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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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nothwendig zur Erreichung eines bestimmt angedeuteten Zwecks, also als ein
vorübergehendes Uebel, für das man größere Güter erwerben werde, heraus¬
gestellt Hütte. So wurde denn die auswärtige Politik, die man sonst schon
darum gern der Regierung überläßt, weil man die verwickelten Wendungen
der Diplomatie nicht leicht controliren kann, nothwendig Gegenstand der all¬
gemeinen Aufmerksamkeit. Während des vorigen Jahres, namentlich vor dem
Abschluß des Friedens von Billafranca, war die großdeutsche Partei geschäf¬
tig, die Politik des Herrn von Schleime) aufs bitterste anzuklagen und ihn
persönlich für die Haltung Preußens verantwortlich zu machen, die den Wün¬
schen jener Partei so wenig entsprach/ In diese Klagen stimmten zuletzt auch
solche Männer ein, die es aufrichtig mit Preußen meinten. Wir zweifelten da¬
mals an der vollen Berechtigung dieser Klagen, weil, auf dem Wege, den die
preußische Politik in den letzten Wochen vor Billafranca einschlug, das Zau¬
dern immer noch das beste war; und die gleich daraus eintretenden Ereignisse
schienen unsere Ansicht zu bestätigen. Seitdem wäre nun der Diplomatie der
freieste Spielraum für jede Art entschlossener Thätigkeit gegeben, und wir
waren fest überzeugt und wurden durch die Anträge am Bunde in Bezug auf
die Bundcskriegsverfassung und auf die Kurhessische Angelegenheit darin be¬
stärkt, daß auch Preußen diesen Stillstand kräftig benutzen würde.

> Hr. v. Schlcinitz selbst hat ein standhaftes Stillschweigen darüber bewahrt,
dafür hat jetzt das neuste englische Blaubuch gesprochen, und leider nur zu
deutlich. Wir heben Einzelnes hervor. -- Lord Bloomfield an Russell,
14. Jan. "Während ich heute bei Baron Schleinitz war, spielte Se. Excellenz
auf mehrere während der letzten Zeit in den englischen Zeitungen veröffent¬
lichte Artikel an, desgleichen auf officielle Mittheilungen, die darauf hinaus¬
zulaufen schienen, als ob zwischen der Negierung Ihrer Majestät und der
des Kaisers der Franzosen über die in der italienischen Frage zu befolgende
Politik ein Einvernehmen bestehe. Ich sagte Sr. Excellenz, daß ich ihm über
diesen Punkt keine Information geben könne; er müsse aber überzeugt sein,
daß ein Einvernehmen zwischen den beiden Staaten mehr als ein anderes
politisches Arrangement geeignet sei, die schwebenden Fragen auf friedliche
Art zu erledigen. Baron Schlcinitz sagte, wenn auch Preußen die Möglichkeit
eines neuen Krieges gern beseitigt sähe, dürfe man doch kaum erwarten, daß
es, so zu sagen mit verbundenen Augen, die durch Frankreich und England
gemeinschaftlich bewirkte Reorganisation Italiens als eine vollendete Thatsache
ansehen solle, wenn es früher nicht aufgefordert worden sei, an den betreffenden
Berathungen Theil zu nehmen. Se. Excellenz bemerkte ferner, daß, obwol
Preußen nicht geneigt sein dürfte, die der britischen Regierung zugeschriebene
Politik in Allem und Jedem gut zu heißen, es doch geneigt wäre, die Frage
betreffs einer Nichtinterventions-Erklärung aufzunehmen. Ihrer Majestät Re-


nothwendig zur Erreichung eines bestimmt angedeuteten Zwecks, also als ein
vorübergehendes Uebel, für das man größere Güter erwerben werde, heraus¬
gestellt Hütte. So wurde denn die auswärtige Politik, die man sonst schon
darum gern der Regierung überläßt, weil man die verwickelten Wendungen
der Diplomatie nicht leicht controliren kann, nothwendig Gegenstand der all¬
gemeinen Aufmerksamkeit. Während des vorigen Jahres, namentlich vor dem
Abschluß des Friedens von Billafranca, war die großdeutsche Partei geschäf¬
tig, die Politik des Herrn von Schleime) aufs bitterste anzuklagen und ihn
persönlich für die Haltung Preußens verantwortlich zu machen, die den Wün¬
schen jener Partei so wenig entsprach/ In diese Klagen stimmten zuletzt auch
solche Männer ein, die es aufrichtig mit Preußen meinten. Wir zweifelten da¬
mals an der vollen Berechtigung dieser Klagen, weil, auf dem Wege, den die
preußische Politik in den letzten Wochen vor Billafranca einschlug, das Zau¬
dern immer noch das beste war; und die gleich daraus eintretenden Ereignisse
schienen unsere Ansicht zu bestätigen. Seitdem wäre nun der Diplomatie der
freieste Spielraum für jede Art entschlossener Thätigkeit gegeben, und wir
waren fest überzeugt und wurden durch die Anträge am Bunde in Bezug auf
die Bundcskriegsverfassung und auf die Kurhessische Angelegenheit darin be¬
stärkt, daß auch Preußen diesen Stillstand kräftig benutzen würde.

