Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bedankte sich der Teufel schön, indem er sagte, wenn er ihm nicht geholfen,
hätte er sich mit dem Frauenzimmer vielleicht bis zum jüngsten Tage schleppen
müssen, versprach ihm den Dienst zu vergelten, eröffaete ihm zum Schluß,
wer er sei. und verschwand. Der Schäfer war zuerst etwas verblüfft, dann
dachte er: "Wenn alle.Teufel so dumm sind, wie der, so ists gut."

Die Gelegenheit, sich dankbar zu erweisen, sand sich bald. In dem
Lande herrschte ein Fürst mit zwei Statthaltern, die so übel wirthschafteten,
daß der Teufel Auftrag erhielt, sie zu holen. Er beschloß, die beiden Statt¬
halter zu Gunsten des Schäfers zu verschonen. Zu diesem Zwecke erschien er
diesem und wies ihn an, sich vor die Schlösser der Herren zu verfügen und
ihm, wenn er sie herausbringe, zu befehlen, daß er sie in Ruhe lasse. Er
werde gehorchen. Der Schäfer aber solle sich seine Hülfe von jedem mit einem
Sack Gold bezahlen lassen. Wie besprochen, geschah es. und der Schäfer zog
reich belohnt nach Hause. Nun hatte aber der Fürst von seinem Sterndeuter
erfahren, daß auch er vom Teufel geholt werden sollte, und als er von der
Rettung der Statthalter durch den Schäfer hörte, wollte er ebenfalls dessen
Beistand. Der Schäfer lehnte dies zuerst ab, da ihm der Teufel gesagt, hier
dürfe er sich nicht einmischen. Indeß überlegte er sichs, als der Fürst Besserung
versprach, und sagte ihm seine Hülfe zu. Als der Teufel am festgesetzten Tage
erschien, war auch der Schäfer da, und als jeuer mit dem Fürsten kam, rief
ihm der Schäfer zu, er möge laufen, was er könne, sonst werde es ihm übel
ergehen. Der Teufel fragte, wie er sich erdreisten könne, ihn aufzuhalten. Ob
er nicht wisse, was sie ausgemacht? "Du Narr," antwortete der Schäfer,
"mir ists ja nicht um den Fürsten, sondern um Dich zu thun. Käthe lebt
und fragt nach Dir." Wie der Teufel das hörte, war er weg wie weggeblasen.
Der Schäfer aber lachte ihn aus und war froh, daß er den Fürsten durch
diese List gerettet hatte.

Bei weitem reicher als an Märchen und Sagen sind die Czechen an Volks¬
liedern. Die vollständigste Sammlung derselben liegt uns in deutscher Ueber¬
setzung in Waldaus "Böhmischen Granaten" vor*). Sie zählt nicht weniger
als 850 Nummern. Andere gibt Wenzig in dem oben angeführten Werke,
dem auch ein Verzeichniß von Sprichwörtern der Czechen angehängt ist. Die
meisten haben sehr schöne Melodien, und wenn das Talent der Czechen für
Musik allgemein anerkannt ist, so gibt es sich hier auf das Glänzendste kund.
Der Text besitzt oft nur geringen Werth, die Melodie dagegen ist fast immer
voll Gefühl und Wohlklang. Auffallend ist in den Sammlungen die große
Menge heiterer neckischer Liedchen, zumal wenn man sich erinnert, daß dieser



-) Böhmische Granaten. Czechischc Volkslieder, übertragen von Alfred Walton, Prag,
Fr. Ehrlich. 18os-
55*-

bedankte sich der Teufel schön, indem er sagte, wenn er ihm nicht geholfen,
hätte er sich mit dem Frauenzimmer vielleicht bis zum jüngsten Tage schleppen
müssen, versprach ihm den Dienst zu vergelten, eröffaete ihm zum Schluß,
wer er sei. und verschwand. Der Schäfer war zuerst etwas verblüfft, dann
dachte er: „Wenn alle.Teufel so dumm sind, wie der, so ists gut."

