Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schon war nach Tour der Befehl gekommen, für Einquartierung der Li¬
nientruppen, welche den König als Leibwache begleiten sollten. Quartier zu
machen: da traf auf einmal die frohe Nachricht ein. daß der König befohlen
habe, die Garden sollten ihm nicht folgen; er hätte, habe er gesagt, derselben
in der Mitte seiner Waldenser nicht nöthig.

Und so geschah es; das Militär ging nach Pignerol zurück. Die Mar¬
quis von Luzern und von Angrogne baten den König, sich von dem Waldenser-
militär empfangen zu lassen. Obgleich er nun nur zur Feier einer katholi¬
schen Ceremonie erschienen war. so gewährte er doch die Bitte. Und so bil¬
deten alle wehrhafte Männer der Thäler Luzern, Angrogne und Prarusting
beim Einzug Karl Alberts. der sich unter feierlichem Schweigen nach der
neuen katholischen Kirche begab, ein Spalier. Während der König seine An¬
dacht verrichtete, hatten sich die Waldenser aus den Straßen von Luzern auf¬
gestellt und empfingen ihn nun bei seiner Rückkehr mit nicht enden wollenden
Freudenrufen.

Lebhaft ergriffen von diesem herzlichen Empfang ließ Karl Albert, vor
den Thoren des Palastes von Luzern stehend, die Waldensercompagnien nach
ihren Communen und mit ihren Fahnen vor sich vorüberziehen und grüßte
jede Fahne. Mit freundlichem Lächeln bemerkte er es. wenn ein Fahnenträger,
nicht zufrieden, seine Fahne vor ihm zu senken, ihn auch noch durch Abnahme
seines Hutes grüßte. -- Welch eine Veränderung im Vergleich mit den ersten
Regierungsjahren des Königs, namentlich aber mit dem Zustand der Wal¬
denser unter Karl Felix!

Auch die Beamten der Waldensertafel erfreuten sich beim König eines
gnädigen Empfangs; er gab sich dem Volk der Waldenser ganz hin und nahm
keine andere Deputation an. Vor seiner Abreise händigte er dem Syndicus
von La Tour ein reiches Geschenk für die Armen beider Konfessionen ein. Aus
seinem Wege loderte ein Kranz von Freudenfeuern aus den Bergen ringsum¬
her. -- Am Eingang des Schlosses in La Tour ließ er ein Brunnenmonu¬
ment mit der Aufschrift errichten: "König Karl Albert dem Volke, welches ihn
mit so großer Liebe empfing. 1845. Auf dem Rückweg sprach der König:
"Niemals werde ich die Liebesbezeugungen der Waldenser vergessen, welche
dem Thron von Savoyen noch dieselbe Treue bewahrt haben, durch welche
sich einst ihre Vorfahren auszeichneten."

So bot die Einweihung einer der Waldenserkirche ursprünglich feindlichen
Anstalt, statt die Besorgniß, welche sie zuerst bei ihnen hervorgerufen hatte,
zu rechtfertigen, den Waldenscrn vielmehr eine Bürgschaft von Glück und
Schutz unter ihrem freisinnigen, aufgeklärten König.

Welche gründliche Veränderung in der ganzen Staatseinrichtung vorge¬
gangen war, das bewies am schlagendsten der Umstand, daß der Oberst


2"

Schon war nach Tour der Befehl gekommen, für Einquartierung der Li¬
nientruppen, welche den König als Leibwache begleiten sollten. Quartier zu
machen: da traf auf einmal die frohe Nachricht ein. daß der König befohlen
habe, die Garden sollten ihm nicht folgen; er hätte, habe er gesagt, derselben
in der Mitte seiner Waldenser nicht nöthig.

Und so geschah es; das Militär ging nach Pignerol zurück. Die Mar¬
quis von Luzern und von Angrogne baten den König, sich von dem Waldenser-
militär empfangen zu lassen. Obgleich er nun nur zur Feier einer katholi¬
schen Ceremonie erschienen war. so gewährte er doch die Bitte. Und so bil¬
deten alle wehrhafte Männer der Thäler Luzern, Angrogne und Prarusting
beim Einzug Karl Alberts. der sich unter feierlichem Schweigen nach der
neuen katholischen Kirche begab, ein Spalier. Während der König seine An¬
dacht verrichtete, hatten sich die Waldenser aus den Straßen von Luzern auf¬
gestellt und empfingen ihn nun bei seiner Rückkehr mit nicht enden wollenden
Freudenrufen.

