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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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ferner der Glattrochen, der Schellfisch und der Kabeljau, welcher bekanntlich
an der Luft getrocknet Stockfisch, srischeingesalzen Labberdan und trocken ein¬
gesalzen Klippfisch heißt und uns den Leberthran liefert, und der rothe See¬
hahn. Dieser fußlange Fisch, der oben und ans der Seite schön roth mit
weißen Punkten, unten aber silberweiß ist, läßt, wenn er angegriffen wird,
einen Ton hören, der mit dem Rufe des Kuckuks Aehnlichkeit hat. Zu den
schmackhaftesten Fischen Wanger-Oges gehören die Schollen mit den Unterab¬
theilungen, gemeine Scholle, Steinbutt und Zunge. Die Schollen sind höchst
sonderbare, ganz scheibenförmige, seitwärts schwimmende Fische. Ihre Augen
befinden sich nebeneinander auf der Seite, auf welcher sie nicht schwimmen,
so daß also die rechtäugigen Schollen aus der linken, die linkäugigen auf der
rechten Seite schwimmen. Umgekehrt verhält es sich mit den Naslöchern, die
den Augen gegenüberstehen. Da sie keine Schwimmblase haben, bleiben sie meist
aus dem Boden des Meeres; als Speise dienen ihnen Schnecken, Krebse und Wür¬
mer. Der Knabe des Fischers, bei dem wir auf Wanger-Oge wohnten, fing sie zur
Ebbezeit, indem er ein Netz mit eisernem Bügel das Ufer entlang an dem Rande des
Wassers vor sich herschob: denn sie stecken dann in dem feuchten Sand. Die
größte Art Scholle ist der Steinbutt, der seinen Namen den Steinchen ver¬
dankt, die sich bei seinem Aufenthalt im Ufersand bei starkem Wellenschlag in
seine Haut schieben; die kleinste die Zunge, welche die Gestalt und Größe
einer Schuhsohle hat.

Der Schollenfang ist ein wichtiger Zweig der Fischerei, und da die Ham¬
burger Kaufherrn eine außerordentlich leckere Tafel führen, so geht dieser köst¬
liche Fisch in großer Menge nach der reichen Hansestadt. Die Schollenfischer
wohnen großentheils in dem nahen Dorfe Blankenese. Ihre kleinen Fahr¬
zeuge, Ewer genannt, zeichnen sich durch ein hohes, spitzes Vordertheil, durch
einen Mast und Segel von ganz besonderer Form aus. Das Innere der Bote
ist großentheils Fischbehälter. Stark gebaut und von ebenso kühnen als geschickten
Männern geführt, verstehen sie den Stürmen Trotz zu bieten. Solche blankcncser
Ewer sieht man oft zu dreißig oder vierzig auf der wangeroger Rhede liegen, wenn
ungünstiger Wind sie verhindert, nach der Elbe zurückzukehren. Weht es dann
aus Westen, so ziehen sie, einer um den andern, mit gespannten Segeln,
wie Schwäne, durch die Oster Harle: so heißt die Meerstraße im Norden
der Insel, die durch das Watt hindurchführt. Endlich muß ich noch zweier
Meerbewohner gedenken, welche der Ordnung der Säugethiere angehören: des
Delphins und des Seehunds. Der Delphin, Braunfisch oder Tümmler, wie
er hier gewöhnlich genannt wird, ist ein lustiger Gesell, der durch seine tollen
Sprünge und Purzelbäume, so wie durch die zwei Springbrunnen, welche er
durch die auf seinem Kopf befindlichen Naslöcher treibt, den Seefahrer belustigt.
Er liebt es, den Schiffen heerdenweise nachzuziehen und den Abfall aus deren Küche


ferner der Glattrochen, der Schellfisch und der Kabeljau, welcher bekanntlich
an der Luft getrocknet Stockfisch, srischeingesalzen Labberdan und trocken ein¬
gesalzen Klippfisch heißt und uns den Leberthran liefert, und der rothe See¬
hahn. Dieser fußlange Fisch, der oben und ans der Seite schön roth mit
weißen Punkten, unten aber silberweiß ist, läßt, wenn er angegriffen wird,
einen Ton hören, der mit dem Rufe des Kuckuks Aehnlichkeit hat. Zu den
schmackhaftesten Fischen Wanger-Oges gehören die Schollen mit den Unterab¬
theilungen, gemeine Scholle, Steinbutt und Zunge. Die Schollen sind höchst
sonderbare, ganz scheibenförmige, seitwärts schwimmende Fische. Ihre Augen
befinden sich nebeneinander auf der Seite, auf welcher sie nicht schwimmen,
so daß also die rechtäugigen Schollen aus der linken, die linkäugigen auf der
rechten Seite schwimmen. Umgekehrt verhält es sich mit den Naslöchern, die
den Augen gegenüberstehen. Da sie keine Schwimmblase haben, bleiben sie meist
aus dem Boden des Meeres; als Speise dienen ihnen Schnecken, Krebse und Wür¬
mer. Der Knabe des Fischers, bei dem wir auf Wanger-Oge wohnten, fing sie zur
Ebbezeit, indem er ein Netz mit eisernem Bügel das Ufer entlang an dem Rande des
Wassers vor sich herschob: denn sie stecken dann in dem feuchten Sand. Die
größte Art Scholle ist der Steinbutt, der seinen Namen den Steinchen ver¬
dankt, die sich bei seinem Aufenthalt im Ufersand bei starkem Wellenschlag in
seine Haut schieben; die kleinste die Zunge, welche die Gestalt und Größe
einer Schuhsohle hat.

