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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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stellt, aber Metternich sah gleich, daß die schwache Regierung Ludwig Philipps
dasselbe nicht mit den Waffen aufrecht halten werde, der nationalen Erhebung
wurde keine Zeit gelassen, sich zu organisiren, der Widerstand gegen die Ueber¬
macht regulärer Truppen ward unmöglich, die päpstliche Gewalt ward überall
hergestellt, die Amnestie, welche der Cardinallegat Benvenuti den sich freiwillig
Unterwerfenden gewährt, wurde für ungiltig erklärt, Verfolgungen und Be¬
strafungen begannen aufs neue, die Oestreicher wurden vom Papst in einem
Erlaß als "die auserwählten Schaaren von Tapfern genannt, denen Gott den
Triumph über die Verworfenheit der Rebellen aufbehalten habe, welche mit
tempelschänderischen, bewaffneten Händen Verheerung und Jammer in das
Levitengebiet hätten tragen wollen". Dafür garantirte der Kaiser dem Papste
alle laut der Verträge von 1815 ihm gehörigen Gebietstheile. Frankreich, das
sich trotz der Besetzung von Ancona hier offenbar hatte schlagen lassen, sah
in der Unterstützung von Reformen ein Mittel seinen Einfluß gegen den des
absolutistischen wiener Cabinctcs zu heben, es drang daher darauf, daß die
Ruhe des Kirchenstaates durch liberalere Verwaltung begründet werde. Oest¬
reich fand es klug dies nicht von vornherein zu verweisen, sein Gesandter in
Rom vereinigte sich mit denen der andern Großmächte zu einer Conferenz, um
dem Papste administrative Reformen zu empfehlen, im Mai 1831 ward der
Curie wirklich ein von Bunsen verfaßtes Memorandum über dieselben über¬
geben. Aber Metternich wußte sehr wohl, was es mit päpstlichen Reformen
auf sich hatte, die Verhandlungen wurden verschleppt und es kam zu keinem
Ergebniß. Die Geschichte dieser fruchtlosen Arbeit ist in diesen Blättern nach
zuverlässigen Quellen erzählt (1859. Bd. 2 x. 179). Die Ursache'des Miß-
lingens ist von dem Abbate Coppi naiv bezeichnet. Die Curie wollte keine
Reformen, denn was man selbst ohne äußere Nöthigung aufgebe, könne man
hernach nicht mehr zurücknehmen, vor allem sollte keine Laienverwaltung ein¬
geführt werden. (R. 1. 23t>.) Die alte Mißregierung ward demzufolge wie¬
der so schlimm als jemals. Die Regierung Gregors des Sechsten war eine der
traurigsten Epochen für den Kirchenstaat. Die geheimen Verbindungen mußten
auf dem Boden der Unterdrückung fortwuchern, Mazzini tritt jetzt als Führer
des jungen Italiens mit seinein mystischen Fanatismus in den Vordergrund.
Etwas besser stellten sich die Dinge in Neapel unter Ferdinand dem Zweiten,
insofern den materiellen Interessen eine gewisse Pflege gewährt wurde, welche
ja auch in Metternichs System lag. Desto tiefer lag alle geistige Cultur unter
den Händen der Jesuiten darnieder, die Choleraunrnhen in Sicilien wurden
zum Vorwande der politischen und administrativen Verschmelzung mit Neapel,
welche die Insel der Dynastie aufs tiefste entfremdeten. Am selbständigsten stellte
sich Piemont unter Karl Alberts Regierung, der vornehmlich auf die Pflege des
Heeres und der Finanzen seine Sorgfalt richtete, damit man dereinst im Stande


