Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

landesgericht theilte aber nicht die Ansicht der k. k. Statthalterei, erwog, daß
die Rechtsgleichheit zwischen den Bekennern der verschiedenen christlichen Kon¬
fessionen schon durch die deutsche Bundesacte (Art. XVI.) anerkannt, somit
auch in Tirol zur Geltung gekommen sei; daß ferner das kaiserliche Patent
vom 4. März 1849 den Grundsatz aussprach: der Genuß der bürgerlichen und
Politischen Rechte sei vom Religionsbekenntnisse unabhängig; daß auch das
spätere Patent vom 31. December 1851 die "Gleichheit aller Staatsangehö¬
rigen vor dem Gesetz" bestätigte; daß endlich nur die Israeliten von dieser
Rechtsgleichheit spater ausgenommen worden, und trug sohin die Versandung
des fraglichen Kaufvertrags dem k. k. Bezirksgericht Lana ohne weiteres auf.
Dies ohngefähr die Vorgänge über die letzten Ankäufe von Protestanten
in Tirol. Es geht daraus klar hervor, daß wenigstens die administrative
Behörde an der Ansicht festhielt, das Toleranzgesctz vom Jahre 1781 bestehe
noch in voller Rechtskraft, und fort und fort Anstand nahm, die daselbst vor¬
gesehene Dispensation "ohne alle Erschwerung" zu ertheilen. Wir erwarten
demnach sehnlichst eine Beendigung dieses offenbar nur provisorischen Zustan¬
des, worüber selbst die Behörden verschiedener Ansicht sind, ein Gesetz, das
die Besitzsähigkeit der Protestanten in Tirol bestätigt, und den Artikel XVI.
der Bundesacte so wie die Patente vom 4. März 1849 und vom 31. Decem¬
ber 1851 in Ausführung bringt. Nicht minder sehen wir einem kräftigen Ein¬
schreiten der Regierung gegen die kirchlichen Uebergriffe entgegen, die sich in Sachen
der gemischten Ehen bemerkbar machen. In früheren Fällen der letzten Jahre
hatte man außer dem schriftlichen auch noch ein eidliches Versprechen beider Braut¬
leute über die katholische Kindererziehung, einen Eid des katholischen Theils über
die Gewinnung des protestantischen für den Uebertritt zum Katholicismus, und
noch andere Eide gefordert, die sich auf volle sieben steigerten, und worüber
ebenso viele einzelne Protokolle aufgenommen wurden. Man wollte nämlich
auch das "Aergerniß" des öffentlichen Aufgebotes beseitigen, und forderte von
beiden Theilen die eidliche Versicherung, daß sie weder ein anderes Eheverhält¬
niß eingegangen, noch ihnen sonst irgend ein Hinderniß bekannt sei. Nun
glaubte man einen großen Schritt weiter wagen zu können, und stellte
den Grundsatz auf, daß in Tirol keine gemischten Ehen mehr Statt haben
dürfen. Der Fürstbischof von Trient erklärte vor kurzem über ein diesfälligcs
Dispcnsgesuch, das vom schriftlichen Versprechen des protestantischen Theils
über die katholische Kindererziehung in vollständig legaler Form begleitet war:
"Ich kann demselben nicht entsprechen, weil mir als Diöcesan-Bischof die
strenge Pflicht obliegt, die Einheit im Bekenntniß des katholischen Glaubens
in meiner Diöcese stets aufrecht zu erhalten und alles jene, was dieselbe
stören oder hindern könnte, sorgfältig zu entfernen. Diese Pflicht genau zu
erfüllen wird von mir um so mehr gefodert, da Tirol eine ganz katholische


landesgericht theilte aber nicht die Ansicht der k. k. Statthalterei, erwog, daß
die Rechtsgleichheit zwischen den Bekennern der verschiedenen christlichen Kon¬
fessionen schon durch die deutsche Bundesacte (Art. XVI.) anerkannt, somit
auch in Tirol zur Geltung gekommen sei; daß ferner das kaiserliche Patent
vom 4. März 1849 den Grundsatz aussprach: der Genuß der bürgerlichen und
Politischen Rechte sei vom Religionsbekenntnisse unabhängig; daß auch das
spätere Patent vom 31. December 1851 die „Gleichheit aller Staatsangehö¬
rigen vor dem Gesetz" bestätigte; daß endlich nur die Israeliten von dieser
Rechtsgleichheit spater ausgenommen worden, und trug sohin die Versandung
des fraglichen Kaufvertrags dem k. k. Bezirksgericht Lana ohne weiteres auf.
