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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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der ohne Säumen auf seinem Platze sein werde, sobald Victor Emanuel aufs
Neue seine Soldaten zum Best-iungstampfe rufe. Garibaldis Austritt aus
dem Dienste siel den Italienern schwer aufs Herz, und da viele von seinen
Anhängern, die brauchbarsten Offiziere, sich anschickten, seinem Beispiel zu
folgen, drohte der Armee von Mittelitalien gradezu Desorganisation. Am
l8, November sah sich Fanti zu einem von Modena dntirten Tagesbefehl
veranlasst, Er deutete in demselben an, daß er kein geringes Opfer gebracht
habe, als er aus dem sardinischen i" den Dienst Mittelitaliens übergetreten
sei, er habe sich die Schwierigkeiten seines Unternehmens damals nicht ver¬
borgen; doch hätte ihm die Leichtigkeit, mit der die Organisation in Mittel-
italirn alsbald vor sich gegangen, und das Geschick der neuen Regierungen
volle Zuversicht gegeben. So gebiete Mittelitalien heut über eine wohlorga-
nifirte, wohlgerüstete Armee, Rimini, Mirandola, Bologna seien mit neuen
gut armirten Befestigungen umgeben. Immerhin bleibe noch viel zu thun,
die Disciplinirung der Truppen lasse sich nicht ans einmal erzwingen. Ge¬
duld sei nothwendig. Durch die Ausdauer, melche Mtttelitalieu zeige, werde
es den ohnehin nicht auf festen Füßen stehende" Feind ermüden; entweder
werde dieser sich ohne Kampf zmückzichcu, oder zum Angriffskampf mit der
Sicherheit einer förmlichen Niederlage schreiten müssen. Dieser Tagesbefehl
aber beschwichtigte die einreißende schlechte Stimmung nicht, und Garibaldi
bewog dies, da es ihm durchaus nicht darauf ankam, das einmal begonnene
Werk zu zerstören, auch seinerseits in einer neuen Proklamation, oatirt von
Genua, 23. November seine Waffengeführten in Mittelitalien zum Ausharre"
bei der Fahne aufzufordern und so zugleich wieder gut zu machen, was etwa
der ein wenig gereizte Ton in der Proclamation vom IK. November ver¬
dorben haben konnte. Er hoffe, sagt hier Garibaldi, bald wieder bei seinen
Kameraden in Mittelitalien zu sein; die Waffen würden nur für kurze Zeit
ruhen; denn die alte Diplomatie flöße wenig Vertrauen in ihre Kraft und
Fähigkeit ein. Wo die Elemente einer großen Nation in Bewegung seien,
wo die Saat einer Weltrevolution ausgestreut werde, wenn die gereckten
Ansprüche Italiens nicht befriedigt würden, dort sehe sie nur Mißverständnisse.
Sie werde sich überzeugen müssen, daß ein Volk, das für die Freiheit zu
sterben weiß, eher vernichtet als in die Knechtschaft zurückgeführt werden
könne. Wenn auch alle Kämpfer Italiens von heute sielen, würden sie doch
ihre Söhne mit dem gleichen Bewußtsein des Rechtes. zu gleichem Kampfe
bereit zurücklassen. Die jungen Männer in Mittelitalien sollten daher unter
Waffen bleiben und sich einiger als je um ihre Führer schaaren; die Bürger
Italiens sollten nicht aufhören zu der Beschaffung von Waffen zu steuern,
damit morgen vielleicht Italien der Gewalt verdanken könne, was ihm die
Wilhelm Nüstow. Gerechtigkeit heute versagen wolle.




der ohne Säumen auf seinem Platze sein werde, sobald Victor Emanuel aufs
Neue seine Soldaten zum Best-iungstampfe rufe. Garibaldis Austritt aus
dem Dienste siel den Italienern schwer aufs Herz, und da viele von seinen
Anhängern, die brauchbarsten Offiziere, sich anschickten, seinem Beispiel zu
folgen, drohte der Armee von Mittelitalien gradezu Desorganisation. Am
l8, November sah sich Fanti zu einem von Modena dntirten Tagesbefehl
veranlasst, Er deutete in demselben an, daß er kein geringes Opfer gebracht
habe, als er aus dem sardinischen i» den Dienst Mittelitaliens übergetreten
sei, er habe sich die Schwierigkeiten seines Unternehmens damals nicht ver¬
borgen; doch hätte ihm die Leichtigkeit, mit der die Organisation in Mittel-
italirn alsbald vor sich gegangen, und das Geschick der neuen Regierungen
volle Zuversicht gegeben. So gebiete Mittelitalien heut über eine wohlorga-
nifirte, wohlgerüstete Armee, Rimini, Mirandola, Bologna seien mit neuen
gut armirten Befestigungen umgeben. Immerhin bleibe noch viel zu thun,
die Disciplinirung der Truppen lasse sich nicht ans einmal erzwingen. Ge¬
duld sei nothwendig. Durch die Ausdauer, melche Mtttelitalieu zeige, werde
es den ohnehin nicht auf festen Füßen stehende» Feind ermüden; entweder
werde dieser sich ohne Kampf zmückzichcu, oder zum Angriffskampf mit der
Sicherheit einer förmlichen Niederlage schreiten müssen. Dieser Tagesbefehl
aber beschwichtigte die einreißende schlechte Stimmung nicht, und Garibaldi
bewog dies, da es ihm durchaus nicht darauf ankam, das einmal begonnene
Werk zu zerstören, auch seinerseits in einer neuen Proklamation, oatirt von
Genua, 23. November seine Waffengeführten in Mittelitalien zum Ausharre»
bei der Fahne aufzufordern und so zugleich wieder gut zu machen, was etwa
der ein wenig gereizte Ton in der Proclamation vom IK. November ver¬
dorben haben konnte. Er hoffe, sagt hier Garibaldi, bald wieder bei seinen
Kameraden in Mittelitalien zu sein; die Waffen würden nur für kurze Zeit
ruhen; denn die alte Diplomatie flöße wenig Vertrauen in ihre Kraft und
Fähigkeit ein. Wo die Elemente einer großen Nation in Bewegung seien,
wo die Saat einer Weltrevolution ausgestreut werde, wenn die gereckten
Ansprüche Italiens nicht befriedigt würden, dort sehe sie nur Mißverständnisse.
Sie werde sich überzeugen müssen, daß ein Volk, das für die Freiheit zu
sterben weiß, eher vernichtet als in die Knechtschaft zurückgeführt werden
könne. Wenn auch alle Kämpfer Italiens von heute sielen, würden sie doch
ihre Söhne mit dem gleichen Bewußtsein des Rechtes. zu gleichem Kampfe
bereit zurücklassen. Die jungen Männer in Mittelitalien sollten daher unter
Waffen bleiben und sich einiger als je um ihre Führer schaaren; die Bürger
Italiens sollten nicht aufhören zu der Beschaffung von Waffen zu steuern,
damit morgen vielleicht Italien der Gewalt verdanken könne, was ihm die
Wilhelm Nüstow. Gerechtigkeit heute versagen wolle.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/249>, abgerufen am 15.05.2024.