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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Kur Hessen tritt zwar der Zurückweisung nicht entgegen, verwahrt sich
aber dagegen, als bezweifele es, daß die Verfassung von 1831 nicht definitiv
als bundeswidrig aufgehaben und eine Rückkehr zu ihr möglich sei, und über¬
läßt sich der Ueberzeugung, daß dieses Resultat bei der im Ausschuß zu eröff¬
nenden Verhandlung an den Tag treten werde. -- Ist es nicht geradezu un¬
begreiflich, wenn auch bundesrechtlich, daß eine Negierung in ihrer eigenen
Sache beim Bundestag stimmen kann?

Etwas anders als diese Heißsporne der re8 Mile",<Ä des Bundestags
stellt sich das Königreich Sachsen zu unserer Frage, wiewohl man ihm
natürlich nicht im Mindesten eine principielle Gegnerschaft zutrauen darf. Die
Negierung ist überzeugt, daß die "Wiederaufrichtung" des öffentlichen Nechts-
zustands in Kurhessen in einer dauerhaften und gegen neue Conflicte gesicher¬
ten Weise nur "mit gewissenhafter Jnnehaltung des bnndesverfassungsmäßigen
Weges und unter thunlichster Würdigung inmitten liegender wohlerworbener
Rechte" zu erreichen sei. Um zu diesem Ziele in versöhnlichem Geiste zu ge¬
langen, könne man nur wünschen, daß vor dem definitiven Ausspruch des
Bundes noch eine anderweite Prüfung beschlossen werde, und eine solche er¬
scheine in folgender Richtung nothwendig. Durch den Beschluß von 1852 sei
die Verfassung von 1831 nebst den in Gesetzesform dazu gegebenen Erläute¬
rungen und dem Wahlgesetze von 1849 in ihren? wesentlichen, jedoch von dem
übrigen nicht wohl zu trennenden Inhalte als mit den Grundgesetzen des
Bundes, insbesondre Art. 54, 57 und 58 der Wiener Schlußacte unvereinbar
erklärt und daher außer Wirksamkeit gesetzt, dabei aber zugleich als selbstver¬
ständlich vorausgesetzt worden, daß über die nicht bundeswidrigen Bestim¬
mungen dieser Verfassung von Bundeswegen nicht abgesprochen werde, und
letztere daher insoweit noch immer Geltung zu beanspruchen habe, was auch
der Allsschußbericht ausdrücklich anerkenne. -- (Baden hat also Unrecht?) --
Folgerecht sei der im Entwurf vorgelegten neuen Verfassung nur im Allgemei¬
nen von der Bundesversammlung zugestimmt, und der letzteren Behufs einer
definitiven beruhigenden Erledigung der kurhessische" Verfassnngsangelegcnheit
die weitere Beschlußnahme vorbehalten worden. Darnach möchten für diese
Beschlußnahme die nicht bundeswidrigen Bestimmungen der Verfassung von
1831, soweit deren Aufrechthaltung von der kurfürstlichen Negierung oder den
dermaligen Ständen in Anspruch genommen werde, als solche hervorzuheben
sein, deren Wiedereinstelluug in die kraft Bundesbeschlufses von 1852 ins
Leben zu rufende Verfassung keinem Auslande unterliegen könne. Hiernächst
würden die in der revidirten Verfassung enthaltenen neueren Bestimmungen,
über welche zwischen Negierung und Ständen Einverständnis^ obwalte, als end-
giltig feststehend zu bezeichnen, der ganze übrige nicht bundeswidrige Inhalt
der Verfassung von 1852 aber, soweit darüber Differenzen obschweben, ledig-


Kur Hessen tritt zwar der Zurückweisung nicht entgegen, verwahrt sich
aber dagegen, als bezweifele es, daß die Verfassung von 1831 nicht definitiv
als bundeswidrig aufgehaben und eine Rückkehr zu ihr möglich sei, und über¬
läßt sich der Ueberzeugung, daß dieses Resultat bei der im Ausschuß zu eröff¬
nenden Verhandlung an den Tag treten werde. — Ist es nicht geradezu un¬
begreiflich, wenn auch bundesrechtlich, daß eine Negierung in ihrer eigenen
Sache beim Bundestag stimmen kann?