Dies ohngefähr die Vorgänge über die letzten Ankäufe von Protestanten
in Tirol. Es geht daraus klar hervor, daß wenigstens die administrative
Behörde an der Ansicht festhielt, das Toleranzgesctz vom Jahre 1781 bestehe
noch in voller Rechtskraft, und fort und fort Anstand nahm, die daselbst vor¬
gesehene Dispensation „ohne alle Erschwerung" zu ertheilen. Wir erwarten
demnach sehnlichst eine Beendigung dieses offenbar nur provisorischen Zustan¬
des, worüber selbst die Behörden verschiedener Ansicht sind, ein Gesetz, das
die Besitzsähigkeit der Protestanten in Tirol bestätigt, und den Artikel XVI.
der Bundesacte so wie die Patente vom 4. März 1849 und vom 31. Decem¬
ber 1851 in Ausführung bringt. Nicht minder sehen wir einem kräftigen Ein¬
schreiten der Regierung gegen die kirchlichen Uebergriffe entgegen, die sich in Sachen
der gemischten Ehen bemerkbar machen. In früheren Fällen der letzten Jahre
hatte man außer dem schriftlichen auch noch ein eidliches Versprechen beider Braut¬
leute über die katholische Kindererziehung, einen Eid des katholischen Theils über
die Gewinnung des protestantischen für den Uebertritt zum Katholicismus, und
noch andere Eide gefordert, die sich auf volle sieben steigerten, und worüber
ebenso viele einzelne Protokolle aufgenommen wurden. Man wollte nämlich
auch das „Aergerniß" des öffentlichen Aufgebotes beseitigen, und forderte von
beiden Theilen die eidliche Versicherung, daß sie weder ein anderes Eheverhält¬
niß eingegangen, noch ihnen sonst irgend ein Hinderniß bekannt sei. Nun
glaubte man einen großen Schritt weiter wagen zu können, und stellte
den Grundsatz auf, daß in Tirol keine gemischten Ehen mehr Statt haben
dürfen. Der Fürstbischof von Trient erklärte vor kurzem über ein diesfälligcs
Dispcnsgesuch, das vom schriftlichen Versprechen des protestantischen Theils
über die katholische Kindererziehung in vollständig legaler Form begleitet war:
»Ich kann demselben nicht entsprechen, weil mir als Diöcesan-Bischof die
strenge Pflicht obliegt, die Einheit im Bekenntniß des katholischen Glaubens
in meiner Diöcese stets aufrecht zu erhalten und alles jene, was dieselbe
stören oder hindern könnte, sorgfältig zu entfernen. Diese Pflicht genau zu
erfüllen wird von mir um so mehr gefodert, da Tirol eine ganz katholische


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108179"/>
          <p xml:id="ID_155" prev="#ID_154" next="#ID_156"> landesgericht theilte aber nicht die Ansicht der k. k. Statthalterei, erwog, daß<lb/>
die Rechtsgleichheit zwischen den Bekennern der verschiedenen christlichen Kon¬<lb/>
fessionen schon durch die deutsche Bundesacte (Art. XVI.) anerkannt, somit<lb/>
auch in Tirol zur Geltung gekommen sei; daß ferner das kaiserliche Patent<lb/>
vom 4. März 1849 den Grundsatz aussprach: der Genuß der bürgerlichen und<lb/>
Politischen Rechte sei vom Religionsbekenntnisse unabhängig; daß auch das<lb/>
spätere Patent vom 31. December 1851 die &#x201E;Gleichheit aller Staatsangehö¬<lb/>
rigen vor dem Gesetz" bestätigte; daß endlich nur die Israeliten von dieser<lb/>
Rechtsgleichheit spater ausgenommen worden, und trug sohin die Versandung<lb/>
des fraglichen Kaufvertrags dem k. k. Bezirksgericht Lana ohne weiteres auf.<lb/>
Dies ohngefähr die Vorgänge über die letzten Ankäufe von Protestanten<lb/>
in Tirol. Es geht daraus klar hervor, daß wenigstens die administrative<lb/>
Behörde an der Ansicht festhielt, das Toleranzgesctz vom Jahre 1781 bestehe<lb/>
noch in voller Rechtskraft, und fort und fort Anstand nahm, die daselbst vor¬<lb/>
gesehene Dispensation &#x201E;ohne alle Erschwerung" zu ertheilen. Wir erwarten<lb/>
demnach sehnlichst eine Beendigung dieses offenbar nur provisorischen Zustan¬<lb/>
des, worüber selbst die Behörden verschiedener Ansicht sind, ein Gesetz, das<lb/>
die Besitzsähigkeit der Protestanten in Tirol bestätigt, und den Artikel XVI.<lb/>
der Bundesacte so wie die Patente vom 4. März 1849 und vom 31. Decem¬<lb/>
ber 1851 in Ausführung bringt. Nicht minder sehen wir einem kräftigen Ein¬<lb/>
schreiten der Regierung gegen die kirchlichen Uebergriffe entgegen, die sich in Sachen<lb/>
der gemischten Ehen bemerkbar machen. In früheren Fällen der letzten Jahre<lb/>
hatte man außer dem schriftlichen auch noch ein eidliches Versprechen beider Braut¬<lb/>
leute über die katholische Kindererziehung, einen Eid des katholischen Theils über<lb/>
die Gewinnung des protestantischen für den Uebertritt zum Katholicismus, und<lb/>
