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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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für die Waldenser die bürgerlichen und politischen Rechte, welche ihnen Frank¬
reich angeboten hatte, und der Herzog von Aosta übernahm es. seinem Vater^
die Forderung des edlen Mannes vorzulegen. In dem Antwortschreiben ver¬
sprach er, nach rühmlicher Erwähnung der der Krone von Seiten der Wal¬
denser stets bewiesenen Treue und ihrer Tapferkeit, denselben nach dem
Kriege alles zu verwilligen, was sich mit der Einrichtung des Staats
vereinbaren lasse!! -- Erlaubt wurde den Waldensern, unter den Ihrigen
als Aerzte zu fungiren; es wurde versprochen, fiscalische Mißbräuche abzu¬
schaffen und es sollten den Waldensern nicht mehr ihre Kinder in unreifem
Alter weggenommen werden, um sie katholisch zu erziehen! Nach Beendigung
des Krieges sollten die Waldenser noch besondere Zeichen des speciellen Schutzes
des Regenten erhalten. Als aber die Gefahren für dies Mal vorüber waren,
trat die frühere Härte gegen die tapferen Vaterlandsvertheidiger wieder ein;
die Vorstellungen des Generals Zimmermann fruchteten nichts.

Auf Victor Amadeus war der Herzog von Aosta, nnter dem Namen Karl
Emanuel der Vierte, gefolgt, und an diesen richteten nun die Waldenser ihre
Bitten um Abhilfe der Bedrückungen. Allein die Minister antworteten ab¬
schläglich; die Reaction stieß abermals die Waldenser zurück, sobald man nicht
mehr ihrer Waffen bedürfte.

Erst als die Monarchie durch die Errichtung der ligurischen und der
cisalpinischen Republik mit neuen Gefahren bedroht wurde, änderte sich wieder
die Sprache des Hoff, und die Waldenser erhielten mit den Katholiken beinahe
gleiche Rechte als Bürger.

Als Napoleon Italien jedoch verlassen hatte und der Thron Sardiniens
wieder befestigt schien, sing man bereits wieder an, die Bitten der Waldenser
abzuschlagen. Neue Drohungen eines Kriegszugs von Seiten Frankreichs
hatten eine abermalige Aenderung der Sprache des Cabinets gegen die Wal¬
denser zur Folge. Dieses wetterwendische Benehmen brachte die Regierung
um alle Achtung. Ruhmlos legte Karl Emanuel die Krone nieder und begab
sich nach Cagliari.

Unter Suwarow drang eine russische Armee in Piemont ein. Verwundete
Franzosen und Invaliden, die Ueberreste der Armee von Verona, wichen vor
den Russen zurück und langten aus Wagen geschichtet in dem hilfsbedürftigsten
Zustande in La Tour an. Ein blinder Lärm, daß die Kosaken nahten, scheuchte
die Wagenführer mit ihren Wagen in die Flucht und die armen Kranken und
Verwundeten mußten sich zu Fuß nach Marguerit schleppen, wo sie Halt mach¬
ten und dann am Abend in Bobi anlangten. Der ehrwürdige Pfarrer da¬
selbst, Emanuel Rostan und seine Pfarrkinder retteten sie. Ein Tages¬
befehl des Obergenerals der französischen Armee ehrte diese That und er¬
zählte, wie Rostan die Thalbewohner ausrief, die dreihundert verwundeten oder


für die Waldenser die bürgerlichen und politischen Rechte, welche ihnen Frank¬
reich angeboten hatte, und der Herzog von Aosta übernahm es. seinem Vater^
die Forderung des edlen Mannes vorzulegen. In dem Antwortschreiben ver¬
sprach er, nach rühmlicher Erwähnung der der Krone von Seiten der Wal¬
denser stets bewiesenen Treue und ihrer Tapferkeit, denselben nach dem
Kriege alles zu verwilligen, was sich mit der Einrichtung des Staats
vereinbaren lasse!! — Erlaubt wurde den Waldensern, unter den Ihrigen
als Aerzte zu fungiren; es wurde versprochen, fiscalische Mißbräuche abzu¬
schaffen und es sollten den Waldensern nicht mehr ihre Kinder in unreifem
Alter weggenommen werden, um sie katholisch zu erziehen! Nach Beendigung
des Krieges sollten die Waldenser noch besondere Zeichen des speciellen Schutzes
des Regenten erhalten. Als aber die Gefahren für dies Mal vorüber waren,
trat die frühere Härte gegen die tapferen Vaterlandsvertheidiger wieder ein;
die Vorstellungen des Generals Zimmermann fruchteten nichts.

Auf Victor Amadeus war der Herzog von Aosta, nnter dem Namen Karl
Emanuel der Vierte, gefolgt, und an diesen richteten nun die Waldenser ihre
Bitten um Abhilfe der Bedrückungen. Allein die Minister antworteten ab¬
schläglich; die Reaction stieß abermals die Waldenser zurück, sobald man nicht
mehr ihrer Waffen bedürfte.

Erst als die Monarchie durch die Errichtung der ligurischen und der
cisalpinischen Republik mit neuen Gefahren bedroht wurde, änderte sich wieder
die Sprache des Hoff, und die Waldenser erhielten mit den Katholiken beinahe
gleiche Rechte als Bürger.

Als Napoleon Italien jedoch verlassen hatte und der Thron Sardiniens
wieder befestigt schien, sing man bereits wieder an, die Bitten der Waldenser
abzuschlagen. Neue Drohungen eines Kriegszugs von Seiten Frankreichs
hatten eine abermalige Aenderung der Sprache des Cabinets gegen die Wal¬
denser zur Folge. Dieses wetterwendische Benehmen brachte die Regierung
um alle Achtung. Ruhmlos legte Karl Emanuel die Krone nieder und begab
sich nach Cagliari.

Unter Suwarow drang eine russische Armee in Piemont ein. Verwundete
Franzosen und Invaliden, die Ueberreste der Armee von Verona, wichen vor
den Russen zurück und langten aus Wagen geschichtet in dem hilfsbedürftigsten
Zustande in La Tour an. Ein blinder Lärm, daß die Kosaken nahten, scheuchte
die Wagenführer mit ihren Wagen in die Flucht und die armen Kranken und
Verwundeten mußten sich zu Fuß nach Marguerit schleppen, wo sie Halt mach¬
ten und dann am Abend in Bobi anlangten. Der ehrwürdige Pfarrer da¬
selbst, Emanuel Rostan und seine Pfarrkinder retteten sie. Ein Tages¬
befehl des Obergenerals der französischen Armee ehrte diese That und er¬
zählte, wie Rostan die Thalbewohner ausrief, die dreihundert verwundeten oder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/15>, abgerufen am 21.05.2024.