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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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hielt, seine Hauswirthin in der Fastnacht beim Tanz im Kretscham recht hoch
springen, der Ostpreuße die älteste Jungfer in seinem Gehöft am Lichtme߬
tage rückwärts vom Tische hüpfen, der Mecklenburger beim Säen eine Harke
in das Feld stecken, damit der Flachs sich daran ein Beispiel nehme und auch
so hoch zu werden strebe. Andere Mittel zu diesem Zwecke wendete der Thü¬
ringer an, indem er beim Säen ungewöhnlich große Schritte machte, auf dem
besäeten Felde frische Eier aß und an die beiden Enden desselben Hollunder-
büsche steckte. Eine reiche Kornernte sicherte sich der altgläubige Bauer der
Wetterau, indem er drei Kornähren an den Spiegel steckte und dazu die drei
heiligen Namen aussprach. Vor Wetterschaden bewahrte man die Saat hier
durch Kohlen vom Osterfeuer, dort durch blühende Zweige von Erlen, Pappeln
oder Weiden, die am Palmsonntage in der Kirche geweiht worden.

Mit ähnlichem Zauber düngten und pflegten die Altgläubigen ihre Ge¬
müsebeete und ihren Obstgarten. Nach althergebrachter Sitte steckten sie ihre
Bohnen am Tage Christian, damit sie nicht erfrieren, und in ungrader Zahl,
damit sie reichlich tragen möchten, ihre Erbsen an einem Mittwoch oder Sonn¬
abend, weil sie sonst leicht von den Vögeln weggeholt werden könnten, ihre
Kürbisse am Abend vor Himmelfahrt, da sie dann besonders groß werden
sollten, ihre Gurken aus gleichem Grunde am Walpurgisabend. Ihren Kohl
pflanzten sie. damit er gedeihe, am Gründonnerstag, als es in die Kirche läu¬
tete, und hackten ihn sorgsam an drei auf einander folgenden Freitagen. Ihr
Buchweizen wurde, daß er nicht zu lange blühe, beim abnehmenden Mond
gesäet. In Betreff der Kartoffeln wurde die Regel beobachtet, sie nicht im
Zeichen des Steinbocks und stets bei "weichem", d. h. südlichem oder west¬
lichem Winde zu legen, da sie bei Mißachtung jener Vorschrift hart werden,
bei Beachtung dieser gut bersten sollten. Junge, zum erstenmal tragende
Bäume machte man fruchtbar, indem man ihre Früchte von einem Kinde unter
sieben Jahren abpflücken ließ, oder sie in einen' recht großen Sack brach und
einige davon verschonte. Ein ebenfalls probates Mittel zu diesem Zwecke war,
den Hofhund, wenn er starb, unter dem Baume zu verscharren. Wurden die
ersten Früchte gestohlen, so wußte man, daß von dem Baume sieben Jahre
lang keine Früchte zu erwarten waren.

So verging die Zeit der Pflege von Feld und Garten. Mancherlei an¬
dere Regeln, oft sinnreich, bisweilen sinnlos, hatte der Altgläubige noch zu
beobachten; denn groß ist in den Kreisen, wo die Rockcnphilosophie der guten
alten Zeit noch das Regiment führt, das Kapitel von dem, was man darf
und nicht darf. Er hat sie befolgt, treu und sorgfältig, wie es ihm gelehrt
worden, wenn auch nicht mit dem vollen Glauben wie seine Väter. Der ge¬
wissenhaft angewandte Zauber hat seine Wirkung gethan, die gewissenhafte
Arbeit mit Pflug und Hacke noch bessere, Sonne und Regen, je nach des


hielt, seine Hauswirthin in der Fastnacht beim Tanz im Kretscham recht hoch
springen, der Ostpreuße die älteste Jungfer in seinem Gehöft am Lichtme߬
tage rückwärts vom Tische hüpfen, der Mecklenburger beim Säen eine Harke
in das Feld stecken, damit der Flachs sich daran ein Beispiel nehme und auch
so hoch zu werden strebe. Andere Mittel zu diesem Zwecke wendete der Thü¬
ringer an, indem er beim Säen ungewöhnlich große Schritte machte, auf dem
besäeten Felde frische Eier aß und an die beiden Enden desselben Hollunder-
büsche steckte. Eine reiche Kornernte sicherte sich der altgläubige Bauer der
Wetterau, indem er drei Kornähren an den Spiegel steckte und dazu die drei
heiligen Namen aussprach. Vor Wetterschaden bewahrte man die Saat hier
durch Kohlen vom Osterfeuer, dort durch blühende Zweige von Erlen, Pappeln
oder Weiden, die am Palmsonntage in der Kirche geweiht worden.

Mit ähnlichem Zauber düngten und pflegten die Altgläubigen ihre Ge¬
müsebeete und ihren Obstgarten. Nach althergebrachter Sitte steckten sie ihre
Bohnen am Tage Christian, damit sie nicht erfrieren, und in ungrader Zahl,
damit sie reichlich tragen möchten, ihre Erbsen an einem Mittwoch oder Sonn¬
abend, weil sie sonst leicht von den Vögeln weggeholt werden könnten, ihre
Kürbisse am Abend vor Himmelfahrt, da sie dann besonders groß werden
sollten, ihre Gurken aus gleichem Grunde am Walpurgisabend. Ihren Kohl
pflanzten sie. damit er gedeihe, am Gründonnerstag, als es in die Kirche läu¬
tete, und hackten ihn sorgsam an drei auf einander folgenden Freitagen. Ihr
Buchweizen wurde, daß er nicht zu lange blühe, beim abnehmenden Mond
gesäet. In Betreff der Kartoffeln wurde die Regel beobachtet, sie nicht im
Zeichen des Steinbocks und stets bei „weichem", d. h. südlichem oder west¬
lichem Winde zu legen, da sie bei Mißachtung jener Vorschrift hart werden,
bei Beachtung dieser gut bersten sollten. Junge, zum erstenmal tragende
Bäume machte man fruchtbar, indem man ihre Früchte von einem Kinde unter
sieben Jahren abpflücken ließ, oder sie in einen' recht großen Sack brach und
einige davon verschonte. Ein ebenfalls probates Mittel zu diesem Zwecke war,
den Hofhund, wenn er starb, unter dem Baume zu verscharren. Wurden die
ersten Früchte gestohlen, so wußte man, daß von dem Baume sieben Jahre
lang keine Früchte zu erwarten waren.

So verging die Zeit der Pflege von Feld und Garten. Mancherlei an¬
dere Regeln, oft sinnreich, bisweilen sinnlos, hatte der Altgläubige noch zu
beobachten; denn groß ist in den Kreisen, wo die Rockcnphilosophie der guten
alten Zeit noch das Regiment führt, das Kapitel von dem, was man darf
und nicht darf. Er hat sie befolgt, treu und sorgfältig, wie es ihm gelehrt
worden, wenn auch nicht mit dem vollen Glauben wie seine Väter. Der ge¬
wissenhaft angewandte Zauber hat seine Wirkung gethan, die gewissenhafte
Arbeit mit Pflug und Hacke noch bessere, Sonne und Regen, je nach des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/313>, abgerufen am 21.05.2024.