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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Schatzscheinen der schwebenden Schuld, welche die Bank zu discontiren über¬
nommen. Dies ist aber grade das Verhängnißvolle jeder derartigen Verbindung
zwischen einer privilegirten Bank und dem Staat, daß jene gern Vorschüsse
gewahrt, da letzterer ihr für den Betrag eine Vermehrung ihrer zinslosen No¬
ten zugestehen muß und dies nur zu leicht thut, wenn er sich damit aus den
augenblicklichen Verlegenheiten ziehen kann. Das war auch in Wien während
einer Reihe von Jahren der Verlauf gewesen. Im Anfang 1848 hatte die
Bank allein auf Schatzscheine 50 Mill. Fi. vorgeschossen und hatte im
Ganzen vom Staate 130 Mill. zu fordern. Alles dies aber ward geheim
betrieben, das Publicum erfuhr nichts davon; erst am 15. März 1848 veröffent¬
lichte die Direction eine Bilanz, wonach der Baarschatz 66 Mill. und der
Notenumlauf 214 Mill. Fi. war, ein Verhältniß von 1:3,29, immerhin noch
nicht übermäßig ungünstig. Aber es beruhigte nicht in jener Zeit, wo ganz Eu¬
ropa in Flammen stand, jeder wollte baares Silber haben, und trotz der Aus¬
fuhrverbote von Edelmetallen war am 25. Mai der Baarbestand auf 21 Mill,
gesunken. Daß der Stand in solchem Augenblicke seine Schuld zurückzahle und so
die Bank solvent erhalte war nicht möglich, dieselbe konnte auch uicht ihre Obli¬
gationen verkaufen, da sie fast um 50"/<, gefallen waren und ein Massenverkanf sie
noch mehr hätte sinken lassen, man entschloß sich also zu dem unheilvollen
Auskunftsmittel, die Bank ihrer Einlösungsverbindlichkeit zu entheben. Dieje
Insolvenz dauert jetzt mit der kaum nennenswerthen und wesentlich illusorischen
Unterbrechung der ersten Monate von 1859 elf Jahre. Gleichzeitig begannen
die Vorschüsse der Bank an den Staat, der für seine.ungeheuern außerordent¬
lichen Ausgaben nirgend anders Geld fand. Nach Besiegung der Revolution
traf man wol ernste Anstalten, um die Schuld des Staates an die Bank zu-
rückzuzahlen, man machte ein Silberanlchen nach dem andern, aber hier griff
das Deficit der Finanzen störend ein, das alle Anlehen verschlang, zum gro¬
ßen Theil auch das Nationalanlehen. Die verschiedenen Uebereinkünfte, welche
die Finanzverwaltung mit der Bank schloß, kamen theils nicht zur Ausführung'
theils konnten sie keine Hilfe bringen, weil letzterer schwer zu realisircnde
Werthe, wie Domainen für ihre Forderungen überwiesen wurden. Erst in den
Jahren 1856 -- 58 machte man Ernst, der Bank zur Solvenz zu verhelfen,
wozu auch der mit dem 1. Januar 1859 in Kraft tretende deutsche Münz-
vertrag nöthigte. Indeß geschah dies in einer Weise, die uns bei der Mit¬
wirkung eines Mannes wie Brück unbegreiflich erscheint, man häufte das
Silber, das man mit großen Opfern im Auslande aufkaufte, unproductiv
den Kellern der Bank auf. so daß es noch als ein sehr gutes Geschäft be¬
trachtet werden muß, wenn die Bank ermächtigt ward, dem hamburgische"
Staate auf kurze Zeit zehn Mill. Gulden zu leihen, wofür sie 6<>/" erhielt.
Die Aufnahme der Barzahlungen begann theilweise Ende vorigen Jahres.


Schatzscheinen der schwebenden Schuld, welche die Bank zu discontiren über¬
nommen. Dies ist aber grade das Verhängnißvolle jeder derartigen Verbindung
zwischen einer privilegirten Bank und dem Staat, daß jene gern Vorschüsse
gewahrt, da letzterer ihr für den Betrag eine Vermehrung ihrer zinslosen No¬
ten zugestehen muß und dies nur zu leicht thut, wenn er sich damit aus den
augenblicklichen Verlegenheiten ziehen kann. Das war auch in Wien während
einer Reihe von Jahren der Verlauf gewesen. Im Anfang 1848 hatte die
Bank allein auf Schatzscheine 50 Mill. Fi. vorgeschossen und hatte im
Ganzen vom Staate 130 Mill. zu fordern. Alles dies aber ward geheim
betrieben, das Publicum erfuhr nichts davon; erst am 15. März 1848 veröffent¬
lichte die Direction eine Bilanz, wonach der Baarschatz 66 Mill. und der
Notenumlauf 214 Mill. Fi. war, ein Verhältniß von 1:3,29, immerhin noch
nicht übermäßig ungünstig. Aber es beruhigte nicht in jener Zeit, wo ganz Eu¬
ropa in Flammen stand, jeder wollte baares Silber haben, und trotz der Aus¬
fuhrverbote von Edelmetallen war am 25. Mai der Baarbestand auf 21 Mill,
gesunken. Daß der Stand in solchem Augenblicke seine Schuld zurückzahle und so
die Bank solvent erhalte war nicht möglich, dieselbe konnte auch uicht ihre Obli¬
gationen verkaufen, da sie fast um 50"/<, gefallen waren und ein Massenverkanf sie
noch mehr hätte sinken lassen, man entschloß sich also zu dem unheilvollen
Auskunftsmittel, die Bank ihrer Einlösungsverbindlichkeit zu entheben. Dieje