Die Gelegenheit, sich dankbar zu erweisen, sand sich bald. In dem
Lande herrschte ein Fürst mit zwei Statthaltern, die so übel wirthschafteten,
daß der Teufel Auftrag erhielt, sie zu holen. Er beschloß, die beiden Statt¬
halter zu Gunsten des Schäfers zu verschonen. Zu diesem Zwecke erschien er
diesem und wies ihn an, sich vor die Schlösser der Herren zu verfügen und
ihm, wenn er sie herausbringe, zu befehlen, daß er sie in Ruhe lasse. Er
werde gehorchen. Der Schäfer aber solle sich seine Hülfe von jedem mit einem
Sack Gold bezahlen lassen. Wie besprochen, geschah es. und der Schäfer zog
reich belohnt nach Hause. Nun hatte aber der Fürst von seinem Sterndeuter
erfahren, daß auch er vom Teufel geholt werden sollte, und als er von der
Rettung der Statthalter durch den Schäfer hörte, wollte er ebenfalls dessen
Beistand. Der Schäfer lehnte dies zuerst ab, da ihm der Teufel gesagt, hier
dürfe er sich nicht einmischen. Indeß überlegte er sichs, als der Fürst Besserung
versprach, und sagte ihm seine Hülfe zu. Als der Teufel am festgesetzten Tage
erschien, war auch der Schäfer da, und als jeuer mit dem Fürsten kam, rief
ihm der Schäfer zu, er möge laufen, was er könne, sonst werde es ihm übel
ergehen. Der Teufel fragte, wie er sich erdreisten könne, ihn aufzuhalten. Ob
er nicht wisse, was sie ausgemacht? „Du Narr," antwortete der Schäfer,
„mir ists ja nicht um den Fürsten, sondern um Dich zu thun. Käthe lebt
und fragt nach Dir." Wie der Teufel das hörte, war er weg wie weggeblasen.
Der Schäfer aber lachte ihn aus und war froh, daß er den Fürsten durch
diese List gerettet hatte.

Bei weitem reicher als an Märchen und Sagen sind die Czechen an Volks¬
liedern. Die vollständigste Sammlung derselben liegt uns in deutscher Ueber¬
setzung in Waldaus „Böhmischen Granaten" vor*). Sie zählt nicht weniger
als 850 Nummern. Andere gibt Wenzig in dem oben angeführten Werke,
dem auch ein Verzeichniß von Sprichwörtern der Czechen angehängt ist. Die
meisten haben sehr schöne Melodien, und wenn das Talent der Czechen für
Musik allgemein anerkannt ist, so gibt es sich hier auf das Glänzendste kund.
Der Text besitzt oft nur geringen Werth, die Melodie dagegen ist fast immer
voll Gefühl und Wohlklang. Auffallend ist in den Sammlungen die große
Menge heiterer neckischer Liedchen, zumal wenn man sich erinnert, daß dieser