Lebhaft ergriffen von diesem herzlichen Empfang ließ Karl Albert, vor
den Thoren des Palastes von Luzern stehend, die Waldensercompagnien nach
ihren Communen und mit ihren Fahnen vor sich vorüberziehen und grüßte
jede Fahne. Mit freundlichem Lächeln bemerkte er es. wenn ein Fahnenträger,
nicht zufrieden, seine Fahne vor ihm zu senken, ihn auch noch durch Abnahme
seines Hutes grüßte. — Welch eine Veränderung im Vergleich mit den ersten
Regierungsjahren des Königs, namentlich aber mit dem Zustand der Wal¬
denser unter Karl Felix!

Auch die Beamten der Waldensertafel erfreuten sich beim König eines
gnädigen Empfangs; er gab sich dem Volk der Waldenser ganz hin und nahm
keine andere Deputation an. Vor seiner Abreise händigte er dem Syndicus
von La Tour ein reiches Geschenk für die Armen beider Konfessionen ein. Aus
seinem Wege loderte ein Kranz von Freudenfeuern aus den Bergen ringsum¬
her. — Am Eingang des Schlosses in La Tour ließ er ein Brunnenmonu¬
ment mit der Aufschrift errichten: „König Karl Albert dem Volke, welches ihn
mit so großer Liebe empfing. 1845. Auf dem Rückweg sprach der König:
„Niemals werde ich die Liebesbezeugungen der Waldenser vergessen, welche
dem Thron von Savoyen noch dieselbe Treue bewahrt haben, durch welche
sich einst ihre Vorfahren auszeichneten."

So bot die Einweihung einer der Waldenserkirche ursprünglich feindlichen
Anstalt, statt die Besorgniß, welche sie zuerst bei ihnen hervorgerufen hatte,
zu rechtfertigen, den Waldenscrn vielmehr eine Bürgschaft von Glück und
Schutz unter ihrem freisinnigen, aufgeklärten König.

Welche gründliche Veränderung in der ganzen Staatseinrichtung vorge¬
gangen war, das bewies am schlagendsten der Umstand, daß der Oberst