Insolvenz dauert jetzt mit der kaum nennenswerthen und wesentlich illusorischen
Unterbrechung der ersten Monate von 1859 elf Jahre. Gleichzeitig begannen
die Vorschüsse der Bank an den Staat, der für seine.ungeheuern außerordent¬
lichen Ausgaben nirgend anders Geld fand. Nach Besiegung der Revolution
traf man wol ernste Anstalten, um die Schuld des Staates an die Bank zu-
rückzuzahlen, man machte ein Silberanlchen nach dem andern, aber hier griff
das Deficit der Finanzen störend ein, das alle Anlehen verschlang, zum gro¬
ßen Theil auch das Nationalanlehen. Die verschiedenen Uebereinkünfte, welche
die Finanzverwaltung mit der Bank schloß, kamen theils nicht zur Ausführung'
theils konnten sie keine Hilfe bringen, weil letzterer schwer zu realisircnde
Werthe, wie Domainen für ihre Forderungen überwiesen wurden. Erst in den
Jahren 1856 — 58 machte man Ernst, der Bank zur Solvenz zu verhelfen,
wozu auch der mit dem 1. Januar 1859 in Kraft tretende deutsche Münz-
vertrag nöthigte. Indeß geschah dies in einer Weise, die uns bei der Mit¬
wirkung eines Mannes wie Brück unbegreiflich erscheint, man häufte das
Silber, das man mit großen Opfern im Auslande aufkaufte, unproductiv
den Kellern der Bank auf. so daß es noch als ein sehr gutes Geschäft be¬
trachtet werden muß, wenn die Bank ermächtigt ward, dem hamburgische"
Staate auf kurze Zeit zehn Mill. Gulden zu leihen, wofür sie 6<>/„ erhielt.
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[0192] Schatzscheinen der schwebenden Schuld, welche die Bank zu discontiren über¬ nommen. Dies ist aber grade das Verhängnißvolle jeder derartigen Verbindung zwischen einer privilegirten Bank und dem Staat, daß jene gern Vorschüsse gewahrt, da letzterer ihr für den Betrag eine Vermehrung ihrer zinslosen No¬ ten zugestehen muß und dies nur zu leicht thut, wenn er sich damit aus den augenblicklichen Verlegenheiten ziehen kann. Das war auch in Wien während einer Reihe von Jahren der Verlauf gewesen. Im Anfang 1848 hatte die Bank allein auf Schatzscheine 50 Mill. Fi. vorgeschossen und hatte im Ganzen vom Staate 130 Mill. zu fordern. Alles dies aber ward geheim betrieben, das Publicum erfuhr nichts davon; erst am 15. März 1848 veröffent¬ lichte die Direction eine Bilanz, wonach der Baarschatz 66 Mill. und der Notenumlauf 214 Mill. Fi. war, ein Verhältniß von 1:3,29, immerhin noch nicht übermäßig ungünstig. Aber es beruhigte nicht in jener Zeit, wo ganz Eu¬ ropa in Flammen stand, jeder wollte baares Silber haben, und trotz der Aus¬ fuhrverbote von Edelmetallen war am 25. Mai der Baarbestand auf 21 Mill, gesunken. Daß der Stand in solchem Augenblicke seine Schuld zurückzahle und so die Bank solvent erhalte war nicht möglich, dieselbe konnte auch uicht ihre Obli¬ gationen verkaufen, da sie fast um 50"/<, gefallen waren und ein Massenverkanf sie noch mehr hätte sinken lassen, man entschloß sich also zu dem unheilvollen Auskunftsmittel, die Bank ihrer Einlösungsverbindlichkeit zu entheben. Dieje Insolvenz dauert jetzt mit der kaum nennenswerthen und wesentlich illusorischen Unterbrechung der ersten Monate von 1859 elf Jahre. Gleichzeitig begannen die Vorschüsse der Bank an den Staat, der für seine.ungeheuern außerordent¬ lichen Ausgaben nirgend anders Geld fand. Nach Besiegung der Revolution traf man wol ernste Anstalten, um die Schuld des Staates an die Bank zu- rückzuzahlen, man machte ein Silberanlchen nach dem andern, aber hier griff das Deficit der Finanzen störend ein, das alle Anlehen verschlang, zum gro¬ ßen Theil auch das Nationalanlehen. Die verschiedenen Uebereinkünfte, welche die Finanzverwaltung mit der Bank schloß, kamen theils nicht zur Ausführung' theils konnten sie keine Hilfe bringen, weil letzterer schwer zu realisircnde Werthe, wie Domainen für ihre Forderungen überwiesen wurden. Erst in den Jahren 1856 — 58 machte man Ernst, der Bank zur Solvenz zu verhelfen, wozu auch der mit dem 1. Januar 1859 in Kraft tretende deutsche Münz- vertrag nöthigte. Indeß geschah dies in einer Weise, die uns bei der Mit¬ wirkung eines Mannes wie Brück unbegreiflich erscheint, man häufte das Silber, das man mit großen Opfern im Auslande aufkaufte, unproductiv den Kellern der Bank auf. so daß es noch als ein sehr gutes Geschäft be¬ trachtet werden muß, wenn die Bank ermächtigt ward, dem hamburgische" Staate auf kurze Zeit zehn Mill. Gulden zu leihen, wofür sie 6<>/„ erhielt. Die Aufnahme der Barzahlungen begann theilweise Ende vorigen Jahres.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/192>, abgerufen am 14.06.2024.