noch andere Eide gefordert, die sich auf volle sieben steigerten, und worüber<lb/>
ebenso viele einzelne Protokolle aufgenommen wurden. Man wollte nämlich<lb/>
auch das &#x201E;Aergerniß" des öffentlichen Aufgebotes beseitigen, und forderte von<lb/>
beiden Theilen die eidliche Versicherung, daß sie weder ein anderes Eheverhält¬<lb/>
niß eingegangen, noch ihnen sonst irgend ein Hinderniß bekannt sei. Nun<lb/>
glaubte man einen großen Schritt weiter wagen zu können, und stellte<lb/>
den Grundsatz auf, daß in Tirol keine gemischten Ehen mehr Statt haben<lb/>
dürfen. Der Fürstbischof von Trient erklärte vor kurzem über ein diesfälligcs<lb/>
Dispcnsgesuch, das vom schriftlichen Versprechen des protestantischen Theils<lb/>
über die katholische Kindererziehung in vollständig legaler Form begleitet war:<lb/>
»Ich kann demselben nicht entsprechen, weil mir als Diöcesan-Bischof die<lb/>
strenge Pflicht obliegt, die Einheit im Bekenntniß des katholischen Glaubens<lb/>
in meiner Diöcese stets aufrecht zu erhalten und alles jene, was dieselbe<lb/>
stören oder hindern könnte, sorgfältig zu entfernen. Diese Pflicht genau zu<lb/>
erfüllen wird von mir um so mehr gefodert, da Tirol eine ganz katholische</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] landesgericht theilte aber nicht die Ansicht der k. k. Statthalterei, erwog, daß die Rechtsgleichheit zwischen den Bekennern der verschiedenen christlichen Kon¬ fessionen schon durch die deutsche Bundesacte (Art. XVI.) anerkannt, somit auch in Tirol zur Geltung gekommen sei; daß ferner das kaiserliche Patent vom 4. März 1849 den Grundsatz aussprach: der Genuß der bürgerlichen und Politischen Rechte sei vom Religionsbekenntnisse unabhängig; daß auch das spätere Patent vom 31. December 1851 die „Gleichheit aller Staatsangehö¬ rigen vor dem Gesetz" bestätigte; daß endlich nur die Israeliten von dieser Rechtsgleichheit spater ausgenommen worden, und trug sohin die Versandung des fraglichen Kaufvertrags dem k. k. Bezirksgericht Lana ohne weiteres auf. Dies ohngefähr die Vorgänge über die letzten Ankäufe von Protestanten in Tirol. Es geht daraus klar hervor, daß wenigstens die administrative Behörde an der Ansicht festhielt, das Toleranzgesctz vom Jahre 1781 bestehe noch in voller Rechtskraft, und fort und fort Anstand nahm, die daselbst vor¬ gesehene Dispensation „ohne alle Erschwerung" zu ertheilen. Wir erwarten demnach sehnlichst eine Beendigung dieses offenbar nur provisorischen Zustan¬ des, worüber selbst die Behörden verschiedener Ansicht sind, ein Gesetz, das die Besitzsähigkeit der Protestanten in Tirol bestätigt, und den Artikel XVI. der Bundesacte so wie die Patente vom 4. März 1849 und vom 31. Decem¬ ber 1851 in Ausführung bringt. Nicht minder sehen wir einem kräftigen Ein¬ schreiten der Regierung gegen die kirchlichen Uebergriffe entgegen, die sich in Sachen der gemischten Ehen bemerkbar machen. In früheren Fällen der letzten Jahre hatte man außer dem schriftlichen auch noch ein eidliches Versprechen beider Braut¬ leute über die katholische Kindererziehung, einen Eid des katholischen Theils über die Gewinnung des protestantischen für den Uebertritt zum Katholicismus, und noch andere Eide gefordert, die sich auf volle sieben steigerten, und worüber ebenso viele einzelne Protokolle aufgenommen wurden. Man wollte nämlich auch das „Aergerniß" des öffentlichen Aufgebotes beseitigen, und forderte von beiden Theilen die eidliche Versicherung, daß sie weder ein anderes Eheverhält¬ niß eingegangen, noch ihnen sonst irgend ein Hinderniß bekannt sei. Nun glaubte man einen großen Schritt weiter wagen zu können, und stellte den Grundsatz auf, daß in Tirol keine gemischten Ehen mehr Statt haben dürfen. Der Fürstbischof von Trient erklärte vor kurzem über ein diesfälligcs Dispcnsgesuch, das vom schriftlichen Versprechen des protestantischen Theils über die katholische Kindererziehung in vollständig legaler Form begleitet war: »Ich kann demselben nicht entsprechen, weil mir als Diöcesan-Bischof die strenge Pflicht obliegt, die Einheit im Bekenntniß des katholischen Glaubens in meiner Diöcese stets aufrecht zu erhalten und alles jene, was dieselbe stören oder hindern könnte, sorgfältig zu entfernen. Diese Pflicht genau zu erfüllen wird von mir um so mehr gefodert, da Tirol eine ganz katholische

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/49
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/49>, abgerufen am 21.05.2024.