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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Andere Sprüche empfehlen, bei Neumond zu sum. Im allgemeinen gilt,
daß alle Dinge, die auf ein Gewinnen oder Behalten abzielen, bei wachsendem,
alle, welche darauf gerichtet sind, etwas loszuwerden, bei schwindenden Mond
vorzunehmen sind. Da indeß im Aberglauben die Willkür der Phantasie
vorherrscht, so sind die Ausnahmen fast so zahlreich vertreten als die Regel.
Bei zunehmendem Mond muß man die Schafe scheeren, die Wiesen mähen,
die zum Schlag bestimmten Waldstrecken fällen, Dünger auf den Acker fahren
(Kärnthen). Vorzüglich muh alles zum Bauen bestimmte Holz in dieser Pe¬
riode gefällt werden, weil sonst dem daraus errichteten Hause ein Unglück
widerfährt (Kärnthen); Brennholz dagegen ist bei abnehmendem Licht zu schla¬
gen, da es so besser brennt. Waschen soll man (Tirol) bei abnehmendem
Mond, und in derselben Zeit nimmt man in der Mark das Schweineschlachten
und in Mecklenburg das Weißen der Stuben vor, "weil sie sonst nicht trocken
werden." In vielen Gegenden, z. B. in Ostpreußen, Pommern und Hessen
läßt sich niemand leicht im letzten Viertel trauen. Dagegen ist der Vollmond
und ebenso der Neumond zum Hochzeitsbitter sehr zu empfehlen. Bei Grässe
heißt es ferner, wenn eine Sache glücken soll, muß sie während des Neu¬
monds angefangen werden, namentlich muß man in dieser Zeit neue Woh¬
nungen beziehen, weil "dann die Nahrung zunimmt". Wer kein Geld im
Beutel hat, darf ihn bei Neumond nicht besehen, da er in diesem Fall, so
lange das Licht währt, kein Geld haben würde. Aehnliches sagt man vom
ersten Viertel. Wer sein Silber während des Vollmonds zählt, der sieht es
oft zu Golde werden, lesen wir bei Grässe. Dagegen heißt es in der von
Zingerle mitgetheilten "Blume der Tugend", einem Gedicht aus dem Anfang
des fünfzehnten Jahrhunderts:

Eigen klingt der von Montcmus angeführte Aberglaube, daß in der Neumonds¬
zeit Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht feststünden, zu wackeln ansingen.

Von höchster Wichtigkeit ist der Mond für die Bestimmung des Wetters.
"Wollt ihr wissen," sagt die Meteorologie der Bauern, "ob in einem jeglichen
Monat schön Wetter sein oder regnen wird, so lug, in welcher Stunde ein
neuer Mond wird, an welchem Zeichen, und w'einher Planet zu derselben
Stunde regiert: so wird derselbe Monat gern heiß und trocken, kalt und feucht
nach den Urtheilen der vier Zeiten des Jahres. Item, wenn der Mond neu
ist worden, wie es dann denselben Monat wittern soll, das findest du also:
scheint der Mond weiß, so wird es gern schön, scheint er aber roth, so wird


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Andere Sprüche empfehlen, bei Neumond zu sum. Im allgemeinen gilt,
daß alle Dinge, die auf ein Gewinnen oder Behalten abzielen, bei wachsendem,
alle, welche darauf gerichtet sind, etwas loszuwerden, bei schwindenden Mond
vorzunehmen sind. Da indeß im Aberglauben die Willkür der Phantasie
vorherrscht, so sind die Ausnahmen fast so zahlreich vertreten als die Regel.
Bei zunehmendem Mond muß man die Schafe scheeren, die Wiesen mähen,
die zum Schlag bestimmten Waldstrecken fällen, Dünger auf den Acker fahren
(Kärnthen). Vorzüglich muh alles zum Bauen bestimmte Holz in dieser Pe¬
riode gefällt werden, weil sonst dem daraus errichteten Hause ein Unglück
widerfährt (Kärnthen); Brennholz dagegen ist bei abnehmendem Licht zu schla¬
gen, da es so besser brennt. Waschen soll man (Tirol) bei abnehmendem
Mond, und in derselben Zeit nimmt man in der Mark das Schweineschlachten
und in Mecklenburg das Weißen der Stuben vor, „weil sie sonst nicht trocken
werden." In vielen Gegenden, z. B. in Ostpreußen, Pommern und Hessen
läßt sich niemand leicht im letzten Viertel trauen. Dagegen ist der Vollmond
und ebenso der Neumond zum Hochzeitsbitter sehr zu empfehlen. Bei Grässe
heißt es ferner, wenn eine Sache glücken soll, muß sie während des Neu¬
monds angefangen werden, namentlich muß man in dieser Zeit neue Woh¬
nungen beziehen, weil „dann die Nahrung zunimmt". Wer kein Geld im
Beutel hat, darf ihn bei Neumond nicht besehen, da er in diesem Fall, so
lange das Licht währt, kein Geld haben würde. Aehnliches sagt man vom
ersten Viertel. Wer sein Silber während des Vollmonds zählt, der sieht es
oft zu Golde werden, lesen wir bei Grässe. Dagegen heißt es in der von
Zingerle mitgetheilten „Blume der Tugend", einem Gedicht aus dem Anfang
des fünfzehnten Jahrhunderts:

Eigen klingt der von Montcmus angeführte Aberglaube, daß in der Neumonds¬
zeit Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht feststünden, zu wackeln ansingen.

Von höchster Wichtigkeit ist der Mond für die Bestimmung des Wetters.
„Wollt ihr wissen," sagt die Meteorologie der Bauern, „ob in einem jeglichen
Monat schön Wetter sein oder regnen wird, so lug, in welcher Stunde ein
neuer Mond wird, an welchem Zeichen, und w'einher Planet zu derselben
Stunde regiert: so wird derselbe Monat gern heiß und trocken, kalt und feucht
nach den Urtheilen der vier Zeiten des Jahres. Item, wenn der Mond neu
ist worden, wie es dann denselben Monat wittern soll, das findest du also:
scheint der Mond weiß, so wird es gern schön, scheint er aber roth, so wird


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[0511] Andere Sprüche empfehlen, bei Neumond zu sum. Im allgemeinen gilt, daß alle Dinge, die auf ein Gewinnen oder Behalten abzielen, bei wachsendem, alle, welche darauf gerichtet sind, etwas loszuwerden, bei schwindenden Mond vorzunehmen sind. Da indeß im Aberglauben die Willkür der Phantasie vorherrscht, so sind die Ausnahmen fast so zahlreich vertreten als die Regel. Bei zunehmendem Mond muß man die Schafe scheeren, die Wiesen mähen, die zum Schlag bestimmten Waldstrecken fällen, Dünger auf den Acker fahren (Kärnthen). Vorzüglich muh alles zum Bauen bestimmte Holz in dieser Pe¬ riode gefällt werden, weil sonst dem daraus errichteten Hause ein Unglück widerfährt (Kärnthen); Brennholz dagegen ist bei abnehmendem Licht zu schla¬ gen, da es so besser brennt. Waschen soll man (Tirol) bei abnehmendem Mond, und in derselben Zeit nimmt man in der Mark das Schweineschlachten und in Mecklenburg das Weißen der Stuben vor, „weil sie sonst nicht trocken werden." In vielen Gegenden, z. B. in Ostpreußen, Pommern und Hessen läßt sich niemand leicht im letzten Viertel trauen. Dagegen ist der Vollmond und ebenso der Neumond zum Hochzeitsbitter sehr zu empfehlen. Bei Grässe heißt es ferner, wenn eine Sache glücken soll, muß sie während des Neu¬ monds angefangen werden, namentlich muß man in dieser Zeit neue Woh¬ nungen beziehen, weil „dann die Nahrung zunimmt". Wer kein Geld im Beutel hat, darf ihn bei Neumond nicht besehen, da er in diesem Fall, so lange das Licht währt, kein Geld haben würde. Aehnliches sagt man vom ersten Viertel. Wer sein Silber während des Vollmonds zählt, der sieht es oft zu Golde werden, lesen wir bei Grässe. Dagegen heißt es in der von Zingerle mitgetheilten „Blume der Tugend", einem Gedicht aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts: Eigen klingt der von Montcmus angeführte Aberglaube, daß in der Neumonds¬ zeit Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht feststünden, zu wackeln ansingen. Von höchster Wichtigkeit ist der Mond für die Bestimmung des Wetters. „Wollt ihr wissen," sagt die Meteorologie der Bauern, „ob in einem jeglichen Monat schön Wetter sein oder regnen wird, so lug, in welcher Stunde ein neuer Mond wird, an welchem Zeichen, und w'einher Planet zu derselben Stunde regiert: so wird derselbe Monat gern heiß und trocken, kalt und feucht nach den Urtheilen der vier Zeiten des Jahres. Item, wenn der Mond neu ist worden, wie es dann denselben Monat wittern soll, das findest du also: scheint der Mond weiß, so wird es gern schön, scheint er aber roth, so wird 63"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/511>, abgerufen am 09.06.2024.