-) Böhmische Granaten. Czechischc Volkslieder, übertragen von Alfred Walton, Prag,
Fr. Ehrlich. 18os-
55*-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109169"/>
          <p xml:id="ID_1275" prev="#ID_1274"> bedankte sich der Teufel schön, indem er sagte, wenn er ihm nicht geholfen,<lb/>
hätte er sich mit dem Frauenzimmer vielleicht bis zum jüngsten Tage schleppen<lb/>
müssen, versprach ihm den Dienst zu vergelten, eröffaete ihm zum Schluß,<lb/>
wer er sei. und verschwand. Der Schäfer war zuerst etwas verblüfft, dann<lb/>
dachte er: &#x201E;Wenn alle.Teufel so dumm sind, wie der, so ists gut."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1276"> Die Gelegenheit, sich dankbar zu erweisen, sand sich bald. In dem<lb/>
Lande herrschte ein Fürst mit zwei Statthaltern, die so übel wirthschafteten,<lb/>
daß der Teufel Auftrag erhielt, sie zu holen. Er beschloß, die beiden Statt¬<lb/>
halter zu Gunsten des Schäfers zu verschonen. Zu diesem Zwecke erschien er<lb/>
diesem und wies ihn an, sich vor die Schlösser der Herren zu verfügen und<lb/>
ihm, wenn er sie herausbringe, zu befehlen, daß er sie in Ruhe lasse. Er<lb/>
werde gehorchen. Der Schäfer aber solle sich seine Hülfe von jedem mit einem<lb/>
Sack Gold bezahlen lassen. Wie besprochen, geschah es. und der Schäfer zog<lb/>
reich belohnt nach Hause. Nun hatte aber der Fürst von seinem Sterndeuter<lb/>
erfahren, daß auch er vom Teufel geholt werden sollte, und als er von der<lb/>
Rettung der Statthalter durch den Schäfer hörte, wollte er ebenfalls dessen<lb/>
Beistand. Der Schäfer lehnte dies zuerst ab, da ihm der Teufel gesagt, hier<lb/>
dürfe er sich nicht einmischen. Indeß überlegte er sichs, als der Fürst Besserung<lb/>
versprach, und sagte ihm seine Hülfe zu. Als der Teufel am festgesetzten Tage<lb/>
erschien, war auch der Schäfer da, und als jeuer mit dem Fürsten kam, rief<lb/>
ihm der Schäfer zu, er möge laufen, was er könne, sonst werde es ihm übel<lb/>
ergehen. Der Teufel fragte, wie er sich erdreisten könne, ihn aufzuhalten. Ob<lb/>
er nicht wisse, was sie ausgemacht? &#x201E;Du Narr," antwortete der Schäfer,<lb/>
&#x201E;mir ists ja nicht um den Fürsten, sondern um Dich zu thun. Käthe lebt<lb/>
und fragt nach Dir." Wie der Teufel das hörte, war er weg wie weggeblasen.<lb/>
Der Schäfer aber lachte ihn aus und war froh, daß er den Fürsten durch<lb/>
diese List gerettet hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1277" next="#ID_1278"> Bei weitem reicher als an Märchen und Sagen sind die Czechen an Volks¬<lb/>
liedern. Die vollständigste Sammlung derselben liegt uns in deutscher Ueber¬<lb/>
setzung in Waldaus &#x201E;Böhmischen Granaten" vor*). Sie zählt nicht weniger<lb/>
als 850 Nummern. Andere gibt Wenzig in dem oben angeführten Werke,<lb/>
dem auch ein Verzeichniß von Sprichwörtern der Czechen angehängt ist. Die<lb/>
meisten haben sehr schöne Melodien, und wenn das Talent der Czechen für<lb/>
Musik allgemein anerkannt ist, so gibt es sich hier auf das Glänzendste kund.<lb/>
Der Text besitzt oft nur geringen Werth, die Melodie dagegen ist fast immer<lb/>
voll Gefühl und Wohlklang. Auffallend ist in den Sammlungen die große<lb/>
Menge heiterer neckischer Liedchen, zumal wenn man sich erinnert, daß dieser</p><lb/>
          <note xml:id="FID_34" place="foot"> -) Böhmische Granaten. Czechischc Volkslieder, übertragen von Alfred Walton, Prag,<lb/>
Fr. Ehrlich. 18os-</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 55*-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0447] bedankte sich der Teufel schön, indem er sagte, wenn er ihm nicht geholfen, hätte er sich mit dem Frauenzimmer vielleicht bis zum jüngsten Tage schleppen müssen, versprach ihm den Dienst zu vergelten, eröffaete ihm zum Schluß, wer er sei. und verschwand. Der Schäfer war zuerst etwas verblüfft, dann dachte er: „Wenn alle.Teufel so dumm sind, wie der, so ists gut." Die Gelegenheit, sich dankbar zu erweisen, sand sich bald. In dem Lande herrschte ein Fürst mit zwei Statthaltern, die so übel wirthschafteten, daß der Teufel Auftrag erhielt, sie zu holen. Er beschloß, die beiden Statt¬ halter zu Gunsten des Schäfers zu verschonen. Zu diesem Zwecke erschien er diesem und wies ihn an, sich vor die Schlösser der Herren zu verfügen und ihm, wenn er sie herausbringe, zu befehlen, daß er sie in Ruhe lasse. Er werde gehorchen. Der Schäfer aber solle sich seine Hülfe von jedem mit einem Sack Gold bezahlen lassen. Wie besprochen, geschah es. und der Schäfer zog reich belohnt nach Hause. Nun hatte aber der Fürst von seinem Sterndeuter erfahren, daß auch er vom Teufel geholt werden sollte, und als er von der Rettung der Statthalter durch den Schäfer hörte, wollte er ebenfalls dessen Beistand. Der Schäfer lehnte dies zuerst ab, da ihm der Teufel gesagt, hier dürfe er sich nicht einmischen. Indeß überlegte er sichs, als der Fürst Besserung versprach, und sagte ihm seine Hülfe zu. Als der Teufel am festgesetzten Tage erschien, war auch der Schäfer da, und als jeuer mit dem Fürsten kam, rief ihm der Schäfer zu, er möge laufen, was er könne, sonst werde es ihm übel ergehen. Der Teufel fragte, wie er sich erdreisten könne, ihn aufzuhalten. Ob er nicht wisse, was sie ausgemacht? „Du Narr," antwortete der Schäfer, „mir ists ja nicht um den Fürsten, sondern um Dich zu thun. Käthe lebt und fragt nach Dir." Wie der Teufel das hörte, war er weg wie weggeblasen. Der Schäfer aber lachte ihn aus und war froh, daß er den Fürsten durch diese List gerettet hatte. Bei weitem reicher als an Märchen und Sagen sind die Czechen an Volks¬ liedern. Die vollständigste Sammlung derselben liegt uns in deutscher Ueber¬ setzung in Waldaus „Böhmischen Granaten" vor*). Sie zählt nicht weniger als 850 Nummern. Andere gibt Wenzig in dem oben angeführten Werke, dem auch ein Verzeichniß von Sprichwörtern der Czechen angehängt ist. Die meisten haben sehr schöne Melodien, und wenn das Talent der Czechen für Musik allgemein anerkannt ist, so gibt es sich hier auf das Glänzendste kund. Der Text besitzt oft nur geringen Werth, die Melodie dagegen ist fast immer voll Gefühl und Wohlklang. Auffallend ist in den Sammlungen die große Menge heiterer neckischer Liedchen, zumal wenn man sich erinnert, daß dieser -) Böhmische Granaten. Czechischc Volkslieder, übertragen von Alfred Walton, Prag, Fr. Ehrlich. 18os- 55*-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/447
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/447>, abgerufen am 15.05.2024.