ursprüngliches Ziel aufgibt, die Schlacht abbricht, den Rückzug antritt; endlich Reserven aufstellen, welche unvorinuthett Ereignisse pariren, welche die Entscheidung in der Krisis der Schlacht geben, eine kräftige Verfolgung übernehmen oder im schlimmsten Falle den Rückzug decken können. Da brauchte man nun im Heer etwa folgende großen Theile oder Ein¬ heiten: ein Corps für den Scheinangriff, zwei für den Hauptangriff, eins zur Beobachtung der nicht angegriffenen Theile der feindlichen Linie, zwei zur Reserve; im Ganzen sechs Corps oder Einheiten. Hat man nur zwei, was geschieht dann? Man könnte z. B. die Unter¬ aufgaben auf zwei reduciren: Scheinangriff und Hauptangriff. Da nun aber die beiden Einheiten gleich groß sind und man sie doch nicht cmseinanderrei- hen darf, — denn wozu wäre dann die Eintheilung überhaupt gemacht? — so muß man die eine aus den Hauptangriff, die andere auf den Scheinangriff verwenden, d. h. ebenso viele Kraft auf die Nebensache, die Demonstration, als auf die Hauptsache, den Stoß, der den Feind völlig niederwerfen soll. Reserven hat nun der Oberfeldhcrr gar nicht. Allerdings kann jeder der bei¬ den Commandanten der großen Einheiten sich seine eigene Reserve bilden und wird es jedenfalls thun. Aber dann leitet nicht mehr der Oberfeldherr die Schlacht, sondern das thun seine beiden Unterbefehlshaber. Jener hat sich durch die schlaue Eintheilung seines Heeres selbst abgesetzt; denn nur wer über die Reserven disponirt, hat eine wirkliche Leitung des Kampfes wie der Operationen in der Hand. Ist nun in dieser Zweitheilung, welche jedem Naturgesetz Hohn spricht, irgend eine Vernunft? Man mag sie betrachten, in Bezug auf welche kriege¬ rische Handlung man wolle, man wird immer wieder zu denselben Resultaten gelangen, welche wir bei unserm leicht skizzirten Beispiel oben gefunden haben. Niemand wird daher wol in dieser Aenderung im Oberbefehl einen Fort¬ schritt sehen wollen oder sie schön finden. Niemand außer einer, die Augs¬ burger Zeitung nämlich; denn die hat von Anfang an alles gut gefunden, was die Oestreicher gethan haben. Guilay geht über den Tessin. „Schön," ruft die Augsburgerin. Er setzt nach Norden an; „prächtig!" schreit die Augsburgerin. Er setzt nach Süden an; „superb!" — Er setzt nach Westen- an; — „ausgezeichnet! Er setzt noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/92>, abgerufen am 14.05.2024.