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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Furiosa, Bellarina, stelln, Lisette, Amormio; denn noch ist das englische Blut
nicht eingeführt, mit Neapolitanern und Ungarn wird gezüchtet, türkische
Klepper werden, wie jetzt die Pony gesucht, edle Pferde aber verhältnißmäßig
höher bezahlt als jetzt, denn der lange Krieg hat die Pferdezucht in ganz Eu¬
ropa schmählich heruntergebracht. Auch sein Hundestall ist wohlversehen. denn
außer den Bullenbeißern braucht er auch Hetzhunde, Vorstehhunde und Dachs¬
hetzer, auch diese einflußreichen Begleiter seines Lebens schmückt er mit wohl¬
klingenden Namen: Favor, Rumor. Nero. Delphin, Passanda, Moserta, Pri-
merl, Visperl. Zwar die hohe Jagd ist das Recht seines Landesherrn, aber
aus Frankreich ist schon vor längerer Zeit der häßliche Gebrauch, das Wild
zu Hetzen, ins Land gekommen. So reitet er eifrig mit seinen Hunden nach
Hasen und Füchsen, oder er begleitet, eingeladen, einen großen Herrn auf die
Hirschjagd und empfängt Besuche eines befreundeten Hofbeamten, der noch
eine Falknerei unter sich hat, dann läßt man auf Krähen stoßen. Im Octo-
ber verschmäht er auch nicht, auf den Lerchenstrich zu gehen und die Garne
zu beaufsichtigen,*) In der Regel beginnen seine Tage mit Würde und en¬
digen mit Behagen, regelmäßig wird purgirt, zur Ader gelassen und zur Kirche ge¬
gangen, allwöchentlich hält der Gutsherr seinen Verhör- und Gerichtstag ab; nach
dem Gutenmorgenwunsch der Familie läßt er an freien Tagen die Rosse reiten,
in den Erntewochen reitet er auch wol auf das Feld und sieht nach den Schnittern
und dem Verwalter. Ein großer Theil seiner Zeit vergeht mit Besuchen, die
er in der Nachbarschaft abstattet oder empfängt. Bei der Mahlzeit, die noch
kurz nach 12 Uhr stattfindet, spielt das Wild die Hauptrolle, hat er Gäste,
so werden 7--8 Gerichte aufgesetzt, immer mehre zusammen. Wenn die
Unterhaltung einen höhern Flug nimmt, so berührt sie vorsichtig die Politik,
sehr ungern Glaubenssachen, noch gelten viel schöne'Sentenzen und Maximen
auch bei Leuten von Welt; eine Feinheit ist, Schriftsteller des Alterthums
oder elegante Franzosen ohne Pedanterie zu citiren, das Eigenthümliche frem¬
der Völker, auch Kuriositäten der Naturgeschichte, wie sie Beobachtung und
Lectüre nahe legt, werden gern erörtert. Es ist dabei guter Ton, die Einzelnen
der Reihe nach um ihre Ansicht zu fragen. Uns würde solche Unterhaltung,
auch wenn die Cavaliere von den besten Qualitäten wären, zuweilen immer
noch unbehilflicher und pedantischer erscheinen, als jetzt in einer Gesellschaft
armer Schulmeister; aber auch aus dieser Conversation, von der uns einige
zuverlässige Proben geblieben sind, ist trotz dem engen Gesichtskreis und zahl¬
reicher Vorurtheile, das Ringen der Zeit nach Aufklärung und Verständniß
der Welt zu entnehmen. In der Regel freilich läuft die Unterhaltung in



") Mehre Einzelheiten nach dem handschriftlichen Tagebuch eines östreichischen Freiherr,"
von Teuffel vom I. 1672 und folg,, dessen Mittheilung Schreiber dös, der Güte des Herrn
Grafen Wolf Baudissin verdankt.

Furiosa, Bellarina, stelln, Lisette, Amormio; denn noch ist das englische Blut
nicht eingeführt, mit Neapolitanern und Ungarn wird gezüchtet, türkische
Klepper werden, wie jetzt die Pony gesucht, edle Pferde aber verhältnißmäßig
höher bezahlt als jetzt, denn der lange Krieg hat die Pferdezucht in ganz Eu¬
ropa schmählich heruntergebracht. Auch sein Hundestall ist wohlversehen. denn
außer den Bullenbeißern braucht er auch Hetzhunde, Vorstehhunde und Dachs¬
hetzer, auch diese einflußreichen Begleiter seines Lebens schmückt er mit wohl¬
klingenden Namen: Favor, Rumor. Nero. Delphin, Passanda, Moserta, Pri-
merl, Visperl. Zwar die hohe Jagd ist das Recht seines Landesherrn, aber
aus Frankreich ist schon vor längerer Zeit der häßliche Gebrauch, das Wild
zu Hetzen, ins Land gekommen. So reitet er eifrig mit seinen Hunden nach
Hasen und Füchsen, oder er begleitet, eingeladen, einen großen Herrn auf die
Hirschjagd und empfängt Besuche eines befreundeten Hofbeamten, der noch
eine Falknerei unter sich hat, dann läßt man auf Krähen stoßen. Im Octo-
ber verschmäht er auch nicht, auf den Lerchenstrich zu gehen und die Garne
zu beaufsichtigen,*) In der Regel beginnen seine Tage mit Würde und en¬
digen mit Behagen, regelmäßig wird purgirt, zur Ader gelassen und zur Kirche ge¬
gangen, allwöchentlich hält der Gutsherr seinen Verhör- und Gerichtstag ab; nach
dem Gutenmorgenwunsch der Familie läßt er an freien Tagen die Rosse reiten,
in den Erntewochen reitet er auch wol auf das Feld und sieht nach den Schnittern
und dem Verwalter. Ein großer Theil seiner Zeit vergeht mit Besuchen, die
er in der Nachbarschaft abstattet oder empfängt. Bei der Mahlzeit, die noch
kurz nach 12 Uhr stattfindet, spielt das Wild die Hauptrolle, hat er Gäste,
so werden 7—8 Gerichte aufgesetzt, immer mehre zusammen. Wenn die
Unterhaltung einen höhern Flug nimmt, so berührt sie vorsichtig die Politik,
sehr ungern Glaubenssachen, noch gelten viel schöne'Sentenzen und Maximen
auch bei Leuten von Welt; eine Feinheit ist, Schriftsteller des Alterthums
oder elegante Franzosen ohne Pedanterie zu citiren, das Eigenthümliche frem¬
der Völker, auch Kuriositäten der Naturgeschichte, wie sie Beobachtung und
Lectüre nahe legt, werden gern erörtert. Es ist dabei guter Ton, die Einzelnen
der Reihe nach um ihre Ansicht zu fragen. Uns würde solche Unterhaltung,
auch wenn die Cavaliere von den besten Qualitäten wären, zuweilen immer
noch unbehilflicher und pedantischer erscheinen, als jetzt in einer Gesellschaft
armer Schulmeister; aber auch aus dieser Conversation, von der uns einige
zuverlässige Proben geblieben sind, ist trotz dem engen Gesichtskreis und zahl¬
reicher Vorurtheile, das Ringen der Zeit nach Aufklärung und Verständniß
der Welt zu entnehmen. In der Regel freilich läuft die Unterhaltung in



") Mehre Einzelheiten nach dem handschriftlichen Tagebuch eines östreichischen Freiherr,»
von Teuffel vom I. 1672 und folg,, dessen Mittheilung Schreiber dös, der Güte des Herrn
Grafen Wolf Baudissin verdankt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/16>, abgerufen am 21.05.2024.