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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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berg, gebildet in Grimmci und Leipzig. Sie erwarb sich große Geltung und
Anerkennung, erfuhr noch i. I. 1720 eine Auflage, die eilfte. und ward schon
im 10. Jahrh, selbst im katholischen Süden von Jesuiten gebraucht, trotz der
Belegstellen aus Luther, die im protestantischen Sinn gewählt sind (s. Raumer,
der Unterricht im Deutschen S. 26).

Wie Clnjns seine Grammatik auf Luthers Deutsch baute, so erkennen es
schon die gleichgesinnten Zeitgenossen des Reformators aus Sachsen als das
rechte Muster der deutschen Rede. Der Historiker Slcidanus rühmt ihm im
Jahr 1556 nach, er habe die Muttersprache am meisten ausgebildet und be¬
reichert und behaupte in ihr deu ersten Ruhm; ja schon i. I. 1531 nennt der
Grammatiker Fabian Frangk als Richtschnur der deutschen Sprache neben der
kaiserlichen Kanzlei Dr. Luthers Schreiben. Sein Deutsch nun ist im Grunde
und im sprachlichen Stoff eben das gebildete Obersächsisch. Joh. Mathesius
spricht das i. I. 1570 in seinen Predigten über das Leben Luthers aus:
"Meichsner, sagen auch die auölender, wenn sie untern leuten gewesen und irs
landsmanns vergessen, reden ein gut deutsch. Darumb erwecket der some
Gottes ein deutschen Sachsen, der gewandert war und die Biblien Gottes in
Mcichsnischc zung brachte." Luther selbst drückt sich in den Tischreden darüber
aus: "Ich habe kein sonderliche, eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche
der gemeinen deutschen Sprache, daß mich beide Ober- und Niederlender ver¬
stehen mögen. Ich rede nach der Sechsischen Cantzeley, welcher nachfolgen
alle Fürsten und Könige im Deutschland. Alle Reichftedte, Fürstenhöfe schreiben
nach der Sechsischen und unsers Fürsten Cantzeley. Darumb ists auch die
gemeinste deutsche Sprache. Kaiser Maximilian und Churfürst Friderich, Hertzog
zu Sachsen haben im Römischen Reich die dentschen Sprache" also in eine ge¬
wisse Sprache gezogen." So lehnt er bestimmt die Ehre ab, der Schöpfer einer
neuen Sprache zu sein, er verweist auf eine Spracheinigung, die er schon vor"
fand und die er als ein Werk der kaiserlichen und der sächsischen Behörden,
hauptsächlich aber der letztern bezeichnet. Es ist natürlich, daß diese Behörden,
wie sehr sie auch auf die Gemeinverständlichkeit ihrer Schriften Rücksicht neh¬
men mochten, den Sprachstoff in der Hauptsache aus ihrer angebornen Mund¬
art schöpften. Und wirklich ist die rühmliche Geltung des meißnischen Deutsch,
die wir so durch drei Jahrhunderte verfolgt haben, noch älter als Luther oder
Friedrichs des Weisen Canzlei; denn schon in einer Priame^l aus dem 16. Jahr¬
hundert wird uuter andern unzweifelhaften Sätzen mit angeführt (Wacker-
nngels Literaturgesch. S. 375):


In Meißen teutsche Sprach gar gut;

ja schon aus dem Anfang des 14. Jahrh, ist uns im Nenner "Hugos"
von Trimberg, eines Franken, eine Bezeichnung der meißnischen Mundart
erhalten (B. 22226), die man nur als das Lob einer sorgfältigen vollen


berg, gebildet in Grimmci und Leipzig. Sie erwarb sich große Geltung und
Anerkennung, erfuhr noch i. I. 1720 eine Auflage, die eilfte. und ward schon
im 10. Jahrh, selbst im katholischen Süden von Jesuiten gebraucht, trotz der
Belegstellen aus Luther, die im protestantischen Sinn gewählt sind (s. Raumer,
der Unterricht im Deutschen S. 26).

Wie Clnjns seine Grammatik auf Luthers Deutsch baute, so erkennen es
schon die gleichgesinnten Zeitgenossen des Reformators aus Sachsen als das
rechte Muster der deutschen Rede. Der Historiker Slcidanus rühmt ihm im
Jahr 1556 nach, er habe die Muttersprache am meisten ausgebildet und be¬
reichert und behaupte in ihr deu ersten Ruhm; ja schon i. I. 1531 nennt der
Grammatiker Fabian Frangk als Richtschnur der deutschen Sprache neben der
kaiserlichen Kanzlei Dr. Luthers Schreiben. Sein Deutsch nun ist im Grunde
und im sprachlichen Stoff eben das gebildete Obersächsisch. Joh. Mathesius
spricht das i. I. 1570 in seinen Predigten über das Leben Luthers aus:
„Meichsner, sagen auch die auölender, wenn sie untern leuten gewesen und irs
landsmanns vergessen, reden ein gut deutsch. Darumb erwecket der some
Gottes ein deutschen Sachsen, der gewandert war und die Biblien Gottes in
Mcichsnischc zung brachte." Luther selbst drückt sich in den Tischreden darüber
aus: „Ich habe kein sonderliche, eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche
der gemeinen deutschen Sprache, daß mich beide Ober- und Niederlender ver¬
stehen mögen. Ich rede nach der Sechsischen Cantzeley, welcher nachfolgen
alle Fürsten und Könige im Deutschland. Alle Reichftedte, Fürstenhöfe schreiben
nach der Sechsischen und unsers Fürsten Cantzeley. Darumb ists auch die
gemeinste deutsche Sprache. Kaiser Maximilian und Churfürst Friderich, Hertzog
zu Sachsen haben im Römischen Reich die dentschen Sprache» also in eine ge¬
wisse Sprache gezogen." So lehnt er bestimmt die Ehre ab, der Schöpfer einer
neuen Sprache zu sein, er verweist auf eine Spracheinigung, die er schon vor»
fand und die er als ein Werk der kaiserlichen und der sächsischen Behörden,
hauptsächlich aber der letztern bezeichnet. Es ist natürlich, daß diese Behörden,
wie sehr sie auch auf die Gemeinverständlichkeit ihrer Schriften Rücksicht neh¬
men mochten, den Sprachstoff in der Hauptsache aus ihrer angebornen Mund¬
art schöpften. Und wirklich ist die rühmliche Geltung des meißnischen Deutsch,
die wir so durch drei Jahrhunderte verfolgt haben, noch älter als Luther oder
Friedrichs des Weisen Canzlei; denn schon in einer Priame^l aus dem 16. Jahr¬
hundert wird uuter andern unzweifelhaften Sätzen mit angeführt (Wacker-
nngels Literaturgesch. S. 375):


In Meißen teutsche Sprach gar gut;

ja schon aus dem Anfang des 14. Jahrh, ist uns im Nenner „Hugos"
von Trimberg, eines Franken, eine Bezeichnung der meißnischen Mundart
erhalten (B. 22226), die man nur als das Lob einer sorgfältigen vollen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/124>, abgerufen am 14.05.2024.