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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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der Stil ist einfacher und gehaltener als sonst. Die alte Neigung, Stoffe aus der
Literatur- und Kunstgeschichte zu wählen, können wir noch immer nicht billigen, die
Gründe haben wir schon mehrfach angeführt. In der ersten Novelle ist im Ganzen
die Gottschedsche Periode anschaulich erzählt, aber die Erfindung eines platonischen
Verhältnisses zwischen Lessing und Frau Adelgunde Gottsched geb. Kulmus können
wir schon darum nicht billigen, weil sich Lessing später über das Ehepaar in einer
Weise ausgesprochen hat, die unter diesen Umständen geradezu roh genannt werden
müßte. --

Ein wiener Bürger von Johannes Nordmann. (Wien, Wallishauser.) Spielt
1765. Die Sittenschilderung ist lebhaft und ansprechend, die Erfindung von mäßigem
Werth. --

Die östreichische Akademie der Dichtung, Forschung und Kritik. Herausgegeben
von Jsidor Müller, l. Bd. (Wien. Müller.) Ein buntes Allerlei, in dem sich
einige recht anziehende Kleinigkeiten finden. --

Erlebnisse auf dem Gebiet der Strafjustiz und der innern Mission, Von A.
Frh. von Seid. (Halle, Mühlmann).-- Wir rechnen das Buch in diese Kategorie,
da es dem Verfasser nicht um wissenschaftliche Vollständigkeit und Genauigkeit zu
thun ist. Die einzelnen Kriminalgeschichten sind gut und einfach erzählt, das Ganze
belebt ein frommer und doch heitrer Sinn.

Aus dem schwäbischen Pfarrhaus nach Amerika. Reiseschilderungcn von Luise
Weil. (Stuttgart. Franckh). -- Eine wahre Geschichte, hauptsächlich zur War¬
nung für voreilige Auswandrer geschrieben. Was von der Reise erzählt wird, ist
wahrhaft schauerlich; das arme Mädchen, das solches erleben und -- erzählen
mußte, flößt dieses Mitleid ein. Unter den amerikanischen Bildern ist die Schilder¬
ung von Economy (Niederlassung einer Secte, welche die Ehe ausschließt) und das
sehnlicher von Cincinnati von Interesse. --

Otto von Wittelsbach. Trauerspiel in 5 Acten von O. F. Gruppe. (Berlin.
Bach.) Sehr saubere und elegante Arbeit, und. von einigen unnützen Episoden
abgesehn, auch theatralisch brauchbar. Die Grundzüge des Stoffs -- wie sie schon
bei Babo deutlich hervortreten, konnten natürlich im Wesentlichen nicht geändert
werden. --

Palm, ein deutscher Bürger. Trsp. in 5 A. von Ludwig Eckardt. (Weni¬
gen-Jena. Hochhausen). Ueberwiegend politischer Zweck; mit der nöthigen Schlu߬
rede KI" Egmont. Auf alle Fälle viel besser als der "Schiller" desselben Verfassers. --




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Verantwortlicher Redacteur: Dr. Morip Busch
Verlag vo" F, v, Herbig -- Druck ron C, ", Mer" in Leipzig.

der Stil ist einfacher und gehaltener als sonst. Die alte Neigung, Stoffe aus der
Literatur- und Kunstgeschichte zu wählen, können wir noch immer nicht billigen, die
Gründe haben wir schon mehrfach angeführt. In der ersten Novelle ist im Ganzen
die Gottschedsche Periode anschaulich erzählt, aber die Erfindung eines platonischen
Verhältnisses zwischen Lessing und Frau Adelgunde Gottsched geb. Kulmus können
wir schon darum nicht billigen, weil sich Lessing später über das Ehepaar in einer
Weise ausgesprochen hat, die unter diesen Umständen geradezu roh genannt werden
müßte. —

Ein wiener Bürger von Johannes Nordmann. (Wien, Wallishauser.) Spielt
1765. Die Sittenschilderung ist lebhaft und ansprechend, die Erfindung von mäßigem
Werth. —

Die östreichische Akademie der Dichtung, Forschung und Kritik. Herausgegeben
von Jsidor Müller, l. Bd. (Wien. Müller.) Ein buntes Allerlei, in dem sich
einige recht anziehende Kleinigkeiten finden. —

Erlebnisse auf dem Gebiet der Strafjustiz und der innern Mission, Von A.
Frh. von Seid. (Halle, Mühlmann).— Wir rechnen das Buch in diese Kategorie,
da es dem Verfasser nicht um wissenschaftliche Vollständigkeit und Genauigkeit zu
thun ist. Die einzelnen Kriminalgeschichten sind gut und einfach erzählt, das Ganze
belebt ein frommer und doch heitrer Sinn.

Aus dem schwäbischen Pfarrhaus nach Amerika. Reiseschilderungcn von Luise
Weil. (Stuttgart. Franckh). — Eine wahre Geschichte, hauptsächlich zur War¬
nung für voreilige Auswandrer geschrieben. Was von der Reise erzählt wird, ist
wahrhaft schauerlich; das arme Mädchen, das solches erleben und — erzählen
mußte, flößt dieses Mitleid ein. Unter den amerikanischen Bildern ist die Schilder¬
ung von Economy (Niederlassung einer Secte, welche die Ehe ausschließt) und das
sehnlicher von Cincinnati von Interesse. —

Otto von Wittelsbach. Trauerspiel in 5 Acten von O. F. Gruppe. (Berlin.
Bach.) Sehr saubere und elegante Arbeit, und. von einigen unnützen Episoden
abgesehn, auch theatralisch brauchbar. Die Grundzüge des Stoffs — wie sie schon
bei Babo deutlich hervortreten, konnten natürlich im Wesentlichen nicht geändert
werden. —

Palm, ein deutscher Bürger. Trsp. in 5 A. von Ludwig Eckardt. (Weni¬
gen-Jena. Hochhausen). Ueberwiegend politischer Zweck; mit der nöthigen Schlu߬
rede KI» Egmont. Auf alle Fälle viel besser als der „Schiller" desselben Verfassers. —




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Verantwortlicher Redacteur: Dr. Morip Busch
Verlag vo» F, v, Herbig — Druck ron C, «, Mer» in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/292>, abgerufen am 21.05.2024.