Etwas anders als diese Heißsporne der re8 Mile»,<Ä des Bundestags
stellt sich das Königreich Sachsen zu unserer Frage, wiewohl man ihm
natürlich nicht im Mindesten eine principielle Gegnerschaft zutrauen darf. Die
Negierung ist überzeugt, daß die „Wiederaufrichtung" des öffentlichen Nechts-
zustands in Kurhessen in einer dauerhaften und gegen neue Conflicte gesicher¬
ten Weise nur „mit gewissenhafter Jnnehaltung des bnndesverfassungsmäßigen
Weges und unter thunlichster Würdigung inmitten liegender wohlerworbener
Rechte" zu erreichen sei. Um zu diesem Ziele in versöhnlichem Geiste zu ge¬
langen, könne man nur wünschen, daß vor dem definitiven Ausspruch des
Bundes noch eine anderweite Prüfung beschlossen werde, und eine solche er¬
scheine in folgender Richtung nothwendig. Durch den Beschluß von 1852 sei
die Verfassung von 1831 nebst den in Gesetzesform dazu gegebenen Erläute¬
rungen und dem Wahlgesetze von 1849 in ihren? wesentlichen, jedoch von dem
übrigen nicht wohl zu trennenden Inhalte als mit den Grundgesetzen des
Bundes, insbesondre Art. 54, 57 und 58 der Wiener Schlußacte unvereinbar
erklärt und daher außer Wirksamkeit gesetzt, dabei aber zugleich als selbstver¬
ständlich vorausgesetzt worden, daß über die nicht bundeswidrigen Bestim¬
mungen dieser Verfassung von Bundeswegen nicht abgesprochen werde, und
letztere daher insoweit noch immer Geltung zu beanspruchen habe, was auch
der Allsschußbericht ausdrücklich anerkenne. — (Baden hat also Unrecht?) —
Folgerecht sei der im Entwurf vorgelegten neuen Verfassung nur im Allgemei¬
nen von der Bundesversammlung zugestimmt, und der letzteren Behufs einer
definitiven beruhigenden Erledigung der kurhessische» Verfassnngsangelegcnheit
die weitere Beschlußnahme vorbehalten worden. Darnach möchten für diese
Beschlußnahme die nicht bundeswidrigen Bestimmungen der Verfassung von
1831, soweit deren Aufrechthaltung von der kurfürstlichen Negierung oder den
dermaligen Ständen in Anspruch genommen werde, als solche hervorzuheben
sein, deren Wiedereinstelluug in die kraft Bundesbeschlufses von 1852 ins
Leben zu rufende Verfassung keinem Auslande unterliegen könne. Hiernächst
würden die in der revidirten Verfassung enthaltenen neueren Bestimmungen,
über welche zwischen Negierung und Ständen Einverständnis^ obwalte, als end-
giltig feststehend zu bezeichnen, der ganze übrige nicht bundeswidrige Inhalt
der Verfassung von 1852 aber, soweit darüber Differenzen obschweben, ledig-


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[0056] Kur Hessen tritt zwar der Zurückweisung nicht entgegen, verwahrt sich aber dagegen, als bezweifele es, daß die Verfassung von 1831 nicht definitiv als bundeswidrig aufgehaben und eine Rückkehr zu ihr möglich sei, und über¬ läßt sich der Ueberzeugung, daß dieses Resultat bei der im Ausschuß zu eröff¬ nenden Verhandlung an den Tag treten werde. — Ist es nicht geradezu un¬ begreiflich, wenn auch bundesrechtlich, daß eine Negierung in ihrer eigenen Sache beim Bundestag stimmen kann? Etwas anders als diese Heißsporne der re8 Mile»,<Ä des Bundestags stellt sich das Königreich Sachsen zu unserer Frage, wiewohl man ihm natürlich nicht im Mindesten eine principielle Gegnerschaft zutrauen darf. Die Negierung ist überzeugt, daß die „Wiederaufrichtung" des öffentlichen Nechts- zustands in Kurhessen in einer dauerhaften und gegen neue Conflicte gesicher¬ ten Weise nur „mit gewissenhafter Jnnehaltung des bnndesverfassungsmäßigen Weges und unter thunlichster Würdigung inmitten liegender wohlerworbener Rechte" zu erreichen sei. Um zu diesem Ziele in versöhnlichem Geiste zu ge¬ langen, könne man nur wünschen, daß vor dem definitiven Ausspruch des Bundes noch eine anderweite Prüfung beschlossen werde, und eine solche er¬ scheine in folgender Richtung nothwendig. Durch den Beschluß von 1852 sei die Verfassung von 1831 nebst den in Gesetzesform dazu gegebenen Erläute¬ rungen und dem Wahlgesetze von 1849 in ihren? wesentlichen, jedoch von dem übrigen nicht wohl zu trennenden Inhalte als mit den Grundgesetzen des Bundes, insbesondre Art. 54, 57 und 58 der Wiener Schlußacte unvereinbar erklärt und daher außer Wirksamkeit gesetzt, dabei aber zugleich als selbstver¬ ständlich vorausgesetzt worden, daß über die nicht bundeswidrigen Bestim¬ mungen dieser Verfassung von Bundeswegen nicht abgesprochen werde, und letztere daher insoweit noch immer Geltung zu beanspruchen habe, was auch der Allsschußbericht ausdrücklich anerkenne. — (Baden hat also Unrecht?) — Folgerecht sei der im Entwurf vorgelegten neuen Verfassung nur im Allgemei¬ nen von der Bundesversammlung zugestimmt, und der letzteren Behufs einer definitiven beruhigenden Erledigung der kurhessische» Verfassnngsangelegcnheit die weitere Beschlußnahme vorbehalten worden. Darnach möchten für diese Beschlußnahme die nicht bundeswidrigen Bestimmungen der Verfassung von 1831, soweit deren Aufrechthaltung von der kurfürstlichen Negierung oder den dermaligen Ständen in Anspruch genommen werde, als solche hervorzuheben sein, deren Wiedereinstelluug in die kraft Bundesbeschlufses von 1852 ins Leben zu rufende Verfassung keinem Auslande unterliegen könne. Hiernächst würden die in der revidirten Verfassung enthaltenen neueren Bestimmungen, über welche zwischen Negierung und Ständen Einverständnis^ obwalte, als end- giltig feststehend zu bezeichnen, der ganze übrige nicht bundeswidrige Inhalt der Verfassung von 1852 aber, soweit darüber Differenzen obschweben, ledig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/56>, abgerufen am 16.06.2024.