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108153"/>
          <p xml:id="ID_59"> Schon war nach Tour der Befehl gekommen, für Einquartierung der Li¬<lb/>
nientruppen, welche den König als Leibwache begleiten sollten. Quartier zu<lb/>
machen: da traf auf einmal die frohe Nachricht ein. daß der König befohlen<lb/>
habe, die Garden sollten ihm nicht folgen; er hätte, habe er gesagt, derselben<lb/>
in der Mitte seiner Waldenser nicht nöthig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_60"> Und so geschah es; das Militär ging nach Pignerol zurück. Die Mar¬<lb/>
quis von Luzern und von Angrogne baten den König, sich von dem Waldenser-<lb/>
militär empfangen zu lassen. Obgleich er nun nur zur Feier einer katholi¬<lb/>
schen Ceremonie erschienen war. so gewährte er doch die Bitte. Und so bil¬<lb/>
deten alle wehrhafte Männer der Thäler Luzern, Angrogne und Prarusting<lb/>
beim Einzug Karl Alberts. der sich unter feierlichem Schweigen nach der<lb/>
neuen katholischen Kirche begab, ein Spalier. Während der König seine An¬<lb/>
dacht verrichtete, hatten sich die Waldenser aus den Straßen von Luzern auf¬<lb/>
gestellt und empfingen ihn nun bei seiner Rückkehr mit nicht enden wollenden<lb/>
Freudenrufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_61"> Lebhaft ergriffen von diesem herzlichen Empfang ließ Karl Albert, vor<lb/>
den Thoren des Palastes von Luzern stehend, die Waldensercompagnien nach<lb/>
ihren Communen und mit ihren Fahnen vor sich vorüberziehen und grüßte<lb/>
jede Fahne. Mit freundlichem Lächeln bemerkte er es. wenn ein Fahnenträger,<lb/>
nicht zufrieden, seine Fahne vor ihm zu senken, ihn auch noch durch Abnahme<lb/>
seines Hutes grüßte. &#x2014; Welch eine Veränderung im Vergleich mit den ersten<lb/>
Regierungsjahren des Königs, namentlich aber mit dem Zustand der Wal¬<lb/>
denser unter Karl Felix!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_62"> Auch die Beamten der Waldensertafel erfreuten sich beim König eines<lb/>
gnädigen Empfangs; er gab sich dem Volk der Waldenser ganz hin und nahm<lb/>
keine andere Deputation an. Vor seiner Abreise händigte er dem Syndicus<lb/>
von La Tour ein reiches Geschenk für die Armen beider Konfessionen ein. Aus<lb/>
seinem Wege loderte ein Kranz von Freudenfeuern aus den Bergen ringsum¬<lb/>
her. &#x2014; Am Eingang des Schlosses in La Tour ließ er ein Brunnenmonu¬<lb/>
ment mit der Aufschrift errichten: &#x201E;König Karl Albert dem Volke, welches ihn<lb/>
mit so großer Liebe empfing. 1845. Auf dem Rückweg sprach der König:<lb/>
&#x201E;Niemals werde ich die Liebesbezeugungen der Waldenser vergessen, welche<lb/>
dem Thron von Savoyen noch dieselbe Treue bewahrt haben, durch welche<lb/>
sich einst ihre Vorfahren auszeichneten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_63"> So bot die Einweihung einer der Waldenserkirche ursprünglich feindlichen<lb/>
Anstalt, statt die Besorgniß, welche sie zuerst bei ihnen hervorgerufen hatte,<lb/>
zu rechtfertigen, den Waldenscrn vielmehr eine Bürgschaft von Glück und<lb/>
Schutz unter ihrem freisinnigen, aufgeklärten König.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_64" next="#ID_65"> Welche gründliche Veränderung in der ganzen Staatseinrichtung vorge¬<lb/>
gangen war, das bewies am schlagendsten der Umstand, daß der Oberst</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"></fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Schon war nach Tour der Befehl gekommen, für Einquartierung der Li¬ nientruppen, welche den König als Leibwache begleiten sollten. Quartier zu machen: da traf auf einmal die frohe Nachricht ein. daß der König befohlen habe, die Garden sollten ihm nicht folgen; er hätte, habe er gesagt, derselben in der Mitte seiner Waldenser nicht nöthig. Und so geschah es; das Militär ging nach Pignerol zurück. Die Mar¬ quis von Luzern und von Angrogne baten den König, sich von dem Waldenser- militär empfangen zu lassen. Obgleich er nun nur zur Feier einer katholi¬ schen Ceremonie erschienen war. so gewährte er doch die Bitte. Und so bil¬ deten alle wehrhafte Männer der Thäler Luzern, Angrogne und Prarusting beim Einzug Karl Alberts. der sich unter feierlichem Schweigen nach der neuen katholischen Kirche begab, ein Spalier. Während der König seine An¬ dacht verrichtete, hatten sich die Waldenser aus den Straßen von Luzern auf¬ gestellt und empfingen ihn nun bei seiner Rückkehr mit nicht enden wollenden Freudenrufen. Lebhaft ergriffen von diesem herzlichen Empfang ließ Karl Albert, vor den Thoren des Palastes von Luzern stehend, die Waldensercompagnien nach ihren Communen und mit ihren Fahnen vor sich vorüberziehen und grüßte jede Fahne. Mit freundlichem Lächeln bemerkte er es. wenn ein Fahnenträger, nicht zufrieden, seine Fahne vor ihm zu senken, ihn auch noch durch Abnahme seines Hutes grüßte. — Welch eine Veränderung im Vergleich mit den ersten Regierungsjahren des Königs, namentlich aber mit dem Zustand der Wal¬ denser unter Karl Felix! Auch die Beamten der Waldensertafel erfreuten sich beim König eines gnädigen Empfangs; er gab sich dem Volk der Waldenser ganz hin und nahm keine andere Deputation an. Vor seiner Abreise händigte er dem Syndicus von La Tour ein reiches Geschenk für die Armen beider Konfessionen ein. Aus seinem Wege loderte ein Kranz von Freudenfeuern aus den Bergen ringsum¬ her. — Am Eingang des Schlosses in La Tour ließ er ein Brunnenmonu¬ ment mit der Aufschrift errichten: „König Karl Albert dem Volke, welches ihn mit so großer Liebe empfing. 1845. Auf dem Rückweg sprach der König: „Niemals werde ich die Liebesbezeugungen der Waldenser vergessen, welche dem Thron von Savoyen noch dieselbe Treue bewahrt haben, durch welche sich einst ihre Vorfahren auszeichneten." So bot die Einweihung einer der Waldenserkirche ursprünglich feindlichen Anstalt, statt die Besorgniß, welche sie zuerst bei ihnen hervorgerufen hatte, zu rechtfertigen, den Waldenscrn vielmehr eine Bürgschaft von Glück und Schutz unter ihrem freisinnigen, aufgeklärten König. Welche gründliche Veränderung in der ganzen Staatseinrichtung vorge¬ gangen war, das bewies am schlagendsten der Umstand, daß der Oberst 2»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/23>, abgerufen am 22.05.2024.