Der Schollenfang ist ein wichtiger Zweig der Fischerei, und da die Ham¬
burger Kaufherrn eine außerordentlich leckere Tafel führen, so geht dieser köst¬
liche Fisch in großer Menge nach der reichen Hansestadt. Die Schollenfischer
wohnen großentheils in dem nahen Dorfe Blankenese. Ihre kleinen Fahr¬
zeuge, Ewer genannt, zeichnen sich durch ein hohes, spitzes Vordertheil, durch
einen Mast und Segel von ganz besonderer Form aus. Das Innere der Bote
ist großentheils Fischbehälter. Stark gebaut und von ebenso kühnen als geschickten
Männern geführt, verstehen sie den Stürmen Trotz zu bieten. Solche blankcncser
Ewer sieht man oft zu dreißig oder vierzig auf der wangeroger Rhede liegen, wenn
ungünstiger Wind sie verhindert, nach der Elbe zurückzukehren. Weht es dann
aus Westen, so ziehen sie, einer um den andern, mit gespannten Segeln,
wie Schwäne, durch die Oster Harle: so heißt die Meerstraße im Norden
der Insel, die durch das Watt hindurchführt. Endlich muß ich noch zweier
Meerbewohner gedenken, welche der Ordnung der Säugethiere angehören: des
Delphins und des Seehunds. Der Delphin, Braunfisch oder Tümmler, wie
er hier gewöhnlich genannt wird, ist ein lustiger Gesell, der durch seine tollen
Sprünge und Purzelbäume, so wie durch die zwei Springbrunnen, welche er
durch die auf seinem Kopf befindlichen Naslöcher treibt, den Seefahrer belustigt.
Er liebt es, den Schiffen heerdenweise nachzuziehen und den Abfall aus deren Küche


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[0072] ferner der Glattrochen, der Schellfisch und der Kabeljau, welcher bekanntlich an der Luft getrocknet Stockfisch, srischeingesalzen Labberdan und trocken ein¬ gesalzen Klippfisch heißt und uns den Leberthran liefert, und der rothe See¬ hahn. Dieser fußlange Fisch, der oben und ans der Seite schön roth mit weißen Punkten, unten aber silberweiß ist, läßt, wenn er angegriffen wird, einen Ton hören, der mit dem Rufe des Kuckuks Aehnlichkeit hat. Zu den schmackhaftesten Fischen Wanger-Oges gehören die Schollen mit den Unterab¬ theilungen, gemeine Scholle, Steinbutt und Zunge. Die Schollen sind höchst sonderbare, ganz scheibenförmige, seitwärts schwimmende Fische. Ihre Augen befinden sich nebeneinander auf der Seite, auf welcher sie nicht schwimmen, so daß also die rechtäugigen Schollen aus der linken, die linkäugigen auf der rechten Seite schwimmen. Umgekehrt verhält es sich mit den Naslöchern, die den Augen gegenüberstehen. Da sie keine Schwimmblase haben, bleiben sie meist aus dem Boden des Meeres; als Speise dienen ihnen Schnecken, Krebse und Wür¬ mer. Der Knabe des Fischers, bei dem wir auf Wanger-Oge wohnten, fing sie zur Ebbezeit, indem er ein Netz mit eisernem Bügel das Ufer entlang an dem Rande des Wassers vor sich herschob: denn sie stecken dann in dem feuchten Sand. Die größte Art Scholle ist der Steinbutt, der seinen Namen den Steinchen ver¬ dankt, die sich bei seinem Aufenthalt im Ufersand bei starkem Wellenschlag in seine Haut schieben; die kleinste die Zunge, welche die Gestalt und Größe einer Schuhsohle hat. Der Schollenfang ist ein wichtiger Zweig der Fischerei, und da die Ham¬ burger Kaufherrn eine außerordentlich leckere Tafel führen, so geht dieser köst¬ liche Fisch in großer Menge nach der reichen Hansestadt. Die Schollenfischer wohnen großentheils in dem nahen Dorfe Blankenese. Ihre kleinen Fahr¬ zeuge, Ewer genannt, zeichnen sich durch ein hohes, spitzes Vordertheil, durch einen Mast und Segel von ganz besonderer Form aus. Das Innere der Bote ist großentheils Fischbehälter. Stark gebaut und von ebenso kühnen als geschickten Männern geführt, verstehen sie den Stürmen Trotz zu bieten. Solche blankcncser Ewer sieht man oft zu dreißig oder vierzig auf der wangeroger Rhede liegen, wenn ungünstiger Wind sie verhindert, nach der Elbe zurückzukehren. Weht es dann aus Westen, so ziehen sie, einer um den andern, mit gespannten Segeln, wie Schwäne, durch die Oster Harle: so heißt die Meerstraße im Norden der Insel, die durch das Watt hindurchführt. Endlich muß ich noch zweier Meerbewohner gedenken, welche der Ordnung der Säugethiere angehören: des Delphins und des Seehunds. Der Delphin, Braunfisch oder Tümmler, wie er hier gewöhnlich genannt wird, ist ein lustiger Gesell, der durch seine tollen Sprünge und Purzelbäume, so wie durch die zwei Springbrunnen, welche er durch die auf seinem Kopf befindlichen Naslöcher treibt, den Seefahrer belustigt. Er liebt es, den Schiffen heerdenweise nachzuziehen und den Abfall aus deren Küche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/72>, abgerufen am 03.06.2024.