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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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tüchtige und zahlreiche Flotte in die Wagschale der Wehrhaftigkeit und Macht
eines Volkes werfen müsse, erkennend, wendete dem Bau und der Ausrüstung
einer solchen seine ganze Aufmerksamkeit zu. Flotten waren es, welche den
Krimfcldzug seitens der Westmächte überhaupt ermöglichten, sie erschienen im
schwarzen Meer und in der Ostsee, und die französische gab an Schönheit,
Tüchtigkeit und Manövrirfähigkeit der englischen nichts nach, und komme eben
so viele Dampfer ausweisen als letztere. Deutschland hat keine Flotte, Preußen
und Oestreich nur kleine Geschwader, die zusammen noch nicht einmal der
russischen Seemacht die Spitze bieten könnten. In Folge dessen sind in einem
Kriege Deutschlands gegen eine Seemacht die Nord- und Ostsee die Tummel¬
plätze feindlicher Flotten, welche eine große Anzahl Landungstruppen mit sich
führen können; die dortigen Küsten sind für uns kein Schutz mehr, sondern
leicht anzugreifende Fronten, die dahinterliegenden Länder gewähren dem
Feinde, im Falle er sich ihrer bemächtigt, sehr bedeutende Hilfsquellen, die er
bei dem jetzigen Systeme, die Heere durch Requisitionen zu verpflegen, so weit
das immer möglich ist zum Ruin jener Provinzen ausbeuten wird. Gleich¬
zeitig unterbindet er unsere Haupthandclsadern. Konnte doch das kleine
Dänemark unsere Häfen vor nicht langer Zeit ungestraft blokiren.

Diese traurige Lage der Dinge erregte die Aufmerksamkeit Preußens --
"s ist dies der einzige norddeutsche Staat, welcher für Befestigung seiner
Küsten Sorge trug. Was hilft dies aber, wenn von feiten der andern Ufer¬
staaten nichts geschieht?

Beinahe überall sind an den deutschen Küsten Landungen möglich, da
jede Kriegsflotte eine Anzahl flachgehende Fahrzeuge mit sich führt, um An¬
griffe auch da zu ermöglichen, wo der niedere Wasserstand die Annäherung
großer Schiffe verhindert. Das Ausschiffen der Truppen kann bei guter An¬
ordnung und nicht zu ungünstigen Witterungsverhältnissen in sehr kurzer Zeit
geschehen, es gelang bei schlechtem Wetter und hochgehender Brandung, welche
das Landen während der Nächte und an den frühen Morgenstunden gänzlich
verhinderte. 61,000 Mann mit 137 Geschützen nebst Bespannung in drei Tagen
in der Bucht von Eupatoria Angesichts einer starken Armee zu landen. War
das Wetter günstiger, die Brandung nicht so heftig, so wären die Alliirten
in zweimal vierundzwanzig Stunden damit fertig gewesen.

Die Vertheidigung von Küsten kann auf dreierlei Weise erfolgen: erstens
durch Flotten, zweitens durch Uferbefestigungen und drittens durch Reserve¬
stellungen, die so gewählt sind, daß man sich aus ihnen rasch mit Uebermacht
auf die bedrohten Punkte begeben und eine Landung des Feindes zurück¬
weisen kann. Bei einer wirklich guten Küstenvertheidigung müssen alle drei
Mittel vereint angewendet werden. -- Wir müssen vorausschicken, daß wir
gegen jede cordonartige Besetzung langer Küstenstriche sind: es kostet eine


tüchtige und zahlreiche Flotte in die Wagschale der Wehrhaftigkeit und Macht
eines Volkes werfen müsse, erkennend, wendete dem Bau und der Ausrüstung
einer solchen seine ganze Aufmerksamkeit zu. Flotten waren es, welche den
Krimfcldzug seitens der Westmächte überhaupt ermöglichten, sie erschienen im
schwarzen Meer und in der Ostsee, und die französische gab an Schönheit,
Tüchtigkeit und Manövrirfähigkeit der englischen nichts nach, und komme eben
so viele Dampfer ausweisen als letztere. Deutschland hat keine Flotte, Preußen
und Oestreich nur kleine Geschwader, die zusammen noch nicht einmal der
russischen Seemacht die Spitze bieten könnten. In Folge dessen sind in einem
Kriege Deutschlands gegen eine Seemacht die Nord- und Ostsee die Tummel¬
plätze feindlicher Flotten, welche eine große Anzahl Landungstruppen mit sich
führen können; die dortigen Küsten sind für uns kein Schutz mehr, sondern
leicht anzugreifende Fronten, die dahinterliegenden Länder gewähren dem
Feinde, im Falle er sich ihrer bemächtigt, sehr bedeutende Hilfsquellen, die er
bei dem jetzigen Systeme, die Heere durch Requisitionen zu verpflegen, so weit
das immer möglich ist zum Ruin jener Provinzen ausbeuten wird. Gleich¬
zeitig unterbindet er unsere Haupthandclsadern. Konnte doch das kleine
Dänemark unsere Häfen vor nicht langer Zeit ungestraft blokiren.

Diese traurige Lage der Dinge erregte die Aufmerksamkeit Preußens —
«s ist dies der einzige norddeutsche Staat, welcher für Befestigung seiner
Küsten Sorge trug. Was hilft dies aber, wenn von feiten der andern Ufer¬
staaten nichts geschieht?

Beinahe überall sind an den deutschen Küsten Landungen möglich, da
jede Kriegsflotte eine Anzahl flachgehende Fahrzeuge mit sich führt, um An¬
griffe auch da zu ermöglichen, wo der niedere Wasserstand die Annäherung
großer Schiffe verhindert. Das Ausschiffen der Truppen kann bei guter An¬
ordnung und nicht zu ungünstigen Witterungsverhältnissen in sehr kurzer Zeit
geschehen, es gelang bei schlechtem Wetter und hochgehender Brandung, welche
das Landen während der Nächte und an den frühen Morgenstunden gänzlich
verhinderte. 61,000 Mann mit 137 Geschützen nebst Bespannung in drei Tagen
in der Bucht von Eupatoria Angesichts einer starken Armee zu landen. War
das Wetter günstiger, die Brandung nicht so heftig, so wären die Alliirten
in zweimal vierundzwanzig Stunden damit fertig gewesen.

Die Vertheidigung von Küsten kann auf dreierlei Weise erfolgen: erstens
durch Flotten, zweitens durch Uferbefestigungen und drittens durch Reserve¬
stellungen, die so gewählt sind, daß man sich aus ihnen rasch mit Uebermacht
auf die bedrohten Punkte begeben und eine Landung des Feindes zurück¬
weisen kann. Bei einer wirklich guten Küstenvertheidigung müssen alle drei
Mittel vereint angewendet werden. — Wir müssen vorausschicken, daß wir
gegen jede cordonartige Besetzung langer Küstenstriche sind: es kostet eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/322>, abgerufen am 14.05.2024.