> Hr. v. Schlcinitz selbst hat ein standhaftes Stillschweigen darüber bewahrt,
dafür hat jetzt das neuste englische Blaubuch gesprochen, und leider nur zu
deutlich. Wir heben Einzelnes hervor. — Lord Bloomfield an Russell,
14. Jan. „Während ich heute bei Baron Schleinitz war, spielte Se. Excellenz
auf mehrere während der letzten Zeit in den englischen Zeitungen veröffent¬
lichte Artikel an, desgleichen auf officielle Mittheilungen, die darauf hinaus¬
zulaufen schienen, als ob zwischen der Negierung Ihrer Majestät und der
des Kaisers der Franzosen über die in der italienischen Frage zu befolgende
Politik ein Einvernehmen bestehe. Ich sagte Sr. Excellenz, daß ich ihm über
diesen Punkt keine Information geben könne; er müsse aber überzeugt sein,
daß ein Einvernehmen zwischen den beiden Staaten mehr als ein anderes
politisches Arrangement geeignet sei, die schwebenden Fragen auf friedliche
Art zu erledigen. Baron Schlcinitz sagte, wenn auch Preußen die Möglichkeit
eines neuen Krieges gern beseitigt sähe, dürfe man doch kaum erwarten, daß
es, so zu sagen mit verbundenen Augen, die durch Frankreich und England
gemeinschaftlich bewirkte Reorganisation Italiens als eine vollendete Thatsache
ansehen solle, wenn es früher nicht aufgefordert worden sei, an den betreffenden
Berathungen Theil zu nehmen. Se. Excellenz bemerkte ferner, daß, obwol
Preußen nicht geneigt sein dürfte, die der britischen Regierung zugeschriebene
Politik in Allem und Jedem gut zu heißen, es doch geneigt wäre, die Frage
betreffs einer Nichtinterventions-Erklärung aufzunehmen. Ihrer Majestät Re-


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[0494] nothwendig zur Erreichung eines bestimmt angedeuteten Zwecks, also als ein vorübergehendes Uebel, für das man größere Güter erwerben werde, heraus¬ gestellt Hütte. So wurde denn die auswärtige Politik, die man sonst schon darum gern der Regierung überläßt, weil man die verwickelten Wendungen der Diplomatie nicht leicht controliren kann, nothwendig Gegenstand der all¬ gemeinen Aufmerksamkeit. Während des vorigen Jahres, namentlich vor dem Abschluß des Friedens von Billafranca, war die großdeutsche Partei geschäf¬ tig, die Politik des Herrn von Schleime) aufs bitterste anzuklagen und ihn persönlich für die Haltung Preußens verantwortlich zu machen, die den Wün¬ schen jener Partei so wenig entsprach/ In diese Klagen stimmten zuletzt auch solche Männer ein, die es aufrichtig mit Preußen meinten. Wir zweifelten da¬ mals an der vollen Berechtigung dieser Klagen, weil, auf dem Wege, den die preußische Politik in den letzten Wochen vor Billafranca einschlug, das Zau¬ dern immer noch das beste war; und die gleich daraus eintretenden Ereignisse schienen unsere Ansicht zu bestätigen. Seitdem wäre nun der Diplomatie der freieste Spielraum für jede Art entschlossener Thätigkeit gegeben, und wir waren fest überzeugt und wurden durch die Anträge am Bunde in Bezug auf die Bundcskriegsverfassung und auf die Kurhessische Angelegenheit darin be¬ stärkt, daß auch Preußen diesen Stillstand kräftig benutzen würde. > Hr. v. Schlcinitz selbst hat ein standhaftes Stillschweigen darüber bewahrt, dafür hat jetzt das neuste englische Blaubuch gesprochen, und leider nur zu deutlich. Wir heben Einzelnes hervor. — Lord Bloomfield an Russell, 14. Jan. „Während ich heute bei Baron Schleinitz war, spielte Se. Excellenz auf mehrere während der letzten Zeit in den englischen Zeitungen veröffent¬ lichte Artikel an, desgleichen auf officielle Mittheilungen, die darauf hinaus¬ zulaufen schienen, als ob zwischen der Negierung Ihrer Majestät und der des Kaisers der Franzosen über die in der italienischen Frage zu befolgende Politik ein Einvernehmen bestehe. Ich sagte Sr. Excellenz, daß ich ihm über diesen Punkt keine Information geben könne; er müsse aber überzeugt sein, daß ein Einvernehmen zwischen den beiden Staaten mehr als ein anderes politisches Arrangement geeignet sei, die schwebenden Fragen auf friedliche Art zu erledigen. Baron Schlcinitz sagte, wenn auch Preußen die Möglichkeit eines neuen Krieges gern beseitigt sähe, dürfe man doch kaum erwarten, daß es, so zu sagen mit verbundenen Augen, die durch Frankreich und England gemeinschaftlich bewirkte Reorganisation Italiens als eine vollendete Thatsache ansehen solle, wenn es früher nicht aufgefordert worden sei, an den betreffenden Berathungen Theil zu nehmen. Se. Excellenz bemerkte ferner, daß, obwol Preußen nicht geneigt sein dürfte, die der britischen Regierung zugeschriebene Politik in Allem und Jedem gut zu heißen, es doch geneigt wäre, die Frage betreffs einer Nichtinterventions-Erklärung aufzunehmen. Ihrer Majestät Re-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/494>, abgerufen am 15.05.2024.