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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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westphälischen Schulen, denen die drei Vertreter der deutschen Kunstblüte im
16. Jahrhundert Dürer, Holbein, Kranach folgen, zugleich die für beinahe zwei
Jahrhunderte verschwindende deutsche Kunst abschließend ; in 10 Gruppen entfaltet
sich die reiche weitere Entwicklung der niederländischen Schule: Lukas von
Leyden und die Zeitgenossen des Goltzius, Rubens und seine Schule (in den
vorzüglichen Stichen der gleichzeitigen Meister), van Dyk, Rembrandt, die nie¬
dere Genremalerei und das Konversationsstück, Landschaften, Thierstücke und
Malerradirungen. Vier Gruppen sind den Engländern gewidmet, deren histo¬
rische Kunst, Landschafts- und Schlachtenmalerei und Porträts im 18. Jahr¬
hundert (letztere in den gleichzeitigen Meisterwerken des Schwarzkunststichs) sammt
der neuen Kunstentwicklung vertreten sind. Die letzten 10 Gruppen führen uns
wieder in die deutsche Kunst ein. -- Die Manicristcn, die eklektischen und Re-
formbestrebungen des vorigen Jahrhunderts mit ihren einzelnen meisterlichen
Erscheinungen, besonders im Felde der Malerradirung, bereiten aus die glän¬
zende Kunstblüte unseres Jahrhunderts vor, welche, das letzte Zimmer um¬
fassend, in ihrer vorzüglichen Vertretung mit freudigem und berechtigtem Stolze
erfüllen muß. Die Mittelwand mit Cornelius' Werken bietet vielleicht den
erhebendsten Eindruck, den Kunstschöpfungen zu erregen im Stande sind, und
den nach alldurchwanderten reichen Schätzen und der Fülle ihrer Schönheit darf
die deutsche Kunst mit vollem Rechte sich dem Besten zur Seite stellen, was die
Malerei im Lauf der Jahrhunderte geschaffen. --

Kaum ist es dem Beschauer möglich, neben der Entwicklung der Malerei
auch die Meisterwerke der Vervielfältigungskünste, deren Vereinigung die
Sammlung bildet, in ihrem besonderen Werthe zu berücksichtigen. Da die
Absicht des Gründers nur auf möglichst treue Nachbildung der Malerwerke ge¬
richtet war. so konnte technischen Vorzügen natürlich auch nur an zweiter Stelle
Rechnung getragen werden, und Kupferstich. Stahlstich, Holzschnitt, Lithogra¬
phie und Photographie sind herbeigezogen worden, das große Ganze in allen
seinen Theilen zum möglichst vollendeten Bilde der Kunstentwicklung zu ge¬
stalten. Indessen hat ganz von selbst die Kupferstecherkunst eine Vereinigung
ihrer bedeutendsten und kostbarsten Meisterwerke gefunden. Die Originalar¬
beiten der Maler in Stich und Radirung. die Hauptblätter der hervorragend¬
sten älteren und neueren Meister und -- wie es sich bei dem Verständniß des
seit langen Jahren als Kupferstichsammler thätigen Stifters nicht anders er
warten ließ -- in den trefflichsten Exemplaren sind für die Sammlung er¬
worben worden, und wenn neben der jahrelangen aufopfernden Arbeit des
Ordnens, Aufstellens und Verzeichnens der Sammlung deren materieller Werth
nur die kleinere Hälfte der Gabe bildet, so ist dieser an und für sich so be¬
deutend, daß im Verhältniß der Blätterzahl keine der bisher zur Versteigerung
gekommenen berühmten Kupserstichsammlungen sich damit wird messen können.


westphälischen Schulen, denen die drei Vertreter der deutschen Kunstblüte im
16. Jahrhundert Dürer, Holbein, Kranach folgen, zugleich die für beinahe zwei
Jahrhunderte verschwindende deutsche Kunst abschließend ; in 10 Gruppen entfaltet
sich die reiche weitere Entwicklung der niederländischen Schule: Lukas von
Leyden und die Zeitgenossen des Goltzius, Rubens und seine Schule (in den
vorzüglichen Stichen der gleichzeitigen Meister), van Dyk, Rembrandt, die nie¬
dere Genremalerei und das Konversationsstück, Landschaften, Thierstücke und
Malerradirungen. Vier Gruppen sind den Engländern gewidmet, deren histo¬
rische Kunst, Landschafts- und Schlachtenmalerei und Porträts im 18. Jahr¬
hundert (letztere in den gleichzeitigen Meisterwerken des Schwarzkunststichs) sammt
der neuen Kunstentwicklung vertreten sind. Die letzten 10 Gruppen führen uns
wieder in die deutsche Kunst ein. — Die Manicristcn, die eklektischen und Re-
formbestrebungen des vorigen Jahrhunderts mit ihren einzelnen meisterlichen
Erscheinungen, besonders im Felde der Malerradirung, bereiten aus die glän¬
zende Kunstblüte unseres Jahrhunderts vor, welche, das letzte Zimmer um¬
fassend, in ihrer vorzüglichen Vertretung mit freudigem und berechtigtem Stolze
erfüllen muß. Die Mittelwand mit Cornelius' Werken bietet vielleicht den
erhebendsten Eindruck, den Kunstschöpfungen zu erregen im Stande sind, und
den nach alldurchwanderten reichen Schätzen und der Fülle ihrer Schönheit darf
die deutsche Kunst mit vollem Rechte sich dem Besten zur Seite stellen, was die
Malerei im Lauf der Jahrhunderte geschaffen. —

Kaum ist es dem Beschauer möglich, neben der Entwicklung der Malerei
auch die Meisterwerke der Vervielfältigungskünste, deren Vereinigung die
Sammlung bildet, in ihrem besonderen Werthe zu berücksichtigen. Da die
Absicht des Gründers nur auf möglichst treue Nachbildung der Malerwerke ge¬
richtet war. so konnte technischen Vorzügen natürlich auch nur an zweiter Stelle
Rechnung getragen werden, und Kupferstich. Stahlstich, Holzschnitt, Lithogra¬
phie und Photographie sind herbeigezogen worden, das große Ganze in allen
seinen Theilen zum möglichst vollendeten Bilde der Kunstentwicklung zu ge¬
stalten. Indessen hat ganz von selbst die Kupferstecherkunst eine Vereinigung
ihrer bedeutendsten und kostbarsten Meisterwerke gefunden. Die Originalar¬
beiten der Maler in Stich und Radirung. die Hauptblätter der hervorragend¬
sten älteren und neueren Meister und — wie es sich bei dem Verständniß des
seit langen Jahren als Kupferstichsammler thätigen Stifters nicht anders er
warten ließ — in den trefflichsten Exemplaren sind für die Sammlung er¬
worben worden, und wenn neben der jahrelangen aufopfernden Arbeit des
Ordnens, Aufstellens und Verzeichnens der Sammlung deren materieller Werth
nur die kleinere Hälfte der Gabe bildet, so ist dieser an und für sich so be¬
deutend, daß im Verhältniß der Blätterzahl keine der bisher zur Versteigerung
gekommenen berühmten Kupserstichsammlungen sich damit wird messen können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/288>, abgerufen am 22.05.2024.