Grenzboten III. 1660, 17

stellt, aber Metternich sah gleich, daß die schwache Regierung Ludwig Philipps
dasselbe nicht mit den Waffen aufrecht halten werde, der nationalen Erhebung
wurde keine Zeit gelassen, sich zu organisiren, der Widerstand gegen die Ueber¬
macht regulärer Truppen ward unmöglich, die päpstliche Gewalt ward überall
hergestellt, die Amnestie, welche der Cardinallegat Benvenuti den sich freiwillig
Unterwerfenden gewährt, wurde für ungiltig erklärt, Verfolgungen und Be¬
strafungen begannen aufs neue, die Oestreicher wurden vom Papst in einem
Erlaß als „die auserwählten Schaaren von Tapfern genannt, denen Gott den
Triumph über die Verworfenheit der Rebellen aufbehalten habe, welche mit
tempelschänderischen, bewaffneten Händen Verheerung und Jammer in das
Levitengebiet hätten tragen wollen". Dafür garantirte der Kaiser dem Papste
alle laut der Verträge von 1815 ihm gehörigen Gebietstheile. Frankreich, das
sich trotz der Besetzung von Ancona hier offenbar hatte schlagen lassen, sah
in der Unterstützung von Reformen ein Mittel seinen Einfluß gegen den des
absolutistischen wiener Cabinctcs zu heben, es drang daher darauf, daß die
Ruhe des Kirchenstaates durch liberalere Verwaltung begründet werde. Oest¬
reich fand es klug dies nicht von vornherein zu verweisen, sein Gesandter in
Rom vereinigte sich mit denen der andern Großmächte zu einer Conferenz, um
dem Papste administrative Reformen zu empfehlen, im Mai 1831 ward der
Curie wirklich ein von Bunsen verfaßtes Memorandum über dieselben über¬
geben. Aber Metternich wußte sehr wohl, was es mit päpstlichen Reformen
auf sich hatte, die Verhandlungen wurden verschleppt und es kam zu keinem
Ergebniß. Die Geschichte dieser fruchtlosen Arbeit ist in diesen Blättern nach
zuverlässigen Quellen erzählt (1859. Bd. 2 x. 179). Die Ursache'des Miß-
lingens ist von dem Abbate Coppi naiv bezeichnet. Die Curie wollte keine
Reformen, denn was man selbst ohne äußere Nöthigung aufgebe, könne man
hernach nicht mehr zurücknehmen, vor allem sollte keine Laienverwaltung ein¬
geführt werden. (R. 1. 23t>.) Die alte Mißregierung ward demzufolge wie¬
der so schlimm als jemals. Die Regierung Gregors des Sechsten war eine der
traurigsten Epochen für den Kirchenstaat. Die geheimen Verbindungen mußten
auf dem Boden der Unterdrückung fortwuchern, Mazzini tritt jetzt als Führer
des jungen Italiens mit seinein mystischen Fanatismus in den Vordergrund.
Etwas besser stellten sich die Dinge in Neapel unter Ferdinand dem Zweiten,
insofern den materiellen Interessen eine gewisse Pflege gewährt wurde, welche
ja auch in Metternichs System lag. Desto tiefer lag alle geistige Cultur unter
den Händen der Jesuiten darnieder, die Choleraunrnhen in Sicilien wurden
zum Vorwande der politischen und administrativen Verschmelzung mit Neapel,
welche die Insel der Dynastie aufs tiefste entfremdeten. Am selbständigsten stellte
sich Piemont unter Karl Alberts Regierung, der vornehmlich auf die Pflege des
Heeres und der Finanzen seine Sorgfalt richtete, damit man dereinst im Stande


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[0141] stellt, aber Metternich sah gleich, daß die schwache Regierung Ludwig Philipps dasselbe nicht mit den Waffen aufrecht halten werde, der nationalen Erhebung wurde keine Zeit gelassen, sich zu organisiren, der Widerstand gegen die Ueber¬ macht regulärer Truppen ward unmöglich, die päpstliche Gewalt ward überall hergestellt, die Amnestie, welche der Cardinallegat Benvenuti den sich freiwillig Unterwerfenden gewährt, wurde für ungiltig erklärt, Verfolgungen und Be¬ strafungen begannen aufs neue, die Oestreicher wurden vom Papst in einem Erlaß als „die auserwählten Schaaren von Tapfern genannt, denen Gott den Triumph über die Verworfenheit der Rebellen aufbehalten habe, welche mit tempelschänderischen, bewaffneten Händen Verheerung und Jammer in das Levitengebiet hätten tragen wollen". Dafür garantirte der Kaiser dem Papste alle laut der Verträge von 1815 ihm gehörigen Gebietstheile. Frankreich, das sich trotz der Besetzung von Ancona hier offenbar hatte schlagen lassen, sah in der Unterstützung von Reformen ein Mittel seinen Einfluß gegen den des absolutistischen wiener Cabinctcs zu heben, es drang daher darauf, daß die Ruhe des Kirchenstaates durch liberalere Verwaltung begründet werde. Oest¬ reich fand es klug dies nicht von vornherein zu verweisen, sein Gesandter in Rom vereinigte sich mit denen der andern Großmächte zu einer Conferenz, um dem Papste administrative Reformen zu empfehlen, im Mai 1831 ward der Curie wirklich ein von Bunsen verfaßtes Memorandum über dieselben über¬ geben. Aber Metternich wußte sehr wohl, was es mit päpstlichen Reformen auf sich hatte, die Verhandlungen wurden verschleppt und es kam zu keinem Ergebniß. Die Geschichte dieser fruchtlosen Arbeit ist in diesen Blättern nach zuverlässigen Quellen erzählt (1859. Bd. 2 x. 179). Die Ursache'des Miß- lingens ist von dem Abbate Coppi naiv bezeichnet. Die Curie wollte keine Reformen, denn was man selbst ohne äußere Nöthigung aufgebe, könne man hernach nicht mehr zurücknehmen, vor allem sollte keine Laienverwaltung ein¬ geführt werden. (R. 1. 23t>.) Die alte Mißregierung ward demzufolge wie¬ der so schlimm als jemals. Die Regierung Gregors des Sechsten war eine der traurigsten Epochen für den Kirchenstaat. Die geheimen Verbindungen mußten auf dem Boden der Unterdrückung fortwuchern, Mazzini tritt jetzt als Führer des jungen Italiens mit seinein mystischen Fanatismus in den Vordergrund. Etwas besser stellten sich die Dinge in Neapel unter Ferdinand dem Zweiten, insofern den materiellen Interessen eine gewisse Pflege gewährt wurde, welche ja auch in Metternichs System lag. Desto tiefer lag alle geistige Cultur unter den Händen der Jesuiten darnieder, die Choleraunrnhen in Sicilien wurden zum Vorwande der politischen und administrativen Verschmelzung mit Neapel, welche die Insel der Dynastie aufs tiefste entfremdeten. Am selbständigsten stellte sich Piemont unter Karl Alberts Regierung, der vornehmlich auf die Pflege des Heeres und der Finanzen seine Sorgfalt richtete, damit man dereinst im Stande Grenzboten III. 1660, 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/141>, abgerufen am 21.05.2024.